18. Gebräu

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„Gally hat sich gut eingelebt", bemerkte Teresa. Es war bereits Nachmittag und wir hatten bis gerade seit dem Mittagessen, bei dem wir bei den beiden am Tisch gesessen hatten, nicht viel geredet.
Ich sah auf und bemerkte, dass sie etwas auf den großen Bildschirm geworfen hatte. Gally saß zusammen mit Fry Pan, Alby und zwei anderen Jungen in der Küche. Sie schienen gerade Pause zu machen, was ich nicht bemerkt hatte, da ich mich gerade bereits um meinen Tagesbericht gekümmert hatte.
Gally hatte mittlerweile die zweite Hütte fertig gestellt und musste nun auf neue Vorräte warten, die am Freitag mit der Box hochkommen würde.
Die letzte Box vor Newt.
Seit ein paar Tagen half er nun schon Fry Pan beim Kochen, wobei dieser ihn nur Kartoffeln schälen ließ und der Gleichen, da Gally absolut nicht kochen konnte. Es war ziemlich amüsant gewesen zu beobachten wie er sich beim ersten Mal angestellt hatte.
Wenn er nicht Fry Pan half, arbeitete er auf den Feldern oder im Garten, was ihm schon etwas mehr lag und was dem Koch auch offensichtlich lieber war.
Teresa hatte Recht. Seit Gally meine Nachricht bekommen hatte, war er viel offener und freundlicher zu den anderen Jungen gewesen. Wir hatten also das erreicht, was wir erreichen wollten.
Ich hatte bereits das eine oder andere Gespräch zwischen ihm und Alby mit angehört, in dem es darum ging, ob ich nun wirklich ins Labyrinth geschickt würde und ob ich mich, wenn ich ihnen jetzt Briefe schickte, vielleicht an mehr erinnern können würde.
Das fragte ich mich auch. Was würde passieren, wenn man mir dort meine Nachricht zeigen würde? Wenn man mir sagte, dass ich Gally früher unter Garantie gekannt hatte, auch wenn ich mich vielleicht nicht mehr an ihn erinnern würde? Würden dann Erinnerungen wach werden? War das möglich?
Und würden er und Alby versuchen, etwas aus mir herauszubekommen? Würden sie mir glauben, dass ich nichts über WICKED wusste, weil das wahrscheinlich oder ziemlich sicher der Fall sein würde?
Ich wusste es nicht. Aber ich würde es ja bald herausfinden.
Als ich mich wieder meinem Bericht zuwendete, der heute nicht allzu lang sein würde, hatte Teresa das Bild wieder von dem großen Bildschirm genommen. Trotzdem konnte ich die drei noch vor mir sehen, da ich ja die Aufgabe hatte, sie zu beobachten und mein Monitor deshalb das gleiche anzeigte. Ich musste lächeln, als ich sah, wie Gally etwas sagte und die anderen beiden zu lachen begannen. Es war so schön, zu sehen, dass es ihm gut ging und zu wissen, dass ich einen großen Teil dazu beigetragen hatte.
Noch immer konnte ich nicht sagen, wie dankbar ich Teresa war, dass sie mir bisher so viel geholfen hatte und wie dankbar ich ihr sein würde, wenn unser Plan funktionieren würde, auch wenn ich mich danach nicht mehr an sie erinnern können würde.
Der Gedanke daran tat schon ein bisschen weh. Ich würde alle meine Freunde, die noch hier waren, vergessen, wenn ich ins Labyrinth geschickt würde. Vielleicht würden einige von ihnen nachkommen, aber Thomas würden sie garantiert nie ins Labyrinth schicken. Und Teresa natürlich auch nicht.
Ich musste an Minho denken, der bereit war, alles zu riskieren, um mir zu helfen, obwohl es für ihn gar keinen Nutzen hatte, außer dass er das Richtige tat, wie er selbst gesagt hatte. Ich würde ihn vermissen, auch wenn ich es nicht wissen würde. Genauso würde ich auch Zart, Heath, Ben und alle anderen vermissen, die ich jeden Tag beim Essen sah und mit denen ich mich gut verstand.
Schnell schüttelte ich den Kopf, um die Gedanken wegzuwischen und konzentrierte mich bis zum Feierabend darauf, meinen Bericht zu Ende zu schreiben.
Als ich fertig war, blieben noch 30 Minuten, bis wir fertig mit unserer Arbeit waren und ich sah gedankenverloren zu, wie die Jungen sich nach dem Abendessen alle am Lagerfeuer trafen und unterhielten.
Gally saß zwischen Alby und George und sie redeten gerade darüber, was er als nächstes bauen solle, als Fry Pan sich zu ihnen setzte.
„Hey, Gally, komm mal mit. Ich will dir was zeigen."
Gally stand auf und folgte ihm zu seiner Küche, wo er an den Tresen gelehnt darauf wartete, was er ihm zu zeigen hatte. Dieser kam mit einem Einmachglas gefüllt mit einer bräunlichen Flüssigkeit wieder und reichte sie Gally.
„Probier das mal. Hab ich selber zusammen gemischt. Könnte aber vielleicht nochmal generalüberholt werden. Was meinst du? Lust mir zu helfen?"
Gally nippte an der Flüssigkeit und musste sich offensichtlich beherrschen, sie nicht sofort wieder auszuspucken. Das sah so lustig aus, dass ich lachen musste und sogleich einen verwirrten Blick von Teresa erntete.
„Was hast du da rein getan?"
„Ich hab ein bisschen rumprobiert. Bin ziemlich sicher, dass es einen relativ hohen Alkoholgehalt hat."
Gally nickte nur, das hatte er anscheinend schon gemerkt.
„Na gut, ich helfe dir. Komm, lass uns loslegen."
Sie begannen verschiedene Sachen zusammen zumischen und schienen einiges an Spaß zu haben, vor allem, nachdem sie immer wieder probiert hatten.
Gally schien ein Talent dafür zu haben, denn es dauerte wirklich nicht lange bis beide mit seiner Kreation zufrieden waren.
Liegt wahrscheinlich daran, dass sie schon so viel probiert haben, dass sie betrunken sind.
Klar, keiner von beiden hatte hier jemals Alkohol bekommen, da haute einen so etwas garantiert schon schnell um.
„Was machen die da?", fragte Newt und legte mir eine Hand auf die Schulter.
„Oh, ich glaube sie sind gerade dabei Alkohol zu brennen, richtig?" Thomas lachte. „Komm, wir haben Feierabend. Bist du mit deinem Bericht fertig?"
Ich nickte und reichte ihn ihm.
Gemeinsam machten wir uns auf den Weg zum Abendessen. Im Speisesaal angekommen trennten sich unsere Wege aber wieder, denn Newt und ich setzten uns an unseren Stammtisch, wo die meisten schon fast aufgegessen hatten, während Thomas und Teresa sich wie immer völlig alleine an ihren Tisch setzten.
Als ich meinen Blick über die anderen Tische gleiten ließ, sah ich Rachel und erinnerte mich an unsere Verabredung heute Nacht. Ich würde es nicht weit haben bis zu ihr, denn sie schlief auf dem gleichen Korridor wie wir. Trotzdem sollte ich noch einmal nachschauen, wie ich am schnellsten zu ihrem Zimmer gelangte. Ich nahm mir vor, das zu tun während Newt duschte. So würde er keinen Verdacht schöpfen. Blieb nur noch zu hoffen, dass er nicht aufwachte, wenn ich weg war.
Nachdem wir aufgegessen hatten, gingen wir zusammen zu unserem Zimmer und es dauerte nicht lange, bis Newt meine Hand nahm. Wir verschränkten unsere Finger ineinander und seine Wärme durchströmte mich.
„Zart war wieder bei den Mädchen, hast du es auch gemerkt?", fragte er beiläufig.
„Hm? Nein, habe ich nicht."
„Ach so, ich dachte du hättest ihn gesucht. Du hast einmal so lange zu ihrem Tisch geschaut."
Newt war einfach viel zu aufmerksam. Ihm war also gleich aufgefallen, dass ich zu Rachel rüber geschaut hatte, auch wenn er dies falsch gedeutet hatte.
„Er scheint sich ja gut mit diesem Mädchen zu verstehen. Das freut mich für ihn", versuchte ich einzulenken.
„Ja, da hast du Recht."
Schweigend erreichten wir unser Zimmer und Newt entschied sich, sofort duschen zu gehen. Ich setzte mich auf mein Bett und beobachtete ihn, wie er sich frische Sachen zusammen suchte und dann im Badezimmer verschwand.
