Kapitel 11: Leo's Rache

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"Na, Schiss?", die Gänsehaut breitete sich nun auch in meinem Nacken aus, wo mich der warme Atem des Kerls gerade gestreift hatte. Dann hörte ich sie. Diese beschissene Lache. Leo! Er stand auf und sah auf mich hinunter, wie ich im Rasen lag und versuchte meine Panik wieder in den Griff zu bekommen. Meine Atmung ging stoßweise und ich hatte irgendwie das Gefühl gleich einen Kreislaufkollaps zu bekommen. Ob vor Angst oder vor Wut wusste ich nicht. Langsam setzte ich mich auf und funkelte ihn wütend an. "Was sollte das denn jetzt?", brachte ich mühsam hervor während ich mir Blätter aus den Haaren zog. Leo lachte leise und streckte mir dann seine Hand hin, um mir auf zu helfen. Mit hoch gezogenen Augenbrauen betrachtete ich seine Hand und stand dann, stolz wie ich war ganz ohne seine Hilfe auf, sodass ich ihm wenigstens nicht mehr ganz so unterlegen war. Er war zwar noch immer einen Kopf größer als ich, doch auf dem Boden sitzend machte ich einen noch jämmerlicheren Eindruck. Als er nicht aufhörte zu lachen spürte ich, wie meine sowieso schon vorhandene Wut noch größer wurde. Als ich kurz davor war ihm ins Gesicht zu springen um ihm seine Augen auszukratzen trommelte ich mit meinen Fäusten gegen seine Brust, welche zugegeben ziemlich hart war. "Du Arschloch, mach so etwas nie wieder!", brüllte ich ihn an. Er ließ sich meine harmlosen Schläge noch kurz gefallen, dann packte er meine Hände mit seinen, sodass ich nicht weiter schlagen konnte. "Lass mich los!", zischte ich und versuchte meine Hände zu befreien. Doch sein Griff um meine Handgelenke verstärkten sich noch mehr, ich hatte keine Chance. Also gab ich auf und versuchte ihn telepathisch umzubringen, was mir natürlich auch nicht gelang. "Hast du dich wieder beruhigt?", fragte er mich und ich nickte trotzig. Dann ließ er meine Handgelenke los. Sobald ich spürte, dass ich mich wieder frei bewegen konnte holte ich aus und wollte ihm mit der flachen Hand eine knallen, doch er war schneller und griff blitzartig nach meinem Handgelenk. „Fass mich nicht an!“, brüllte ich nun, meine Stimme überschlug sich vor Wut. Dieser Kerl brachte mich wirklich noch zum Durchdrehen. Er setzte wieder sein dämliches Grinsen auf und ließ mein Handgelenk los. Ich wandte mich wortlos von ihm ab, sammelte meine Stricke wieder ein und machte mich auf die Suche nach den Stuten. "Ich wünsche dir einen schönen Abend, Roxy!", rief er mir hinterher. Ich zog eine Grimasse und lief einfach weiter. „Fick dich, Leo!“, zischte ich und stapfte wütend weiter über die Koppel. Durch das Durcheinander brauchte ich fast eine Stunde um die Stuten einzufangen, besonders Embassy wollte sich einfach nicht von der Koppel führen lassen. Als ich schließlich völlig am Ende ihre Boxentür hinter mir schloss tauchte Josh im Stall auf. "Wo bleibst du denn so lange? Wir haben uns schon Sorgen gemacht!", sagte er vorwurfsvoll. Ich verdrehte die Augen. "Frag lieber nicht!"

Als ich am nächsten Morgen die Augen öffnete und aus dem Fenster sah, regnete es in Strömen. Ja, das war England. Ich schälte mich aus meiner warmen Bettdecke und zog mir Jeans und einen Pullover über. Nachdem ich zusammen mit Josh und Luke gefrühstückt hatte zogen wir uns unsere Regenjacken und Gummistiefel an und machten uns auf den Weg in den Stall. Auch am Nachmittag war das Wetter nicht besser geworden. Dann würde ich Embassy eben in der Halle longieren. Luke wollte warten bis ich mit ihr fertig war und dann erst die Verkaufspferde bewegen. Ich führte die Schimmelstute aus ihrer Box und putzte sie schnell. Dann holte ich ihre Trense und einen Longiergurt aus der Sattelkammer. Sie beobachtete mich aufmerksam und wich schnaubend einen Schritt zurück, als ich mit dem Gurt näher kam. "Schon gut, der tut dir nichts.", sagte ich zu ihr. Dann begann ich wieder mein Lied zu summen. Embassy kannte es inzwischen und hielt wieder still. Ihre Ohren waren auf mich gerichtet als ich den Gurt vorsichtig über ihren Rücken legte und ihn sorgfältig zu machte. "Braves Mädchen!", sagte ich stolz als ich ihr die Trense über den Kopf zog und sie es brav geschehen ließ. Ich nahm noch schnell die Longe vom Haken neben ihrer Box und dann führte ich sie hinüber in die Reithalle. Das Longieren kannte sie offensichtlich denn sie lief ohne zu Zögern um mich herum. Ich bemerkte, dass sie etwas nervös wurde. Sie wusste, dass gleich etwas von ihr verlangt wurde, doch dieses Denken wollte ich ihr nehmen. Sie reagierte immer mit Stress auf solche Situationen, es sollte einfach normal für sie werden, dass sie auf mein Kommando etwas tun sollte. Also ließ ich sie im Schritt um mich herum bummeln. Als sie merkte, dass ich eigentlich überhaupt nichts von ihr wollte entspannte sie sich wieder. Als ich sie antraben ließ machte ich einfach dasselbe Spiel und kurze Zeit später trabte sie gelassen um mich herum und befolgte meine Anweisungen. Sie hörte auf mein Wort und wechselte zwischen den Gangarten. Dass es so einfach gehen würde, hatte ich mir nicht vorgestellt. Wenig später hatte ich Embassy zurück in den Stall gebracht. Ich war gerade dabei sie noch einmal abzubürsten als Leo durch das Tor trat. Was wollte der denn hier? Ich ignorierte ihn, da ich noch immer wütend auf ihn war und tauschte wortlos Embasssys Trense gegen ihr Halfter. "Na, hast du dich wieder eingekriegt?", fragte er mich und versuchte nicht einmal sein schadenfrohes Grinsen zu verstecken. Ich versuchte ihn weiterhin zu ignorieren was mir zugegeben schwer fiel da mir jede Menge Beleidigungen auf der Zunge lagen. "Was ist los, hat es dir die Sprache bei meinem Anblick verschlagen?", fragte er jetzt selbstgefällig. "Pah!", entfuhr es mir. Verdammt, ich hatte ihn doch ignorieren wollen. Dann konnte ich auch gleich mit ihm sprechen. "Was willst du hier?", fragte ich ihn geradeheraus und schaute ihm dabei auffordernd in seine blauen Augen. Das ist echt der Wahnsinn, wie konnte man nur solche Augen haben? Er zuckte nur mit den Schultern. "Ich wollte mal nachsehen was das Personal so treibt!" "Was das Personal so treibt? Also das ist echt unglaublich!", sagte ich empört während ich nach dem Longiergurt und der Trense griff um beides in die Sattelkammer zu tragen. Seltsamerweise folgte er mir. Was hatte er nur vor? Während ich alles ordentlich aufhängte trat er ganz dicht von hinten an mich heran. "Was soll das? Suchst du Nähe oder was?", fuhr ich ihn an. Sofort fiel mir sein fieses Grinsen auf. "Was ist los?", fragte ich verunsichert. "Nichts, dir sitzt nur eine kleine Spinne auf der Schulter.", sagte er völlig belanglos und zeigte auf meine Schulter. Langsam senkte ich meinen Blick und entdeckte sie. Ein riesengroßes und fettes Vieh! Mein Herz begann zu rasen. "Ach das macht doch nichts!", sagte ich und versuchte es so klingen zu lassen, als wäre es mir egal. Ich nahm die Spinne auf meine Hand und setzte sie am Fenster ab. Dann grinste ich ihn an. Das hatte ich gut gemacht. Leo sah etwas verdutzt aus, nickte mir dann jedoch zu und verließ die Sattelkammer wieder. "Oh mein Gott! Oh mein Gott!", begann ich laut und hysterisch zu fluchen, dann schnappte ich mir schnell einen herumstehenden Eimer und schlug damit auf die Spinne ein. "Stirb, du elendiges Mistvieh!", schrie ich dabei. Noch immer fühlte ich mich, als würde sie auf mir sitzen, sodass ich auf der Stelle joggte und panisch mit meinen Armen herumfuchtelte. Plötzlich räusperte sich jemand hinter mir, wie von der Tarantel gestochen fuhr ich herum. Ein bis über beide Ohren grinsender Leo stand in der Tür. "Das war... ich...", begann ich zu stottern, doch für das, was eben geschehen war wollte mir so schnell keine gute Ausrede einfallen. "Ich wusste es!", lachte Leo und machte sich nun endgültig vom Acker. Verdammt, ich hatte wirklich gut angefangen und auf der Zielgeraden versagt. Offensichtlich war er besser darin, mich hereinzulegen. Dann würde ich eben härtere Bandagen anlegen! Ich würde die Waffen einer Frau benutzen!

