22. Jansons Büro

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Janson hatte das Gebäude verlassen.
Ich nickte schnell und wandte mich dann an Thomas.
„Du sagst Teresa nicht, was du gerade gehört hast und erzählst, du hättest mich auf mein Zimmer gebracht, klar? Ich werde dir bald alles erklären." Er sah mich mit offenem Mund an, nickte aber.
So ließ ich ihn stehen und rannte förmlich in Richtung Sportabteilung, Rachel, immer noch keuchend, hinter mir.
„Wo hast du diese Kondition her? Du hast doch nur mit Kindern gearbeitet!", fragte sie mich, nach luftschnappend, als wir im Aufzug standen.
Ich zuckte nur die Schultern und lief sofort weiter, als wir die richtige Ebene erreicht hatten.
Endlich konnte ich die Sport- und Gesundheitsabteilung sehen, nachdem wir um eine Ecke gebogen waren, und versuchte, möglichst langsam und ruhig durch die Tür zu gehen.
Drinnen angekommen sah ich mich um. Ich konnte zwar Minho nicht sehen, aber Ben lief gerade auf einem Laufband und schien ziemlich motiviert zu sein. Schnell durchquerte ich den Raum, bis ich bei ihm ankam.
„Ben..." Auch ich war ein wenig aus der Puste.
„Was macht ihr denn hier?", fragte er, als er zuerst mich und dann die völlig fertige Rachel musterte, die sich soeben einfach auf die Kante eines weiteren Laufbands gesetzte hatte.
„Ich suche Minho. Hast du ihn gesehen?", fragte ich, so desinteressiert wie möglich.
Ben zog eine Augenbraue hoch. „Er wird gerade untersucht. Was willst du denn schon wieder von ihm?"
„Ich... Janson schickt mich, ich soll ihn holen. Irgendetwas wegen seiner Ergebnisse." Ich log ihm mitten ins Gesicht und hoffte, dass er es nicht merken würde.
„Okay... Er dürfte gleich fertig sein, Paige redet gerade noch mit ihm. Was ist denn mit seinen Ergebnissen?"
„Oh, ich habe wirklich keine Ahnung, Ben. Janson schickt mich nur, um ihn zu holen."
Bitte durchschau mich nicht. Ich will dich da nicht mit reinziehen.
Aber Ben nickte verständnisvoll und konzentrierte sich dann wieder völlig auf sein Laufband.
Ich bedeutete Rachel, dass sie aufstehen sollte.
„Na ja, wir warten dann mal draußen. Man sieht sich, Ben." Damit verließen wir den Raum.
Er hatte hoffentlich wirklich nichts gemerkt. Ich hätte mich an seiner Stelle noch gefragt, was Rachel mit der ganzen Sache zu tun hatte. Aber dann hätten wir immer noch sagen können, dass sie heute frei hatte, was ja nicht einmal gelogen gewesen wäre.
Wir warteten also vor der Eingangstür und setzten uns mit dem Rücken an die Wand. Mittlerweile hatte sich auch Rachels Atmung wieder beruhigt und wir schwiegen uns an, aus Angst, dass jemand uns hören könnte.
Nach einigen Minuten, die mir aber wie Stunden vorkamen, kam Minho durch die Tür und sah sich suchend um. Als er uns auf dem Boden entdeckte hielt er mir eine Hand hin, um mir aufzuhelfen.
„Ben sagt, du sollst mich holen, weil Janson dich schickt, aber ich gehe davon aus, dass Janson gar nicht im Gebäude ist?"
Ich nickte.
„Wie lange wird er weg bleiben?"
Fragend sah ich Rachel an, die ebenfalls aufgestanden war.
„Nicht lange. Vielleicht bis heute Abend. Und er wird auch so schnell nicht wieder verschwinden. Paige meint, sie brauche ihn hier. Ich hab das alles auch nur mitbekommen, weil ich Aris zu seiner neuen Arbeit begleitet hab. Da hat Janson es einem Mitarbeiter erzählt."
Ich sah von ihr wieder zu Minho.
„Das klingt nach wenig Zeit. Schaffen wir das, Anna?" Minho sah mich prüfend an.
