Kapitel 24

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Nachdem ich wieder ins Wohnzimmer kam, waren Jayden und Hunter schon verschwunden. Eigentlich brachte es auch nichts mehr das ich hier blieb, aber trotzdem setzte ich mich wieder auf die Couch und blickte zu Liam, der mich ebenso ansah, aber nichts sagte. Nie konnte ich ihn einschätzen und ich würde nur zu gerne wissen an was er wohl gerade dachte oder was er fühlte. Wenn ich so darüber nachdachte, fiel mir sein Vater ein und vielleicht war er wegen ihm so geworden. Zwischen den beiden musste etwas schlimmes passiert sein, denn sonst würde er nicht voller Hass zu ihm reagieren und den Menschen um sich herum genauso.

"Kann ich dich etwas Fragen?", unterbrach ich die Stille und er nickte stumm.

"Du wirst aber nicht wütend, okay?", wollte ich seine Bestätigung und er verengte die Augen.

"Kommt drauf an, was du diesmal wissen willst", meinte er kühl, worauf ich meinen Mut sammelte.

"Warum...warst du bei deinem Vater so ausgerastet?", fragte ich vorsichtig und ich merkte wie er sich direkt anspannte.

"Er ist nicht mein Vater", war das einzige, was er dazu sagte und irgendwie konnte ich spüren, dass er verletzt war.

"Wenigstens lebt er aber", murmelte ich gedankenverloren.

"Für mich ist er längst gestorben", sprach er und klang wütend, aber dabei ging in mir etwas kaputt.

"Sag sowas nicht", flüsterte ich und blickte ihn mit Tränen in den Augen an.

"Du kannst das nicht verstehen", meinte er und ich lachte humorlos auf, dabei schüttelte ich den Kopf.

"In einer Nacht...war etwas passiert, was mein Leben komplett verändert hatte. Seelenruhig hatte ich geschlafen, aber plötzlich hatte ich etwas gehört, weshalb ich erschrocken aufgestanden war. Als ich die Zimmertür langsam öffnete und...die Lichter anmachte, stand ein Fremder im Flur. Ich konnte zuerst nicht realisieren, was nun los war, aber ich weiß noch ganz genau wie er mich gegen die Wand gedrückt hatte und ich in seine Augen dabei schaute. Seine Augen würde ich nie in meinem Leben vergessen und sie überall wiedererkennen. Er war dann weggerannt u-und...und ich hatte...nach meinem Vater gesucht. Im Wohnzimmer...fand ich ihn am Boden liegen. Überall...war...B-Blut", begann ich zu erzählen und machte eine kleine Pause, dabei blickte ich ihm direkt in die Augen.

"Sag mir deshalb bitte nicht das ich es nicht verstehen würde, denn ich weiß wie es ist ohne ein Vater zu leben, aber du weißt nicht wie es sich anfühlt, wenn er vor deinen Augen...starb", erzählte ich und hatte einige Tränen verloren.

Kein einziges Wort verließ seinen Mund und er starrte auf den Boden. Meine Tränen wischte ich mir wieder weg und verstand seine Reaktion für einen Moment nicht. Vielleicht hatte ich ihn zum Nachdenken gebracht, jedoch schien er irgendwie nur noch wütender zu sein, denn er hatte seine rechte Hand zu einer Faust geballt.

Ich wusste nicht so genau, warum ich es überhaupt ihm erzählt hatte, aber es hatte mir irgendwie gut getan es rauszulassen. Nie konnte ich davon sprechen und ich wusste nicht von wo der Mut kam, dass ich es bei einem Fremden ansprach.

"Ich sollte lieber gehen", sprach ich in die Stille, aber er reagierte gar nicht auf das, was ich sagte, weshalb ich an ihm vorbei ging, doch seine nächsten Worte brachten mich zum Stehen.

"Meine erste Ohrfeige bekam ich mit fünf", redete er plötzlich und dieser Satz verwirrte mich.

"Ich hatte nur gespielt, dabei hatte ich mich am Tisch angestoßen und die Vase war mir runtergefallen. Es war nicht absichtlich gewesen, aber trotzdem war er wütend geworden, dass ich allein schon beim seinem Blick zum Weinen beginnen konnte. Meine Angst war ihm aber egal, denn er holte aus und schlug zu. Diesen Schmerz, den ich an meiner Wange zu spüren bekam, fühle ich noch bis heute", erzählte er und war wie in einer Starre.

Bei jedem Satz, den er sagte, tat mein Herz weh, wobei ich ihn am liebsten umarmt hätte. Er sagte nicht seinen Namen, aber er redete von seinem Vater und genau jetzt tat es mir Leid, denn ich wusste das alles nicht. Mit einem schlechten Gefühl näherte ich mich zu ihm und blieb vor ihm stehen. Er bemerkte mich nicht einmal, denn er war tief in seine Gedanken gefallen, sodass er nichts mehr um sich mitbekam. Still setzte ich mich neben ihn auf den anderen Sessel und ließ ihn nicht aus den Augen. Langsam legte ich meine Hand auf seine, die noch immer zu einer Faust geballt war. Sein Blick wanderte zu unsere Hände und ich spürte wie er seine Hand wieder aufmachte, wobei ich seine nun fest umgriff und ihm damit sagen wollte, dass er nicht allein war.

Das einzige, was er machte, war es unsere Hände anzustarren und genau als ich dachte, dass er sie loslassen würde, wurde sein Griff nur noch stärker. Ein trauriges Lächeln bildete sich in meinem Gesicht und am liebsten hätte ich die Zeit zum Stehen gebracht, denn dieser Moment war für uns beide voller Gefühle.

Ich hatte ihm mein Vertrauen geschenkt und auch er hatte mir sein Vertrauen geschenkt.

"Ich will nicht das du gehst", war er ehrlich.

"Ich will auch gar nicht gehen", lächelte ich als er mir in die Augen blickte.

Bei seinem Anblick konnte ich mich nicht mehr zurückhalten, weswegen ich auf stand, aber seine Hand nicht losließ. Etwas verwirrt sah er mich an, doch ich deutete ihm genauso aufzustehen, was er auch tat. Auch wenn meine Gefühle schon völlig in einem Chaos waren, näherte ich mich zu ihm, wodurch Liam nur noch mehr verständnisloser wirkte, denn er bewegte sich nicht von der Stelle und beobachtete jeder meiner Bewegungen. Ohne darüber nachzudenken, was ich als nächstes machte, schlang ich meine Arme um seinen Bauch und schloss meine Augen. Ich merkte wie überrumpelt er gerade war, da er diese Umarmung nicht erwartet hatte, doch so langsam lockerte er sich und ich spürte, dass er sich wohl fühlte und das brachte mich zum Lächeln.

Die AugenWhere stories live. Discover now