Zehn

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Fassungslosigkeit steht Linn ins Gesicht geschrieben, während sie Luca anstarrt und vor ihm zurück weicht. "Was? Du.. aber.. du bist doch mein bester Freund.." Stammelt sie und verletzt Luca damit immer mehr. Es tut verdammt weh, dass sie seine Nähe von einem auf den anderen Moment nicht mehr erträgt. Heiße Tränen kullern Luca über die Wangen, er kann sie nicht zurück halten. "Es.. es tut mir leid.. Ich wollte nicht, dass es passiert, weißt du.. aber.. du bist wundervoll, Linn.. von innen und außen bist du wunderschön. Ich konnte nichts gegen das Kribbeln tun. Es wurde immer mehr.." Schluchzt er, kann ihr nicht in die Augen schauen. Linns Unterlippe bebt. "Wie lange?" Ihre Stimme ist nur ein Wispern. Luca sinkt noch mehr in sich zusammen. Hat sie ihm überhaupt zugehört? "Fast von Anfang an.." Gibt er kleinlaut zu, wischt sich übers Gesicht. Linn mustert ihn ungläubig. "Ich.. ich fass es nicht.. ich kann das hier gerade nicht.. tut mir leid." Flüstert sie und steht auf. Luca will ihr folgen, sie in den Arm nehmen. Ihre Wärme ganz nah spüren und hören, dass sie ihn auch liebt. Doch bevor er aufstehen kann, fällt seine Zimmertür schon lautstark zu. "Mir tut es leid.." Schluchzt er und lässt seine Tränen laufen.

Türenknallen und lautes Wimmern lassen Fred von seinem Notizbuch aufblicken. Sofort erscheint eine tiefe Sorgenfalte auf seiner Stirn. Was ist denn jetzt los? Mit einem unguten Gefühl steht er auf und verlässt sein Zimmer, das Weinen wird immer lauter. Es klingt ganz nach Luca. Hat Fred also doch recht gehabt, mit seiner Vermutung, dass irgendwas mit seinem Kumpel nicht stimmt. Zögerlich öffnet er die Tür, Luca schaut sofort auf. "Lin.. oh. Du.. bist es." Schnieft er und die Hoffnung schwindet aus seinen Augen. Für einen Moment hat er geglaubt, sie kommt zurück. Er dreht Fred den Rücken zu. Wieso kommt ausgerechnet er jetzt herein? Kann er bitte einfach weg gehen? Er ist schließlich Schuld an dem ganzen Scheiß. Wieso.. wieso hat Linnea sich in Fred verliebt? Wieso nicht in ihn? Er ist es doch, der sich um sie kümmert.. der sie liebt. Nicht Fred. Wut macht sich plötzlich in ihm breit. "Möchtest du vielleicht.. reden?" Fragt Fred unsicher, weiß nicht so recht, wie er Luca helfen soll. Warum dreht er ihm den Rücken zu? Hat er ihm was getan? Luca fährt herum und wirft ihm einen giftigen Blick zu. "Nein, möchte ich nicht! Geh doch zu Linn, wenn du quasseln willst, ihr versteht euch doch so gut! Geh schon!" Knurrt er Fred an, der erschrocken die braunen Augen aufreißt. So kennt er Luca überhaupt nicht. Er ist immer der ruhigere, entspanntere von ihnen gewesen. "Was soll das denn jetzt? Spinnst du?" Luca springt von der Fensterbank auf und ballt die Hände an seinen Seiten zu Fäusten. Wie ein Riese überragt er Fred, der sofort einen Schritt nach hinten macht. Luca schäumt vor Eifersucht. "Ich spinne? Ich spinne?! Du weißt doch ganz genau, dass ich sie liebe! Und trotzdem.. nimmst du sie mir weg." Seine Stimme wird immer leiser und wütender. Fred klappt der Unterkiefer hinab. Glaubte Luca das wirklich? "Was? Das ist doch nicht dein Ernst?! Ich habe dir Linn nicht weggenommen! Wie kommst du denn darauf? Ist es, weil ich ihr Klavierunterricht gebe? Entschuldige, dass ich was mit meiner Mitbewohnerin machen möchte!" Wehrt Fred sich, Luca schüttelt den Kopf. Verwirrt blickt Fred drein. "Was ist es dann?" Der größere Junge grummelt. Soll er es Fred sagen? Linn verraten? Irgendwie kann er das nicht, obwohl sie ihn so sehr verletzt hat. "Ich hab ihr gesagt, dass ich sie liebe. Und dann.. ach, frag sie doch selbst! Und jetzt raus!" Zischt er, schubst Fred in Richtung Tür und hockt sich wieder in die Fensterbank. Eine Weile schaut Fred ihn entsetzt an, ehe er auf dem Absatz kehrt macht. "Wenn du meinst.." Antwortet er leise und geht hinüber ins Wohnzimmer, wo Linn sich auf der Couch zusammen gekauert hat und vor sich auf den Tisch starrt.