Die nächsten Tage waren ziemlich anstrengend. Es kamen einige Käufer vorbei um Richards Pferde anzuschauen und auszuprobieren. Luke, Josh und ich hatten alle Hände voll damit zu tun die Pferde für das Verkaufsgespräch herauszuputzen. Am Ende der Woche hatten vier Pferde den Stall verlassen. Richard war bester Laune während ich eher etwas geknickt war. Es war immer traurig, wenn ein Pferd verkauft wurde, doch so lief das nun einmal in einem Sport- und Zuchtstall. Mit Embassy lief es eigentlich auch recht gut. Am Mittwoch hatten wir einen kleinen Rückfall als Ben, einer der Bereiter mit King Lui in der Halle war. King Lui hatte ausgeschlagen und gegen die Bande getreten. Embassy hatte sich erschrocken und war nicht mehr zu beruhigen gewesen. Ich hatte sie dann einfach in Ruhe gelassen. Am Donnerstag dauerte es einige Zeit bis sie wieder gelassen um mich herum trabte, doch das Problem hatte ich schnell wieder in den Griff bekommen.

Da hier auf dem Land kaum etwas los war beschloss Danielle am Wochenende in die Stadt zu fahren. Natürlich sollten Josh, Luke, Leo und ich mitkommen. Es war hier Gang und Gebe, dass man in die Stadt fuhr um zu feiern und die Nacht dann in einem Hotel verbrachte, sodass keiner mehr fahren musste. Josh und Luke überredeten mich dazu mitzukommen. Schließlich gab ich nach und setzte mich so am Freitagabend auf den Beifahrersitz von Danielles Wagen. "Dann kann es ja losgehen!", rief sie als sie den Wagen die Einfahrt hinunter lenkte. Nach einer halbstündigen Fahrt waren wir auch schon in der Stadt angekommen und checkten in dem Hotel ein. Hier gab es viele solcher Hotels. Ich teilte mir das Zimmer mit Danielle. Kaum hatten wir die Tür hinter uns geschlossen ließ sie auch schon die Korken knallen. Sie reichte mir eine der kleinen Sektflaschen und wir stießen an. "Auf einen super Abend!", rief sie und kippte die halbe Flasche auf einmal herunter. Keine zehn Minuten später klopfte es an der Tür und als ich öffnete traten die drei Jungs ein. Josh ließ sich sofort auf mein Bett fallen und nahm sich ein Bier aus der Minibar. Er reichte auch Luke und Leo eines. Erst am späten Abend, wir waren alle schon angetrunken, gingen wir los in den Club. Da Danielle und Leo hier wohl bekannt waren mussten wir nicht an der langen Schlange, die sich vor dem Club gebildet hatte, anstehen, sondern wurden vom Türsteher, der Danielle mit einem Küsschen links und einem Küsschen rechts begrüßte, hineingelassen. Kaum hatten wir die Türschwelle übertreten wummerte uns auch schon der Bass entgegen. Ich war schon ewig in keiner Disco mehr gewesen. Seit dem Unfall...

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