Ich nickte. „Wir müssen." Ich überlegte kurz und fuhr dann fort. „Okay. Rachel, du musst herausfinden, auf welcher Ebene sich Jansons Büro befindet. Komm dann so schnell du kannst zu meinem Zimmer. Minho, du kommst mit mir mit und wir versuchen schon einmal den besten Weg durch die Schächte zu finden. Wenn Jansons Büro nicht auf unserer Etage ist, müssen wir einen Weg vom Leiterschacht zu den Büros finden.
Also los, wir sollten wirklich keine Zeit verlieren, wenn Rachel Recht hat und er heute Abend schon zurück sein will."
Die anderen beiden nickten und wir trennten uns. Minho und ich liefen zu den Schlafräumen und Rachel machte sich auf die Suche nach einem Plan des Gebäudes.
Als wir so nebeneinander herrannten warf Minho mir einen Blick von der Seite zu. „Du läufst ganz schön gut, weißt du das?"
Ich lachte. „Muss wohl angeboren sein, hm?"
„Wie geht es dir? Hast du dich verabschieden können?"
Sofort verschwand mein Lächeln wieder und ich nickte. „Ja, konnte ich."
Wir liefen schweigend weiter, bis wir mein Zimmer erreicht hatten. Schnell öffnete ich es und Minho schloss die Tür hinter uns.
Ohne ein Wort kletterte ich auf mein Bett, öffnete die Klappe und holte den Plan heraus. Ich breitete ihn auf dem Boden aus und wir setzten uns so herum wie Newt und ich vor ein paar Wochen. Bei diesem Gedanken musste ich schlucken, schüttelte aber schnell den Kopf. Jetzt musste ich mich hier rauf konzentrieren.
Wir studierten den Plan und zogen Linien mit unseren Fingern nach, bis Minho einen wirklich guten und kurzen Weg gefunden hatte, den wir uns begannen einzuprägen.
Irgendwann hämmerte jemand an unsere Tür. Als ich öffnete, stand eine keuchende Rachel vor mir und stützte sich gegen die Wand. Ich griff sie am Arm, schloss die Tür hinter ihr und setzte sie auf das freie Bett.
„Ebene 43. Sein Büro ist auf Ebene 43. Also 4 Etagen über uns... Habt ihr einen Weg gefunden?"
Minho und ich nickten eifrig.
„Na dann, worauf wartet ihr? Ihr habt nicht viel Zeit."
Ich sah Minho an und er nickte auffordernd. „Dann haben wir es hinter uns."
Sie hatten Recht, wir sollten es wirklich jetzt machen.
Minho half mir in den Schacht und kletterte dann selber hinein. So leise wie wir konnten krabbelten wir zum Leiterschacht, den ich mittlerweile ohne Probleme fand. Dort angekommen vier Stockwerke hoch und dann wieder hinaus.
Manchmal musste Minho mir bei einer Abzweigung auf die Sprünge helfen, aber im Großen und Ganzen fand ich den Weg fast völlig alleine.
Irgendwann kam ich an ein Gitter, an dem der Schacht endete. Ich spähte hindurch und konnte ein großes Büro erkennen. Das gehörte garantiert Janson, kein anderer hätte ein solch großes Büro mit so wenigen Möbeln, da war ich sicher.
Ich vergewisserte mich, dass niemand im Raum und die Tür geschlossen war, dann drehte ich mich um und trat mit Kraft gegen die Klappe. Von hier aus hatte ich sonst keine Möglichkeit, sie zu öffnen. Mit einem lauten Klappern schwang sie auf und ich konnte die Schrauben auf den Boden fallen hören.
Schnell sprang ich aus dem Schacht und schaffte es ohne großen Lärm auf beiden Füßen zu landen. Minho tat es mir gleich und sofort sahen wir uns im Raum um.
„Okay, ich suche in seinem Schreibtisch, sieh du in den Kommoden dort nach." Ich deutete auf das andere Ende des Raums. Viel mehr Stauraum gab es hier nicht.
Wir suchten eine Weile, bis er „Bingo!" rief und mit einer Mappe herumwedelte. Ich sprang förmlich zu ihm und er legte sie auf die Kommode, damit wir sie uns ansehen konnten.