Fred setzt sich neben ihr auf das Sofa. "Linnea? Hey.. habt ihr Krach, hm?" Sie zuckt mit den Schultern, als ob es ihr egal wäre, doch ihre zitternde Unterlippe verrät sie. "Ja. Kann mal.. vorkommen, oder?"  "Hey, ich weiß, dass Luc dir gesagt hat, dass er dich liebt.. tu das nicht einfach so ab." Flüstert Fred, berührt ganz vorsichtig ihren Arm. Linn schaut ihn an, mit Tränen in den Augen. "Man, ich.. ich kann Lucs Gefühle nicht erwidern.. weil ich in wen anders verliebt bin.." Platzt es aus ihr heraus, Fred zieht die Augenbrauen hoch. "Oh! Und.. in wen? In jemanden aus der WG?" Linn nickt. Fred beißt sich auf die Lippe. Langsam kapiert er, was Luca eben gemeint hat. "Es.. es ist nicht Manu, oder?" Fragt er vorsichtig und merkt, dass er recht hat, als Linn knallrot wird und den Blick senkt. Erstmal weiß er nicht, was er sagen soll. "Das.. ehm.. wow. Damit hab ich echt nicht gerechnet.." Fängt Fred an und nimmt Linns Hände in seine. "Ich meine.. das schmeichelt mir total und.. ich hab dich wahnsinnig lieb, aber.. eher, wie eine Schwester, weißt du?" Versucht er es ganz vorsichtig, sie kneift nur die Lippen zusammen. So fühlt Luca sich also gerade. Zurückgewiesen, beschämt und plötzlich ganz einsam. "Ich kann dir nicht geben, wonach du suchst. Aber da ist ja jemand, der dich damit überhäufen würde. Hast du wirklich keine Gefühle für ihn?" Bohrt Fred nach, er kann sich das eigentlich gar nicht vorstellen. Linn horcht in sich hinein, doch ihre Gefühle sind nur noch ein einziges Chaos. "Ich weiß es nicht.. es ist ja total schön, mit ihm.. Zeit zu verbringen.. und kuscheln ist auch toll." Gibt sie mit roten Wangen zu, Fred lächelt. "Ja, das ist auch, warum ich dachte, ihr seid vielleicht schon heimlich zusammen." Linnea staunt. "Echt?" "Ja.. Und ich glaube, das ist auch, warum Luc vielleicht dachte, dass du ihn auch so magst, wie er dich. Weil du seine Nähe genauso gesucht hast. Vielleicht hat das Hoffnungen in ihm geweckt.." Linn seufzt und nickt wieder. Vielleicht.. vielleicht hätte sie etwas gemerkt, wenn sie nicht immer mehr nur Augen für Fred gehabt hätte. "Schau mal.. Luc beschützt dich vor deinen Albträumen, er hört dir stundenlang zu, er.. tut alles, damit du mehr lachst, als weinst.. er.. er hat von der ersten Nacht an für dich gekocht, weißt du noch? Und er putzt sein Zimmer am Liebsten mehrmals wöchentlich, damit du dich wohl fühlst. Und er latscht mit dir durch das ganze Viertel zu diesem Second Hand Laden, um zu sehen, wie du dich freust. Das mag was heißen, eigentlich ist er nämlich stinkend faul und zieht seinen Schlaf allem vor. Fast hättet ihr euch gar nicht kennen gelernt, weil er am Tag des Herbstfestes lieber hier auf der Couch geschlafen hätte." Fred schmunzelt bei der Erinnerung an den fliegenden Schuh und auch