30. Eingesperrt

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Das nächste, was ich spürte, war ein Schlag ins Gesicht, der mich fast sofort wieder ohnmächtig werden ließ. Ich sah Sterne und war sicher, dass meine Unterlippe aufgeplatzt war, denn sie pochte schrecklich und eine warme Flüssigkeit lief mir das Kinn herunter.
Stöhnend öffnete ich die Augen und sah schon wieder Jansons ekelhaftes Grinsen.
„Na, ist die Prinzessin auch erwacht? Du hast jetzt auch wirklich lange genug geschlafen." Er nickte jemandem zu und ich bekam noch einen Schlag ab, dieses Mal aufs Ohr, sodass ich einen Moment lang nur noch ein Piepen hörte.
Wieder stöhnte ich auf und spuckte Blut aus, das mir aus der Lippe in den Mund gelaufen war.
Erst jetzt nahm ich wahr, wo ich mich befand. Der Raum war völlig kahl und ich lag auf dem kalten Boden. Janson stand über mir und einer seiner Männer hockte neben mir. Er war derjenige, der mir jetzt schon den dritten Schlag verpasste, wobei er dieses Mal die Schläfe traf, von wo sofort auch Blut herunterlief.
Wollten sie mich umbringen?​
„Ihr habt euch wohl gedacht, ihr könntet einfach so abhauen, hm? Wenn es nach mir ginge, hätte ich euch beiden sofort getrennt und in verschiedene Labyrinthe geschickt, aber Paige bestand darauf, dem Plan dieses Mädchens zu folgen und vor allem dich in genau das eine zu schicken. Und da seid ihr jetzt, ihr Dreckskinder und liegt dumm auf dem Boden rum, während eure Freundin schon ihren ersten Besuch in der Gedächtniskammer hinter sich hat." Er zwinkerte mir verächtlich zu.
'Ihr'?
Jetzt sah ich mich genauer im Raum um und erkannte Minho, der ein kleines Stück von mir entfernt an einer Wand saß und ebenfalls schlimm zugerichtet war.
„Minho!", stieß ich durch einen Schwall Blut hervor.
Er sah schwach auf und versuchte mir beruhigend zuzulächeln, was völlig misslang.
Oh Gott, was war nur passiert? Warum war das passiert? Warum hatten sie Rachel und Minho bekommen? Warum war ich hier nicht alleine?
Ich konnte nicht weiter darüber nachdenken, denn ich bekam noch einen Schlag über das rechte Auge ab und wurde wieder beinahe ohnmächtig. Dann sah ich nur noch, wie jemand in einem weißen Kittel auf mich zukam, eine Spritze in der Hand, und mir diese in den Arm spritzte.
Alles wurde wieder schwarz.