Der Titel war ganz stumpf 'Der Rechte Arm' und die Mappe ziemlich dick.
„Okay, wir suchen nach Möglichkeiten, sie zu kontaktieren. Wenn wir das schaffen, können wir mit ihnen persönlich reden."
Minho nickte und begann die Mappe durchzublättern. Irgendwo in der Mitte hielt er inne.
„Hey, das könnte was sein."
„Funken über den Äther auf Kanal 7, keine Möglichkeit sie darüber ausfindig zu machen. Sackgasse", las ich laut.
„Kanal 7 wird schon ewig nicht mehr benutzt. Da dürfte uns sonst niemand über den Weg laufen, zumal Janson ja auch zu meinen scheint, dass das eine Sackgasse ist."
Ich zog eine Augenbraue hoch und fragte mich, woher er das wusste, fragte aber nicht nach. Jeder hatte hier seine Geheimnisse.
„Denkst du, das reicht, um sie zu kontaktieren?"
Minho nickte und blätterte schnell bis zum Ende. „Nichts. Wir müssen das versuchen."
„Okay. Und jetzt lass uns hier verschwinden. Wir brauchen Klebeband oder so etwas, um die Klappe wieder zu fixieren. Leg die Mappe zurück und dann hilf mir beim Suchen."
Ich fegte die Schrauben mit meinem Fuß unter einen Heizkörper und hoffte, dass niemand sie finden würde, bevor wir unseren Plan durchgezogen hatten.
Im Schreibtisch fand ich etwas Klebeband, riss genug ab und legte alles wieder zurück, wo ich es her hatte.
Dann half ich Minho hoch, der mich dann ebenfalls hochzog. Ich klebte die Klappe so gut wie möglich fest und hoffte auch hier, dass nichts auffallen würde, bis wir die Kids in Sicherheit gebracht hatten.
Als wir wieder in meinem Zimmer ankamen, sprang Rachel auf und sah uns erwartungsvoll an.
„Und?", fragte sie.
„Wir haben, was wir wollten. Kanal 7. Darüber können wir sie erreichen. Jetzt brauchen wir Thomas."
„Und du denkst, er kann das? Funken?" Rachel sah nicht gerade überzeugt aus.
„Wenn es einer kann dem wir vertrauen können, dann er." Minho schien ebenfalls daran zu glauben, dass Thomas insgeheim auf unserer Seite war.
Ich nickte. „Er wird das hinbekommen, ganz sicher."
Minho verließ uns und machte sich auf den Weg zu Ben, um selber noch ein wenig zu laufen. „Du solltest vielleicht auch mal vorbei schauen. Du bist wirklich schnell", bemerkte er, bevor er die Tür hinter sich schloss. Ich musste lächeln.
„Na ja, ich werde dann auch mal wieder zurück an die Arbeit gehen, die Kinder freuen sich bestimmt, wenn sie mich heute noch einmal zu Gesicht bekommen. Kann ich dich alleine lassen?"
„Na sicher. Ich komme klar."
Doch als Rachel das Zimmer verlassen hatte, war ich mir da nicht mehr so sicher. Ich setzte mich auf mein Bett, sah zu dem leeren herüber und spürte, wie mir schon wieder die Tränen in die Augen schossen.
Jetzt reiß dich endlich zusammen!
Aber es half nichts. Ich saß da und weinte. Jetzt hatte ich nichts mehr, über das ich mir Gedanken machen musste, bis ich mit Thomas geredet hatte, konnte ich nichts machen. Also verlor ich mich einmal mehr in meiner Trauer und auch der Gedanke daran, dass ich Newt wieder sehen würde, half nicht.
In diesem Moment zweifelte ich einfach an allem. Und vor allem daran, dass ich mich erinnern können würde. Ich fühlte mich so schwach und hatte das Gefühl, dass ich niemals in der Lage sein würde, an meinen Erinnerungen festzuhalten.
Was, wenn ich im Labyrinth aufwachen würde und Gally vor mir stünde, meinen Namen kannte und erwartete, dass ich mich erinnerte und ich keine Ahnung hatte, wer er war, wer ich war und wer Newt war?
Was dann?

From The WICKED Start | A Maze Runner Story Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt