Sieben

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In ihre Bettdecke gekuschelt sitzt Linnea auf der Fensterbank in Luca's Zimmer und beobachtet fasziniert die Schneeflocken, die draußen im Licht der Straßenlaternen tanzen. Wie schön Schnee doch ist, wenn man drinnen im Warmen sitzen kann und keine Angst haben muss, zu erfrieren. Gedankenverloren schlürft Linn ihren Kaffee, der sie wärmt. Sanftes Klavierspiel vermischt sich mit dem gleichmäßigen Schnarchen, das aus der anderen Ecke des Zimmer kommt und lässt Linn verwirrt aufschauen. Wer spielt denn da? So viel sie weiß, spielt Fred doch Gitarre und Drums? Soll sie nachsehen? Ihre Neugierde siegt und sie schält sich aus der warmen Decke, um aufzustehen. Linns Blick huscht zu dem Jungen, der im Bett liegt und sie hält lächelnd inne. Gibt es wohl irgendwas, das Luca noch schöner findet, als Schlafen? Eine Hand liegt neben seinem Kopf auf dem Kissen, die andere auf seinem Bauch. Er schnarcht leise und schläft tief und fest. Und das, obwohl es schon später Nachmittag ist. "Du bist eine Schlafmütze, Luc.." Grinst sie, bevor sie leise das Zimmer verlässt.

Im Flur wird die Musik lauter, je näher Linnea Freds Zimmer kommt. Seine Tür steht offen, Linn bleibt im Rahmen stehen und lässt den Blick durch den chaotischen, aber total gemütlichen Raum schweifen. Linn fällt auf, dass sie in dem ganzen Monat, den sie jetzt hier wohnt, noch nicht in Freds Zimmer gewesen ist. Wie im Wohnzimmer, steht auch hier ein Regal, das mit Büchern vollgestopft ist und Linnea bekommt die Vermutung, dass wohl auch die ganzen Bücher im Wohnzimmer Freds sind. Oder zumindest ein Großteil davon. Fred sitzt am Klavier und scheint in seine eigene Welt versunken. Sein Haar fällt ihm in die Stirn, Finger gleiten sanft über die Tasten des Instruments, während er 'Slow' spielt. Linnea lehnt sich gegen den Türrahmen und verliert sich genauso wie Fred im Klang der Musik. "Gonna have a ride on a dolphins back.. Ocean's foam in my face or it's dust or sand. The winter's gonna count no more, unless we keep on thinking like before.." Singt er leise, Linnea erschauert und bekommt heftige Gänsehaut. Sie wusste, dass er singen kann, das hat sie ja auf den Platten gehört, die Luca ihr gezeigt hat. Doch live.. das ist nochmal was ganz anderes. Freds Stimme klingt unglaublich gefühlvoll. "Get out, let freedom ring.. and let us do our.. oh." Fred schaut auf und zuckt leicht zusammen. Ihre Blicke treffen sich, er lächelt und hört auf, zu spielen. "Hey, Linn." Sie spürt, wie ihre Wangen heiß werden. "Ehm.. sorry. Ich.. die Tür stand offen.. ehm.. du singst echt schön." Stammelt Linn verlegen, Fred grinst nur breit. "Danke! Kennst du unsere Songs eigentlich schon? Das war Slow." Linnea nickt und nähert sich ihm. Das glatte Holz des Klaviers fühlt sich kühl an, unter ihren Fingerspitzen. "Ja, ich weiß. Luc hat mir schon was von euch gezeigt. Ich bin nur.. also.. ich wusste nicht, dass du Klavier spielst. Ich dachte, deine Instrumente sind Gitarre und ehm.. Trommel?" Fragend blickt sie Fred an, er zuckt mit den