Linnea kann ein Lächeln nicht unterdrücken. Endlich hat sie eine Antwort darauf gefunden, ob es etwas gibt, was Luca noch mehr liebt, als schlafen. Ihr Bauch kribbelt immer mehr und gleichzeitig beißt sie ihr schlechtes Gewissen. Luca tut so viel für sie und.. verliebt sich in sie. Anstatt zu sehen, dass die Liebe genau vor ihrer Nase ist, macht sie ihm unbewusst Hoffnungen und schwärmt dann von seinem besten Freund und trampelt damit derart auf seinen Gefühlen herum, dass er weint. Und zu allem Überfluss hat sie mit ihrer Blindheit auch noch einen Keil zwischen die beiden Freunde getrieben. Endlich hat sie Menschen gefunden, die sie nicht im Stich lassen.. und sie zerstört alles. Sie, nicht Luca. Linn laufen die Tränen über. "Ich bin so.. blöd. Es tut mir leid.. ich wollte das nicht.. was soll ich denn jetzt machen? Ich möchte Luc nicht so traurig sehen, aber.. ich kann das doch nicht von jetzt auf gleich.." Weint sie, Fred erschreckt. "Hey.. das verlangt doch auch keiner. Es wird alles wieder, hm? Redet morgen oder so nochmal ganz in Ruhe.. lasst einander Zeit. Ich.. ich kann auch ein paar Tage woanders pennen, wenn das für euch einfacher ist.. vielleicht ist ein bisschen Abstand ganz gut, wegen.. deinem Gefühlschaos, was meinst du?" Murmelt er ganz ruhig. Sanft wiegt er sie hin und her, doch wirklich genießen kann Linn es nicht. Es ist schön, aber es fühlt sich nicht an, wie in den starken Armen, in denen sie sich immer sicher und warm fühlt und geborgen. Freds Augen können ihr nicht in die Seele blicken, wie die unglaublichen, hellen Augen von Luca. Sie wünscht sich in seine Umarmung. Doch.. das kann sie sich wohl erstmal abschminken. "Ja, vielleicht. Wir können ja später mal Luc fragen, was er davon hält." Fred lacht trocken auf. "Der wird begeistert sein. So, wie er mich eben aus seinem Zimmer geschmissen hat." Betreten seufzt Linn. "Das ist nicht witzig.. ich will nicht, das ihr euch streitet." Fred drückt sie nochmal. "Mach dir keinen Kopf. Wirklich, wir kriegen das schon hin.." Verspricht Fred ihr, Linn antwortet nicht. Sie ist sich da alles andere, als sicher. Luca, der gerade aus seinem Zimmer kommt, sieht die beiden kuschelnd auf der Couch sitzen. Einmal mehr bricht sein Herz, er beißt sich auf die Unterlippe und überlegt nicht, ehe er in Schuhe und Jacke schlüpft und aus der Wohnung stürmt. Krachend fliegt die Tür zu, Fred und Linn schrecken auseinander. "Was.. fuck, ich glaube, Luc hat uns gesehen und denkt jetzt.. verdammt!" Fluchend springt Fred auf und rennt ihm hinterher, Linnea folgt ihm besorgt. Auf halbem Weg nach unten kommt Fred ihr atemlos entgegen. "Er ist weg." Linns Gewissen beißt sie erneut, mitten in die Brust. Was hat sie bloß angerichtet?

dark sea [a giant rooks fanfiction]Where stories live. Discover now