Kapitel 41

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Nach den vier Stunden, die für Hope qualvoll vergangen waren, gingen wir aus dem Flughafen raus und waren endlich in Phoenix angekommen. Ich hatte es hier vermisst, denn hier waren viele wertvolle Erinnerungen, aber nur einer von ihnen hatte ein Teil meines Herzens mitgenommen und begraben. Der Gedanke ließ mein Lächeln verschwinden und ich blendete es so gut wie es ging aus.

"Aria!", hörte ich eine bekannte Stimme schreien.

Ich hob den Kopf und blickte geradeaus. Ein warmes Lächeln legte sich an meine Lippen und ich näherte mich zu ihm. Eigentlich wäre ich in seine Arme gerannt, aber in meinem Zustand wäre es zu gefährlich und schmerzhaft für mich. Als ich vor ihm stand, zog er mich direkt in seine Arme und ich schloss beruhigt meine Augen. Ich hatte Daniel wirklich vermisst und das bemerkte ich im Moment viel intensiver. Ganz plötzlich bekam ich Tränen und ich begann leise zu weinen, weshalb er sich etwas von mir löste und mich traurig ansah. Meine Gefühle spielten gerade verrückt und er wusste ganz genau warum. Er wusste, welcher Tag heute war, weswegen er still meine Tränen wegwischte und mich erneut umarmte.

"Willkommen, Kleines", flüsterte er.

"Ich hab dich wirklich vermisst, Dani", murmelte ich und löste mich von ihm.

"Also ich hab dich gar nicht vermisst", grinste er und ich schlug ihm spielerisch gegen die Brust, aber musste trotzdem schmunzeln.

"Ehm, ich bin auch noch da", ertönte hinter mir die Stimme von Hope.

"Daniel das ist Hope und Hope das ist Daniel", stellte ich die beiden schnell vor.

"Freut mich dich kennenzulernen, Hope", lächelte Daniel sie an und überreichte ihr die Hand, die sie an nahm.

"Ich ebenso", sagte sie freundlich und ich war beruhigt, dass sie keine dummen Sprüche raushaute.

Nach ungefähr einer halben Stunde waren wir bei Daniel Zuhause angekommen und ich wurde direkt von seinen Eltern ebenso in eine herzliche Umarmung gezogen. Da es heute Freitag war, verabschiedeten sie sich von uns, da sie einen kleinen Ausflug gemeinsam machen wollten, weshalb wir nun alleine waren. Wir saßen alle drei in der Küche und aßen die Lasagne, die uns noch Daniel's Mutter vorbereitet hatte, jedoch rührte ich nichts an. Ich war viel zu nervös und mir war der Appetit vergangen. So langsam wurde es auch spät und in einer Stunde sollte ich gehen, aber ich hatte keine Ahnung, was ich den beiden sagen sollte.

"Aria?", riss mich Hope aus meinen Gedanken und ich blickte zu ihr hoch.

"Ist alles okay?", fragte sie und versuchte in mich hindurchzusehen.

"Fühlst du dich etwa nicht gut?", wurde auch nun Daniel besorgt.

"I-Ich...ja, also ich habe richtige Kopfschmerzen bekommen und will mich eigentlich nur schlafen legen", log ich.

"Klar, du weißt, wo mein Zimmer ist", meinte Daniel, worauf ich nur lächelnd nickte und die Treppen nach oben ging.

Einige Minuten verbrachte ich im Schlafzimmer von ihm und so langsam wurde ich ungeduldig. Ich warf einen kurzen Blick auf mein Handy, was mir zeigte, dass ich endlich los musste. Langsam stand ich auf und verzog augenblicklich das Gesicht. Vorsichtig ließ ich mich wieder auf das Bett fallen und versuchte den Schmerz zu unterdrücken, der immer stärker wurde. Angestrengt hielt ich meine Tränen zurück und wollte jetzt nicht weinen. Es war nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Schon den ganzen Tag versuchte ich meine Schmerzen zu verbergen, aber Abends wurden sie viel schlimmer und genau jetzt waren sie einfach nur unerträglich. Ich hasste es zutiefst.

Ich schloss für einige Sekunden meine Augen. Tief atmete ich ein und aus, um mich zu beruhigen. Sobald ich mich aber erneut bewegte, schmerzte es nur noch mehr. Es war ein grauenhaftes Gefühl und unerträglich, das man zerbrechlich wie Glas war. Ich wehrte mich aber gegen meine Krankheit und stand auf, dabei verzog ich erneut das Gesicht und stützte mich an der Wand ab. Mit langsamen Schritten schaffte ich es aus dem Zimmer, auch, wenn ich fast jeden Moment umkippen könnte. Leise ging ich jede Stufe nach unten und konnte die Stimme von den beiden hören wie sie sich unterhielten. Problemlos erreichte ich die Haustür ohne gesehen zu werden, weswegen ich diese nur noch öffnete und das Haus somit verließ.

Zu meinem Glück fand ich schnell ein Taxi und stieg ein. Mein Weg war eigentlich nicht weit, jedoch könnte ich in meinem Zustand nicht mehr als zehn Schritte noch gehen. In wenigen Minuten blieb das Auto stehen und ich überreichte dem Fahrer nur noch sein Geld. Anschließend stieg ich vorsichtig raus und ging einige Schritte auf das bekannte Haus zu. Sofort begannen meine Augen zu brennen, aber ich blinzelte, um die Tränen zurückzuhalten. In dem Moment bekam ich eine Nachricht und ich konnte mir schon denken, dass sie von Ace war.

Warte auf mich drinnen.

Ich steckte mein Handy wieder weg und ging weitere Schritte nach vorne, aber blieb erneut stehen, denn ich konnte nicht. Meine Angst war zu groß und mir fehlte der Mut. In diesem Haus waren zu viele Erinnerungen mit meinem Vater und es zerbrach mir das Herz, das ich all das verloren hatte. Langsam näherte ich mich zur Haustür und holte aus meiner Jackentasche die Schlüssel, die ich nie verloren hatte. Mit zittrigen Händen sperrte ich die Tür auf, doch hielt inne, als ich die Stimme meines Vaters ins Kopf bekam.

Aria, endlich bist du da!

Tränen liefen über meine Wange und ich lächelte traurig. Es war eines seiner Sätze, die er so oft sagte, wenn ich von der Schule nach Hause kam. Ich musste lachen und wischte mir verzweifelt die Tränen aus dem Gesicht weg. Nervös öffnete ich die Tür und konnte zuerst nichts erkennen, da es stockdunkel war, weshalb ich blind herein ging und nachdem Lichtschalter suchte, dabei hoffte, dass sie noch funktionierte. Als ich sie unter meinen Fingern spüren konnte, drückte ich darauf und zu meinem Glück gingen die Lichter an.

Ich drehte mich schließlich um, doch blieb wie versteinert an derselben Stelle stehen, als ich einen Fremden im Flur stehen sah. Diese Situation erinnerte mich an etwas und für einen Moment dachte ich, dass es sich um Ace handelte, doch als der Unbekannte sich umdrehte, sah ich in diese blauen Augen.

Die Augen.

Schon wieder trug er diese schwarze Maske, weshalb seine blauen Augen hervorstachen. Es waren genau diese Augen, es waren genau dieselben und ich würde sie immer erkennen. Er stand genau vor mir und ich hatte keine Ahnung, was ich jetzt machen sollte. Mein Gehirn war wie ausgeschaltet und das Einzige, was ich in dem Moment verspürte, war Hass. Er hatte nämlich meinen Vater umgebracht und er hatte ihn mir weggenommen. Bevor ich auch nur etwas machen konnte, drehte er sich plötzlich um und wollte verschwinden, aber das ließ ich nicht zu.

"Bleib stehen! An deiner Stelle würde ich nicht einmal versuchen abzuhauen, denn bevor du es überhaupt schaffst, werde ich so laut schreien, dass alle Nachbarn hier auftauchen!", drohte ich ihm, weswegen er wirklich stehen blieb, aber sich nicht umdrehte.

"Du hast meinen Vater getötet", flüsterte ich und eine Träne lief meine Wange entlang, aber er reagierte nicht darauf.

"Dreh dich gefälligst um!", schrie ich, jedoch bewegte er sich nicht von der Stelle, was mich nur noch wütender machte.

"Dreh dich um!", wiederholte ich mich und diesmal folgte er meiner Anweisung, doch er starrte auf den Boden, weshalb ich einige Schritte zu ihm ging und den Schmerz in meinem Körper, sowie in meiner Brust unterdrückte.

"Schau mich an", befahl ich und er blickte mir langsam in die Augen.

"Nimm die Maske runter", war das nächste, was ich wollte, aber er rührte sich nicht.

"Nimm sie runter!", schrie ich, aber er starrte mir nur ins Gesicht, worauf ich die Geduld verlor und ihm die Maske runterriss, doch ich wünschte ich hätte es nicht getan, denn ich hätte niemals mit dieser Person gerechnet, die nun vor mir stand.

Liam.

Die AugenWhere stories live. Discover now