Schultern. "Ja, stimmt! Auf der Bühne spiele ich auch eigentlich nur die beiden. Klavier eigentlich nicht. Es hat mir gefehlt, deshalb hab ich mich mal wieder dran gesetzt.." Wieder staunt Linn. "Wow. Ich wünschte, ich hätte Talent für wenigstens ein einziges Instrument." Sie klimpert wahllos auf zwei, drei Tasten herum und seufzt. "Hast du es schonmal versucht?" Möchte Fred wissen, Linn schüttelt den Kopf und senkt den Blick. "Wie denn? Im Heim.. hatten wir solche Dinge nicht." Fred beißt sich auf die Lippe. "Achja.. daran hab ich nicht gedacht. Möchtest du.. möchtest du es denn mal versuchen?" Linn zögert. "Ehm.. ja.. vielleicht." Begeistert steht Fred auf und bietet ihr den Hocker an. "Oh. Jetzt gleich?" Unsicher setzt Linnea sich. "Jetzt gleich!" Fred beugt sich über ihre Schulter und legt seine Hand auf ihre. Spürt, wie sie zusammen zuckt und hält inne. Hat er sie jetzt überrumpelt? "Ist das.. ist das okay?" Sie nickt. "Ja.." Linneas Finger kribbeln unter seiner sanften Berührung, sie schaut schüchtern zu ihm hoch. Ihre Blicke treffen sich und endlich ist Linnea sich sicher. Er hat ganz warme, braune Augen, in denen sie sich total verlieren könnte. Und seine Nähe erst.. Linn fällt es schwer, sich zu konzentrieren. "Linnea?" Sie zuckt erneut zusammen und guckt Fred verdutzt an. Hat sie ihn etwa angestarrt? Ups. "Ehm.. ja?" Er schmunzelt. "Träumst du?" Linn wird ganz rot. "Nein, ich.. zeigst du es mir nochmal? Bitte?" "Klar!" Erneut führt Fred ihre Hand über die Tasten. Linn versucht es immer wieder, bis sie es einigermaßen kann und Fred ihr noch was zeigt. "Siehst du? Da versteckt sich doch ein Talent in dir! Wenn du möchtest, kann ich es dir beibringen!" Linnea strahlt über Freds Angebot und umarmt ihn vor Freude. "Ja! Ja, das wäre toll! Danke!" Lachend drückt er sie. Mit so einer überschwänglichen Reaktion hat er nicht gerechnet. "Wow! Klar, machen wir. Wenn du Lust hast, kannst du auch üben, wenn ich nicht da bin." Jetzt ist es Linnea, die staunt. Sie darf allein in sein Zimmer gehen? Es fühlt sich echt toll an, dass er ihr so vertraut. Und.. irgendwie kribbelt ihr Bauch wie verrückt, seit er ihre Finger berührt hat. Mit roten Wangen sieht sie Fred an und nickt. "Dankeschön! Ich.. ich geh dann mal wieder.." Nuschelt sie. So leise, wie sie herein gekommen ist, verlässt sie sein Zimmer wieder. Fred legt den Kopf schief und schaut ihr nach. Linnea ist schon anders. Aber auf eine gute Art anders. Irgendwas sagt ihm, dass das Mädchen in ihrer Jungs WG sie noch einige Male überraschen wird. Vielleicht können sie mal was zusammen machen? Schließlich ist sie nicht nur Luca's Mitbewohnerin, sondern auch seine. Als seine Tür sich langsam wieder öffnet, hebt Fred überrascht die Augenbrauen. Nanu? Linn linst um die Ecke und sie können beide nicht anders, als zu grinsen. "Ehm.. Luc schläft immernoch.. und Manu ist ja nicht da und.. ich möchte was kochen und.. ehm, kochst du mit mir?" Fragt sie ganz mutig, Freds Mundwinkel ziehen sich noch höher. "Klar! Pasta?" Sie lachen, während sie sich auf den Weg in die Küche machen.

