23. Eine Freundin

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Irgendwann hatte ich mich wieder so weit beruhigt, dass ich duschen gehen konnte, bevor ich mich zum Abendessen aufmachte. Die negativen Gedanken schob ich von mir weg und es war um einiges leichter, als ich den Speisesaal betrat und die Anwesenheit der anderen Jugendlichen mich umgab.
Erstaunt stellte ich fest, dass Thomas und Teresa nicht wie gewohnt an ihrem Tisch saßen, sondern neben Heath und Zart auf mich warteten. Als ich mich mit meinem Essen ihnen gegenüber hinsetzte, wo Ben mir einen Platz freigehalten hatte, sah ich die beiden mit hochgezogenen Augenbrauen an und musterte vor allem Teresa.
„Was verschlägt euch denn hier rüber?", fragte ich, während ich etwas Salat aß.
„Na was wohl. Du natürlich. Wir wollten sehen, wie es dir geht und gerne mit dir essen." Jetzt war Teresa schon wieder so nett. Ich durchschaute dieses Mädchen einfach nicht.
„Das ist wirklich... nett." Ich lächelte sie an.
Trotz ihrer netten Geste entging mir nicht, dass sie den anderen Jungen immer wieder komische Blicke zuwarf, als fühlte sie sich bei ihnen alles andere als wohl. Aber das war mir egal, ich war einfach glücklich, alle meine Freunde hier zu haben, gerade jetzt, wo es mir wirklich nicht besonders gut ging.
Der Stuhl zu meiner Rechten blieb frei, so als ob niemand sich darauf setzen wollte. Auch als Minho zu uns stieß setzte er sich neben Thomas, obwohl er neben mir viel näher an den Gesprächen dran gewesen wäre.
Es war, als wollte sich einfach niemand auf den Stuhl setzen, auf dem Newt die letzten Wochen über gesessen hatte, als wollten sie mich irgendwie schonen oder so. Ich fand das ehrlich gesagt ein wenig komisch und hätte Minho gerne neben mir gehabt, sagte aber nichts.
Mir war nicht entgangen, wie die Anderen mich ansahen. Als wäre ich zerbrechlich und als müsse man aufpassen, dass man mich nicht verletzte.
Komisch. So war das nicht gewesen, als sie Gally geholt hatten.
Jeder hat gesehen, wie nah Newt und ich uns waren.
Das klang viel zu kitschig. Aber eine andere Erklärung hatte ich nicht.
Ich war als erstes fertig und brachte mein Tablett weg, nachdem ich mich von den Anderen verabschiedet hatte.
Erst als ich den Speisesaal verlassen hatte und schon auf dem Weg zu den Aufzügen war, bemerkte ich, dass ich nicht alleine war. Jemand folgte mir und ich zuckte zusammen, als ich das realisierte und wirbelte herum.
Teresa.
Sie hatte eine kleine Tasche über der Schulter und sah mich aufgrund meiner Reaktion überrascht an.
„Was zum...?", begann ich, verstummte dann aber, als ich die Tasche bemerkte. Was hatte sie vor?
„Was hast du denn? Ich dachte, ich übernachte heute mal bei dir. Einfach um sicher zu gehen, dass es dir gut geht. Außerdem muss ich dir etwas erzählen. Ich habe nämlich Fortschritte gemacht." Mit diesen Worten ging sie einfach weiter und ich konnte nichts anderes tun, als ihr zu folgen.
Wir erreichten mein Zimmer und ich grübelte schon den gesamten Weg, was sie mir zu erzählen hatte. Ging es um Newt? Oder doch um mich?
Ich öffnete die Tür und wir betraten den Raum. Teresa sah sich um und murmelte etwas wie „Süß". Dann stellte sie ihre Tasche auf dem freien Bett ab und setzte sich ebenfalls darauf.
„Warum ist die Schachtklappe auf?", fragte sie misstrauisch.
Scheiße.
„Oh, ich hatte sie wohl nicht richtig befestigt, nachdem ich das letzte Mal mit Newt bei seiner Schwester war. Sie muss aufgegangen sein..." Ich betete, dass sie mir das abkaufen würde, während ich schnell wieder eine Schraube hineindrehte, um die Klappe zu schließen.
Sie sagte nichts mehr, was ich als gutes Zeichen nahm. Nachdem die Klappe wieder verschlossen war, setzte ich mich auf mein Bett und sah Teresa mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Also, ich bin dir sehr dankbar, dass du heute Nacht bei mir bleibst. Aber ich bin auch ziemlich müde... Vielleicht erzählst du mir gleich von deinem Fortschritt?" Ich hoffte, dass sie so nicht noch mehr fragen würde.
Sie schien mir meine Müdigkeit abzukaufen und wenn ich ehrlich war, merkte ich erst jetzt, wie ausgelaugt ich mich wirklich fühlte.
„Na schön, also pass auf..." Sie holte Luft und ich sah sie gespannt an. „Ich hatte heute ein ziemlich gutes Gespräch mit Miss Paige. Ich habe ihr von dir und Newt erzählt und wie eng eure Bindung ist. Sie stimmt mit mir in dem Punkt überein, dass wir, ähnlich wie bei Gally, Newts Gedächtnis nicht so löschen können wie bei den anderen Probanden vorher. Ganz einfach, weil seine Gefühle dir gegenüber viel zu stark sind und er viel zu sehr an ihnen festhält. Wir vermuten, dass er sich nach und nach wieder an dich erinnern wird, wenn er im Labyrinth ist. Anfangs wird es wie bei Gally sein, aber Träume und vielleicht sogar so etwas wie Flashbacks werden ihn sich erinnern lassen. Das lassen zumindest seine Gehirnaktivitäten erwarten.
Gleichzeitig haben wir uns darauf geeinigt, dass es eine interessante Studie wäre, herauszufinden, was passiert, wenn ihr im Labyrinth wieder aufeinander stoßt, beide mit so weit wie möglich gelöschten Gedächtnissen. Werdet ihr euch erkennen? Und wenn nicht, werdet ihr euch wieder ineinander verlieben?"
Als ich sie noch immer verständnislos ansah und nichts sagte, fügte sie hinzu: „Verstehst du? Miss Paige hat zugestimmt, dass wir dich als nächstes in Newts Labyrinth schicken! Wir haben es geschafft, Anna!"
Vollkommen überwältigt stand ich auf und fiel ihr um den Hals. „DU hast es geschafft. Ich danke dir Teresa!"
Als ich mich wieder auf mein Bett fallen gelassen hatte und Teresa nach kurzer Zeit im Badezimmer zurückkam und es sich auf dem anderen Bett bequem machte sagte sie: „Eigentlich ist es schade. Du machst einen wirklich guten Job. Und, na ja... Ich habe das Gefühl, ich habe das erste Mal eine Freundin hier..."
Ich stützte mich auf meinen rechten Ellenbogen und sah sie überrascht an. Dann entgegnete ich: „Wir sind Freundinnen, Teresa. Und ich bleibe auch deine Freundin, wenn ich im Labyrinth bin. Vergiss das nicht. Im Gegenzug kannst du ja vielleicht dafür sorgen, dass Aris mir keinen Griever auf den Hals hetzt."
Wir mussten beide lachen und Teresa warf ihr Kissen nach mir. Ich warf es zurück und wir lachten noch lauter.
„Ja, so habe ich mir das immer vorgestellt. Eine Übernachtungsparty mit meiner besten Freundin... Na ja, ich habe ja auch nur eine."
Wieder lachten wir und auch als wir uns schon eine gute Nacht gewünscht und das Licht ausgemacht hatten konnte ich hören, wie Teresa leise kicherte.

From The WICKED Start | A Maze Runner Story Where stories live. Discover now