Als ich das Wasser laufen hörte kletterte ich flink auf mein Bett, öffnete die Klappe, holte die Karte heraus und suchte schnell nach der Verbindung zu Rachels Zimmer. Glücklicherweise war es wirklich nicht schwierig und ich konnte mir den Weg gut merken. Noch bevor Newt das Wasser ausstellte hatte ich die Karte verstaut und saß wieder auf dem Bett.
Nachdem er das Badezimmer verlassen hatte, ging ich duschen, zog mich an, putzte meine Zähne und kehrte zu ihm zurück.
Er lag auf seinem Bett und schaute zur Decke. Leise schlüpfte ich zu ihm unter die Decke und kuschelte mich an ihn. Warum war er nur immer so wunderbar warm?
„Hey", flüsterte ich.
„Hey", entgegnete er und nahm mich in den Arm.
„An was denkst du?", fragte ich, während ich mich auf meinen Ellenbogen stützte und ihn ansah, immer noch in seinen Armen.
„An viel zu viel. Aber das ist jetzt egal. Jetzt denke ich nur noch an dich." Damit wandte er sich mir zu und sah mir in die Augen.
Ich konnte seinem Blick mittlerweile zwar schon länger standhalten, aber seine braunen Augen hypnotisierten mich immer wieder. Ich verlor mich vollkommen in ihnen, bis er mich unterbrach, indem er mich küsste. Sofort schloss ich meine Augen und konzentrierte mich nur auf ihn.
Und wieder vergaß ich alles um mich herum, alles an das ich den Tag über gedacht hatte. Es war noch so viel Zeit, bis ich mich zu Rachel auf den Weg machen musste. So viel Zeit, in der wir einfach nur zusammen sein konnten.
Dieses Mal wusste ich, was passieren würde. Trotzdem kribbelte es wieder überall in mir und am stärksten da, wo er mich gerade berührte, so als würden seine Hände eine Gänsehaut auslösen, überall wo sie mich berührten. Sie waren bestimmter als gestern, aber immer noch so wunderbar vorsichtig.
Meine Gefühle überwältigten mich, genau wie gestern. Trotzdem schaffte ich es dieses Mal irgendwie selber aktiver zu sein, nicht so wie beim ersten Mal, als ich fast die gesamte Zeit nur darauf vertraut hatte, dass Newt wusste, was er tat.
Als ich wieder nur in Unterwäsche da lag und er sich kurz von mir löste, um seine eigene Hose auszuziehen, wartete ich nicht, bis er mich wieder küsste, sondern zog ihn an mich heran und küsste ihn, dieses Mal von mir aus fordernder.
Ich wusste, dass es heute nicht mehr wehtun würde. Dafür hatte es gestern viel zu kurz geschmerzt. Diese Sicherheit nahm mir alle Angst und ich zeigte ihm dieses Mal, dass ich es auf jeden Fall jetzt wollte und dass er nicht so vorsichtig zu sein brauchte wie gestern.
Und das war er nicht. Und es gefiel mir, auch wenn mir das garantiert später etwas unangenehm sein würde.
Dass es mir noch mehr als gestern gefiel schien Newt zu merken. Ich sah ihm ins Gesicht und sah, dass er mich anstrahlte, was mich selber zum Lächeln brachte, bevor ich ihn wieder küsste und meine Hand in seinen Haaren vergrub, während die andere sich in seinen Rücken krallte. Kurz dachte ich daran, dass er morgen bestimmt Kratzer haben würde, wusste aber, dass ihn das garantiert nicht stören würde und vergaß den Gedanken ganz schnell wieder.
Viel zu überwältigend waren die Gefühle, die ich in diesem Moment spürte.
Schwer atmend ließ er sich irgendwann neben mich fallen. Ich sah zu ihm herüber und musste grinsen. Er erwiderte dieses Grinsen, immer noch schnell atmend, als müsse er sich erst wieder beruhigen.
„Wow", flüsterte er. „Das war... überwältigend."
Ich spürte, wie ich leicht errötete. „Ja, das fand ich auch."
„Du bist unglaublich." Er sah mir wieder direkt in die Augen. „Und so wunderschön."
„Ich liebe dich", flüsterte ich und vergrub mein Gesicht an seiner Brust.
„Und ich liebe dich."

From The WICKED Start | A Maze Runner Story Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt