Fünf

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Am nächsten Mittag schlendert Luca mit seiner neuen Mitbewohnerin durch die Straßen im Viertel und bleibt schließlich vor einem Second Hand Laden stehen. Nach einer morgendlichen Diskussion darüber, dass Linnea nicht noch mehr von ihm annehmen kann, weil er sowieso schon viel zu viel für sie tut, war dieser Laden der Kompromiss gewesen. Ihre Augen leuchten, als sie ihre Nase am Schaufenster platt drückt. Sie liebt Second Hand. Aber nicht einmal dafür hat es gereicht, seit sie das Heim verlassen hat. "Können wir rein gehen?" Fragt sie, aufgeregt, wie ein kleines Kind. "Klar." Linnea erwidert Luca's Lächeln, als er die Tür für sie öffnet und ein Klingeln ertönt. "Wonach suchen wir eigentlich?" Möchte er wissen, während sie ziellos die ersten Regale durchstöbern. Linnea kaut auf ihrer Unterlippe. "Ich weiß nicht.. eine Hose und ein Pulli? In 34 und 36.. Und vielleicht ein Paar Schuhe?" Sie blickt auf ihre kaputten Turnschuhe und sieht dann Luca an. Kann seinen Blick nicht deuten und weicht ihm Blick aus. Ist sie zu unverschämt? Doch Luca zieht bloß ungläubig die Augenbrauen hoch und widmet sich der Suche. "Eine Hose und ein Pulli.. Damit kommt man doch nicht aus.." Nuschelt er vor sich hin und würde Linn am Liebsten den halben Laden kaufen. "Hey, wie ist der?" Luca greift nach einem schwarzen Hut mit breiter Krempe und setzt ihn Linnea auf den Kopf. Erschrocken quiekt sie auf und muss lachen, als sie sich im Spiegel sieht. "Bestimmt nicht!" Protestiert sie, Luca zieht ein Gesicht. "Ich finde, der steht dir." Murmelt er, Linnea betrachtet sich zuerst skeptisch, aber dann doch irgendwie ganz zufrieden. Mit einem Blick auf das Preisschild seufzt sie aber und setzt ihn dann Luc auf. "Dir steht er viel besser." Luca lacht und zieht sich den Hut vom Kopf, um ihn zurück zu legen. "Bestimmt. Wollen wir weiter suchen?" Linnea nickt und stürzt sich auf den nächsten Kleiderständer. Nach einer Viertelstunde steht das Mädchen in der Umkleide und über der Tür hängt ein ganzer Stapel Klamotten. Linn dreht und wendet sich lächelnd vor dem Spiegel. Wann hat sie zuletzt so schöne Kleidung getragen? Luca schaut auf, als sie den Kopf aus der Kabine steckt. "Und?" Fragt er, sie wird rot. "Ich weiß nicht.. ich mag's.. aber.. es ist so ungewohnt." "Zeig mal?!" Bittet er, sie tritt zögerlich aus der Kabine. Ihre langen Beine stecken in einer schwarzen, engen Jeans und sie hat einen grauen, lockeren Strickpulli in den Bund gesteckt. Luca schluckt, als sie vor ihm steht und nervös mit ihren Fingern spielt. Unsicher blickt sie zu ihm hoch. "Was meinst du?" Lucas Mundwinkel heben sich, ganz sanft schaut er sie an. "Du siehst sehr schön aus." Murmelt er, seine Wangen beginnen, zu glühen. "Echt? Danke!" Mit einem verlegenen Grinsen huscht sie zurück in die Umkleide und lässt Luca allein. Bekommt in ihrer Freude gar nicht mit, wie Luca sich mit einem leisen "Wow." zurück auf den Hocker an der Wand fallen lässt und immer wieder erwartungsvoll zu ihrer Kabine schaut.

Das Klingeln der Tür ertönt erneut, als die beiden das Geschäft verlassen. Linnea springt die Stufe hinab, in ihren neuen Turnschuhen, die sie nach dem Anprobieren gleich anbehalten hat. Ein breites Grinsen ziert ihr Gesicht und Luca hat das schöne Gefühl, eine ganz neue Seite an Linn zu entdecken. Oder ist es vielleicht die echte Linnea, die sich unter der ganzen Last, die auf ihr liegt, langsam hervor kämpft? Lächelnd folgt Luca ihr den Gehweg entlang. In seiner Hand hält er die Tüte, in der sich jetzt doch mehr als nur ein Pulli und eine Hose befinden. Schließlich hat Luca genau gesehen, wie widerstrebend Linn ein paar Teile wieder weg gebracht hat. Doch das weiß sie nicht. Noch nicht. Linneas Übermut erreicht seinen Höhepunkt, als sie über ihre eigenen Füße stolpert und unsanft auf dem Gehweg landet. Perplex schaut sie Luca an, ehe sie in Gelächter ausbricht. Zum ersten Mal hört Luca ihr echtes Lachen und kann nicht anders, als auch zu lachen. "Was machst du denn, Linn.." Grinst er, hält ihr seine Hand hin. Dankbar nimmt Linnea sie und lässt sich hoch ziehen. "Hast du dir weh getan?" Besorgt schaut Luca auf ihre Handflächen. "Ach was! Das war doch gar nichts." Sie klopft den Dreck von ihrer Hose und läuft dann wieder voraus. Kopfschüttelnd sieht Luca ihr nach und vergisst dabei fast, ihr zu folgen. Auf dem Weg zurück zur WG stoppen sie noch in der Drogerie und gehen dann wieder hoch.

Zuhause dringen Stimmen und der Duft von Essen aus der Küche. Fragend schaut Luca das Mädchen an. "Möchtest du.. möchtest du Manu und Fred kennenlernen?" Linn ist sich unsicher. Möchte sie? Der Schreck, den Fred ihr eingejagt hat, sitzt doch noch tief. "Kann ich erstmal ins Zimmer gehen? Ich glaub, ich.. trau mich noch nicht." Antwortet sie leise, Luca lächelt sie an. "Na klar. Keiner zwingt dich hier zu irgendwas. Hier, nimm die mit." Er drückt ihr die Tüte mit den neuen Klamotten in die Hand und Linn verschwindet in Luca's Zimmer, während er zu seinen Mitbewohnern geht und mit ihnen quatscht. Es dauert nicht lange, bis er ihren Schrei hört. "Luca Göttner!" Allein, dass sie ihn beim vollen Namen ruft, lässt ihn schmunzeln. Manu und Fred grinsen. "Was hast du angestellt? So ruft dich doch sonst nur deine Mum." Feixt Fred, die Jungen lachen. Und dann steht Linn auch schon im Türrahmen. Sie ist so überrascht, dass sie ihre Unsicherheit komplett vergisst. "Was ist das?" Linn hält den schwarzen Mantel und die löchrige Mom Jeans hoch und sieht Luca mit hochgezogener Augenbraue an. Er zuckt mit den Schultern. "Klamotten!?" Gibt er zurück. "Und wie kommen die in die Tüte?" "Ich habe keine Ahnung." Linnea merkt ganz genau, dass er das Lachen unterdrückt und stupst ihm gegen den Arm. "Du bist doch blöd.." Murmelt sie, Luca schaut empört. "He!" "Aber schon irgendwie lieb blöd." Schiebt sie kichernd hinterher. Die zwei lächeln sich an und da ist es wieder. Dieses leichte Kribbeln in Luca's Bauch, wenn sie ihn so ansieht. Ob er wohl..? Vorsichtig zieht er Linn an sich und legt seinen Arm um ihre Mitte. Spürt, wie sie sich verspannt. Luca seufzt enttäuscht. Gleich wird Linn ihn wegstoßen. Irgendwie hat er das ja fast geahnt. Doch.. der Schubser kommt nicht. Staunend sieht Luca zu ihr herunter, als ihre zierlichen Hände sich ganz leicht um seine Taille legen. "Danke, Luca." Murmelt Linnea in den dicken Stoff seines Kapuzenpullis und schließt die Augen. Irgendwie fühlt es sich merkwürdig an. Aber auf eine schöne Art. So.. warm und vertraut. Zögerlich sinkt sie in seine Umarmung. "Linn.. bedank dich doch nicht dauernd.. für mich ist es ganz selbstverständlich, dir zu helfen. Und das hört nicht auf, wenn es anfängt, Geld zu kosten." Flüstert er, sie seufzt leise. Womit hat sie das bloß verdient? Ein Räuspern lässt sie beide zusammen zucken und sie erinnern sich daran, dass sie nicht allein sind. 

Scheu lugt Linn an Luca vorbei und guckt die beiden Jungen an, die am Tisch sitzen und scheinbar gerade gegessen haben. Auf der Küchenzeile steht eine halbvolle Auflaufform. "Ehm.. hi." Nuschelt sie, die Röte steigt ihr in die Wangen. "Hey. Du bist also Linnea, hm?" Lächelt Manu, während Fred sich verlegen am Hinterkopf kratzt und nicht wirklich weiß, was er sagen soll. Dass er sie so angebrüllt hat, ist ihm total unangenehm, jetzt, wo sie ihm ins Gesicht blickt. "Jup. Ich bin Linnea." Wiederholt sie, etwas mutiger. Solange Luca sie hält, kann ihr schließlich nichts passieren. "Hi! Ich bin Manu und das hier.." Er zeigt auf den Wuschelkopf, der ihm gegenüber sitzt. ".. ist Fred. Ich hab gehört, er hat sich dir schon sehr freundlich vorgestellt." Stellt Manu sich vor und Linn muss fast grinsen. Der Blonde ist definitiv nicht schlimm. Ihr Blick huscht zu Fred, der noch immer das Loch im Boden zu suchen scheint. "Man, Manu.." Grummelt er, sieht Linn entschuldigend an. "Hey Linnea.. ehm.. tut mir leid, wegen.. naja, du weißt schon." Linn beginnt zu lächeln. Verzeiht sie ihm? "Ist schon.. okay. Ich wäre wahrscheinlich auch ausgeflippt, wenn wer Fremdes in meinem Bad wäre." Winkt sie ab, und Fred atmet hörbar auf. "Danke! Ich hatte echt ein ziemlich schlechtes Gewissen. Also alles gut?" Linnea nickt, sie ist genauso froh. Luca streichelt sanft ihre Schulter. "Was meinst du? Wollen wir uns zu ihnen setzen? Was essen?" Murmelt er ihr zu, Linnea schaut zu ihm hoch. "Ja! Ich hab echt Hunger.. und wie gesagt, wer mag schon keine Pasta?" Sie zeigt auf die Lasagne auf der Arbeitsplatte und wie auf Kommando knurrt ihr Magen lautstark. Ihre Ohren werden rot, verlegen zupft sie an Luca's Pulli. Er lacht und schiebt sie behutsam zum Tisch, wo sie sich zu seiner Überraschung sogar neben Fred setzt. Staunend schaut er sie an, Linnea quengelt. "Luuuc, Hunger!" Er zuckt zusammen. Hat er sie angestarrt? Ups. Eilig füllt er ihren Teller mit Lasagne und stellt ihn in die Mikrowelle, ehe er dasselbe mit seinem macht und sie zu essen beginnen. Luca lächelt bloß, als Linnea sich noch etwas zögerlich mit Manu und Fred unterhält. Dass sie doch so spontan seine Mitbewohner kennenlernt und sich scheinbar ganz gut mit ihnen versteht, freut ihn total. Er möchte doch, dass sie sich auch außerhalb seines Zimmers wohl fühlt. Schließlich ist sie hier - für's Erste - zuhause.


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