Ausgelassenes Lachen hat Luca dann doch geweckt. Schlaftrunken stolpert er durch den Flur, folgt den Stimmen, die sich laut unterhalten und dem Duft von Essen. In der Küche stehen Töpfe und eine Pfanne auf dem Herd, Fred rührt akribisch in einem, während Linnea kichernd Gemüse schnippelt und es in die Pfanne gibt. "Und dann ist Finn echt fast von der Bühne gefallen? Oh Gott!" Luca muss grinsen, an das Konzert kann er sich noch sehr gut erinnern. Aber gleichzeitig beschleicht ihn die Befürchtung, dass Fred was Peinliches über ihn erzählt haben könnte. Irgendwie wäre ihm das ziemlich unangenehm, vor Linnea. "Ja und dann gab es noch ein Konzert, da mussten wir.." Luca wuschelt sich durch die Haare und räuspert sich, bevor Fred noch mehr erzählen kann. Erschrocken fahren die beiden herum. "Luc!" Linn beginnt sofort, zu strahlen und lässt alles liegen, um Luca zu umarmen. Er ist endlich wach! Auch, wenn es schön ist, mit Fred Zeit zu verbringen, hat Luca ihr irgendwie gefehlt. "Wir ehm.. kochen gerade." Er schmunzelt. "Echt!? Wäre ich nicht drauf gekommen." Linn kichert. "Doch! Hast du auch Hunger, Schlafmütze?" Luca's Herz stolpert und schlägt doppelt so schnell weiter. Dieses Lächeln.. "Gerne! Was erzählt Fred denn für einen Quatsch, hm?" Ihm entgehen die belustigten Blicke nicht, die Fred und Linn sich zu werfen und ein fieses Stechen zieht durch seine Brust. Seit wann sind die beiden so eng miteinander? Was ist bloß passiert, während er geschlafen hat? Skeptisch mustert Luca seinen besten Freund, der still vor sich hin grinst. "Ach, nur ein paar lustige Sachen, die euch bei Konzerten passiert sind. Nichts Schlimmes." Versichert Linnea und kichert wieder, als auch sie einen kritischen Blick von Luca bekommt. Was hat er denn? "Wirklich! Du kannst mir ruhig glauben." Seine Lippen verziehen sich endlich zu einem Lächeln. "Wie denn, wenn du dabei so grinst?" Seine Finger kitzeln Linns Seiten, sie lacht auf und hält seine Hände fest. "Luc, lass das!" Viel zu schnell entzieht sie sich wieder seinen Armen und hilft Fred wieder beim Kochen. Luca verzieht etwas enttäuscht das Gesicht. Irgendwie hätte er Linn gerne noch eine Weile im Arm gehalten. Es fühlt sich total schön an, wenn sie ihm so nah ist. Doch Linn scheint sein zerknirschtes Gesicht gar nicht zu bemerken. Ihr ist eingefallen, dass sie ihm unbedingt was erzählen wollte. "Hey Luc, ich hab heute Klavier gespielt! Naja.. ich hab es zumindest versucht. Fred sagt, ich hab Talent und jetzt bringt er es mir bei." Ganz stolz schaut sie zu ihm, während er versucht, sich abzulenken und Geschirr aus dem Schrank holt. Überrascht sieht Luca auf. Er findet es total schön, dass Linn etwas gefunden hat, das ihr Spaß macht. Aber irgendwie.. irgendwie kann er sich nicht richtig freuen. "Echt? Da bin ich ja mal gespannt. Vielleicht spielst du auch irgendwann bei uns." Scherzt er halbherzig, Linnea wird rot. "Bestimmt nicht! Dafür bin ich viel zu schlecht, ich hab doch gerade erst angefangen." Sie stellt den Kochtopf auf den Untersetzer auf dem Tisch und senkt den Blick. Luca ohrfeigt sich innerlich. Er wollte doch gar nicht, dass sie traurig ist. Im Gegenteil. Vorsichtig legt er eine Hand auf Linns Schulter und streichelt sie sanft. "He, wir haben alle von null angefangen. Was meinst du, wie blöd das klang, als ich mit Gitarrespielen angefangen habe? Oder Fred? Wenn du fleißig übst, weiß ich, dass du bald super spielen wirst!" Murmelt er und spürt, wie seine Wangen heiß werden. Schüchtern blickt er sie an, Linn umarmt ihn wieder. Nuschelt ein dumpfes "Danke." in Luca's Pulli. Luca's Arme schlingen sich um ihre Mitte, er lehnt seinen Kopf an ihren und schließt die Augen. Fred wirft ihnen einen Blick zu und schmunzelt. Ob da vielleicht irgendwann mehr draus wird?

dark sea [a giant rooks fanfiction]Where stories live. Discover now