Kapitel 21: Meine liebe Embassy

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Mitte März war der ganze Schnee schon weggeschmolzen und die ersten Blumen blühten. Mit Embassy war ich leider noch immer keinen Schritt weiter gekommen. So langsam wurde die Zeit knapp. Als ich an diesem Morgen aufwachte kam mir jedoch eine Idee. Ich war mit Embassy noch kein einziges Mal ausreiten gewesen. Heute würden wir einen Ausritt unternehmen. Vielleicht würde uns das helfen. Ich zog mich schnell an und joggte in die Ställe hoch. Es war noch recht kalt morgens, was normal war für die Jahreszeit. Nachdem ich Embassy gesattelt hatte führte ich sie auf den Hof und schwang mich auf ihren Rücken. Sie schien etwas verwirrt zu sein, da sie normalerweise gewohnt war, dass wir in die Halle gingen. Als wir vom Hof ritten an den Koppeln vorbei in Richtung Wald, kam sogar die Sonne heraus und wärmte uns. Embassy schnaubte zufrieden und beobachtete die Gegend. Sie schien sich über die Abwechslung zu freuen. Wir trabten durch den Wald und kamen schließlich zu einer kleinen Steigung. Ich gab ihr die Hilfe zum angaloppieren und Embassy reagierte sofort. Wir legten an Tempo zu und rasten den Hügel hinauf. Als Embassy ein paar Bocksprünge vor Freude machte lachte ich laut. Schließlich kamen wir oben an und ich staunte, als ich ein paar kleine Geländehindernisse entdeckte. Wer die wohl dort aufgebaut hatte? Ohne groß nachzudenken galoppierte ich Embassy erneut an und steuerte auf das erste Hindernis zu. Embassy fixierte es, zog an und überwand es, danach konzentrierte sie sich sofort auf mich. Ich steuerte auf das nächste Hindernis zu und wieder sprang Embassy routiniert darüber. Ich lachte erneut laut los und überlegte mir, ob sie nicht ein Pferd für die Vielseitigkeit wäre? Wir nahmen noch ein paar Hindernisse ehe wir zurück zum Stall ritten. Embassy wirkte total gelassen und zufrieden. Jetzt hatte ich den für Embassy und mich richtigen Weg entdeckt, so würden wir es schaffen.

Am Nachmittag nahm ich mir den Traktor und lud, nachdem ich Richards okay hatte, einige bunte Stangen auf einen großen Anhänger. Ich brachte sie zu der kleinen Geländestrecke im Wald und baute zwischen den Natursprüngen die bunten Stangen ein. Es war schon fast dunkel, als ich wieder auf dem Hof zurück war.

"Wo warst du denn so lange?", fragte mich Josh als ich völlig erschlagen die Tür unserer Hütte hinter mir schloss.

"Im Wald.", gab ich knapp zurück und ließ mich neben Luke auf das Sofa plumpsen.

"Dein Handy hat geklingelt.", murmelte Luke und konzentrierte sich sofort wieder auf die Tüte Chips auf seinem Schoß.

"Außerdem muss endlich mal jemand einkaufen gehen, ich finde Roxy, du bist endlich mal an der Reihe!", plapperte Josh der mir in die Küche gefolgt war. Doch davon bekam ich nicht wirklich etwas mit, geistesabwesend nickte ich einfach nur und starrte auf mein Handy. Eine neue Nachricht.

"Hey Roxy, tut mir leid, dass ich mich nicht mehr verabschieden konnte. Ich hoffe, wir sehen uns nochmal bevor du zurück nach Kanada gehst. Leo."

Ich bekam fast keine Luft mehr. Leo hatte mir geschrieben. Woher hatte er nur meine Nummer? Ich tippte schnell auf meine Anrufliste und sah, dass seine Nummer in der Silvesternacht von meinem Handy aus angerufen worden ist. So hatte er sich die Nummer also besorgt. Mit großen Augen schaute ich Josh an.

"Was ist los?", fragte er erschrocken. Ich war nicht fähig ihm zu antworten. "Roxy, was ist passiert?"

"Leo...", brachte ich kläglich heraus.

"Ist ihm etwas passiert? Hatte er einen Unfall?", Josh war kurz davor mich an den Schultern zu packen und zu schütteln. Ich schüttelte ungläubig meinen Kopf.

"Mein Gott, du bist ja völlig weggetreten. Gib mir dein Handy!", forderte Josh und riss mir das Teil aus der Hand. Er überflog schnell den Text und lachte gleich darauf laut los.

"Ich wusste es doch, Roxy, du bist total verschossen in den Kerl!"

"Nein, gar nicht wahr!", wehrte ich mich, wusste aber, dass ich mir damit in die eigene Tasche log.

"Na worauf wartest du, antworte ihm schon!", meinte Josh und reichte mir das Handy zurück.

"Was soll ich denn darauf antworten?"

"Das fragst du mich? Lass dir was einfallen oder willst du, dass der Kontakt abbricht?", fragte er mich, zur Antwort gab ich nur ein unverständliches Grunzen von mir, dann verzog ich mich in mein Zimmer. Ja, was sollte ich denn antworten? Aber bei dieser Gelegenheit konnte ich doch gleich herausfinden, wann er wieder kommen würde. Also nahm ich mein Handy und begann zu tippen.

"Kommt ganz darauf an, wann du wieder kommst!"

Dahinter hängte ich noch einen Smiley und schickte die Nachricht los. Als ich wenig später aus der Dusche kam hatte ich bereits eine Antwort.

"Ich komme im Mai wieder zu Dad's Geburtstag."  Wow, was sollte ich darauf antworten? Das Positive war, dass ich im Mai sicher noch hier sein würde. Seelig grinsend schlief ich schließlich ein.

Am nächsten Morgen wurde ich von Sonnenstrahlen geweckt, die durch mein Fenster herein scheinten. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich mich mal wieder beeilen sollte. Josh und Luke waren schon dabei die Ställe auszumisten.

"Guten Morgen Sonnenschein, auch schon da?", neckte mich Luke als ich mit dem Futterwagen um die Ecke kam.

"Ha ha, ihr Spezialisten könntet mich ruhig wecken."

Am Nachmittag sattelte ich Embassy und machte mich auf den Weg zu unserem kleinen Übungsparcours. Ich war gespannt, wie sie auf die bunten Stangen reagieren würde. Zuerst nahmen wir eines der Naturhindernisse. Wieder überflog sie es ohne große Mühe und wartete darauf, dass ich sie zum nächsten Hindernis führte. Es war ein kleiner Steilsprung, der aus rot-weißen Stangen bestand. Sie zog auch diesen an und überflog ihn ruhig. Innerlich klopfte ich mir auf die Schulter. Ich hatte sie geknackt. Auch die restlichen Sprünge, ganz egal wie sie aussahen, überwanden wir ohne Fehler. Wenn es jetzt noch in der Reithalle so gut klappte, dann würde uns nichts mehr im Weg stehen.

Wenig später machte ich mich auf den Weg zum Haus der Hollingworths. Ich klingelte und kurz darauf öffnete eine etwas dickere Frau mir die Tür. Sie war wohl die neue Haushälterin.

"Hallo, ist Richard da?", fragte ich sie freundlich.

"In seinem Arbeitszimmer, kommen Sie rein!", sagte sie nur und hielt mir die Tür auf, sodass ich an ihr vorbei gehen konnte. Ich klopfte kurz an Richards Tür und trat ein. Er saß hinter einem großen aus Eichenholz gefertigten Schreibtisch und schaute mich neugierig über seine Brille hinweg an.

"Hallo Richard. Ich wollte nur schnell über Embassy Bericht erstatten.", begann ich.

"Dann lass mal hören!", sagte er und gab mir ein Handzeichen, das ich anfangen konnte mit meiner Erzählung.

"Sie springt wieder.", war das einzige, was ich sagte. Das war ja auch das, was Richard am Herzen lag.

"Wer springt sie, du?", fragte er und zog überrascht seine Augenbrauen nach oben. Ich nickte.

"Das ist ja wunderbar, ich hatte gehofft, dass du eines Tages wieder reiten wirst, doch ehrlich gesagt habe ich nicht daran geglaubt!", er schien sich wirklich richtig zu freuen.

"Ja, ich hätte es selbst nicht geglaubt.", sagte ich lächelnd und erzählte ihm bis ins kleinste Detail was ich mit Embassy gemacht hatte und wie sie sich dabei angestellt hatte. Zum Schluss vereinbarten wir, dass er in einer Woche zuschauen würde. So viel Zeit brauchte ich noch, um Embassy in der Halle zu springen. Es war fast Mitternacht als ich Richards Büro verließ.

Mein weiter Weg zurückWhere stories live. Discover now