Als ich wieder zu mir kam, waren Janson und die anderen Männer verschwunden und Minho saß nicht mehr an der Wand, sondern kauerte neben mir, als wartete er, dass ich wach wurde. Er merkte, dass ich die Augen öffnete und setzte sich sofort auf.
„Anna! Du bist wach!" Er versuchte mich zu stützen, stöhnte dann aber selber auf, weil die Bewegung ihm anscheinend wehtat.
„Minho...", krächzte ich. „Was haben sie mit dir gemacht?"
Er schüttelte den Kopf. „Ich weiß es auch nicht. Ich glaube meine Rippen sind angeknackst. Aber viel wichtiger ist jetzt, wie es dir geht. Du warst so lange bewusstlos!"
„Es tut mir so leid, Minho. Das ist alles meine Schuld. Ich hätte euch da nicht mit reinziehen dürfen..." Ich schluchzte und mich durchfuhr sofort ein schrecklicher Schmerz im Oberkörper. Ja, wahrscheinlich waren meine Rippen auch angeknackst.
„Wir haben es doch selber gewollt. Wir wussten, dass wir uns einem hohen Risiko aussetzen. Du bist an überhaupt nichts schuld." Er streichelte mir beruhigend das Bein und ich zuckte zusammen, da ich auch dort Schmerzen hatte.
Vorsichtig rückte ich zur Wand und setzte mich dort auf, um meinen Körper genauer zu untersuchen.
Ich hatte überall blaue Flecken und mein Gesicht war von Blut verkrustet. Meine rechte Schulter war mit ziemlicher Sicherheit ausgekugelt und mein rechtes Bein, das eben so wehgetan hatte, war garantiert geprellt.
„Scheiße", fluchte ich leise und sah dann Minho an. Er hatte ein blaues Auge und sein linker Wangenknochen war geschwollen und ebenfalls verfärbt.
„Was ist passiert? Wo ist Rachel? Was haben die mit uns gemacht?", fragte ich.
Er seufzte. „Rachel ist heute Morgen in ein Labyrinth geschickt worden. Die Zeiten, zu denen die Box hochfährt und jemand neues hochbringt sind ja von Labyrinth zu Labyrinth verschieden, habe ich mir sagen lassen. Eigentlich wollte Janson dich auch in irgendeins schicken, aber Paige hat es ihm wohl verboten. Wir sollen in das gleiche, deshalb werden wir bis dahin hier festgehalten. So viel hat er mir gesagt. Paige wollte das so, weil Teresa – ja, du hast richtig gehört – sie dazu überredet hat."
Ich sah ihn mit großen Augen an und konnte es kaum glauben. Teresa hatte es tatsächlich geschafft, Paige zu überreden, mich in unser Labyrinth zu schicken? Nach dem Geschehen auf dem Dach hatte ich jede Hoffnung verloren.
„Wie lange sind wir hier schon drinnen?", fragte ich da, denn mir war plötzlich wieder eingefallen, dass die Boxen alle innerhalb einer Woche neue Probanden in die Labyrinthe brachten.
So lange kannst du nicht bewusstlos gewesen sein, das ist gar nicht möglich.
„Ungefähr drei Wochen."
Mir stockte der Atem. Das konnte doch nicht sein!
„Aber ich..." Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
„Die haben dich immer wieder ruhig gestellt. Und sie haben dich andauernd hier rausgeholt, um irgendwelche Experimente an dir zu machen. Ich hatte jedes Mal Angst, dass sie dich nicht zurück bringen. Mich haben sie auch ein paar Mal mitgenommen, aber ich kann mich an nichts erinnern, was dann passiert ist..."
Ich schloss die Augen. Ich konnte das nicht begreifen. Eine so lange Zeit war ich bewusstlos gewesen?
Doch da schossen mir auf einmal Bilder durch den Kopf. Verzerrt und wirr, aber es schien, als hätte ich so etwas wie Träume gehabt, während ich ruhig gestellt gewesen war.
So schnell wie sie gekommen waren, so schnell waren sie auch wieder weg. Verwirrt schüttelte ich den Kopf, der dabei fürchterlich zu pochen begann.
„Irgendetwas muss jetzt bald passieren, ich kann mir nicht vorstellen, dass sie dich einfach so wieder wach werden lassen. Zwischendurch hatte ich das Gefühl, dass Janson richtig Angst vor dir hatte, weil er dich für ziemlich clever hält. Cleverer als sich selbst. Und deshalb denkt er, du könntest dir etwas ausdenken, um hier raus zu kommen." Minho musste lachen und hielt sich dabei sofort die Rippen.
„Weißt du, welcher Tag heute ist?", fragte ich ihn.
Er zuckte mit den Schultern.
„Ich glaube, ich weiß, warum ich wach bin. Morgen schicken sie uns garantiert in die Gedächtniskammer."
Wir schwiegen. Langsam merkte ich, dass mein Kopf nicht nur von meinen Verletzungen, sondern auch von dem langen Bewusstlossein unerträglich pochte. Ich schloss die Augen und hielt mir die Schläfen, in dem Versuch, die Schmerzen ein wenig abzuschwächen.
„Glaubst du, Rachel geht es gut?", fragte ich nach ein paar Minuten.
Minho zuckte mit den Schultern, weshalb ich zusammen zuckte, da er mich dabei berührte.
„Entschuldige... Na ja, ich schätze sie werden sie auch nett zugerichtet haben, aber sie erinnert sich doch jetzt eh nicht mehr, oder? So wie wir morgen."
Ich öffnete die Augen und sah ihn an. Er starrte geradeaus und schien sich zusammen reißen zu müssen, um nicht zu weinen. Behutsam berührte ich ihn am Arm, nahm dann seine Hand, als er still hielt und drückte sie behutsam.
„Hey, wir sind nicht alleine. Wir haben doch uns."
Ja, und morgen wisst ihr nicht mehr wer der Andere ist.
Minho schien das gleiche zu denken wie ich, denn er sah mich mit schmerzlich verzogenem Gesicht an, sagte aber nichts.
Ich spürte, wie mich eine so starke Müdigkeit überfiel, dass ich beinahe einfach zur Seite kippte. Die Medikamente, die sie mir gegeben hatten, waren immer noch in meinem Körper.
Meine Augen wurden schwer und nach wenigen Minuten konnte ich sie kaum noch offen halten. Ich kippte gegen Minho und mein Kopf fiel auf seine Schulter. Ich wollte mich entschuldigen und wieder aufrichten, aber bevor ich irgendetwas sagen oder tun konnte, war ich schon wieder eingeschlafen.

From The WICKED Start | A Maze Runner Story Where stories live. Discover now