2 - ,,Verflixter Scheibenhonig!"

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,Billie Jean' – Michael Jackson

CASPIAN

Ich wusste genau, dass es punkt zwölf Uhr war, als ich zurückkam. Gray hatte mich die letzten Stunden konsequent ignoriert, jedoch hatte ich gemerkt, dass sie Schwierigkeiten dabei hatte. Jetzt hob sie den Blick, sodass ihre schönen schwarzen Augen meine trafen. Für den Bruchteil eines Momentes konnte ich Überraschung in ihrem Gesicht lesen. Dann war da wieder ihre Selbstsicherheit, die ich schon von Weitem gesehen hatte. Sie lief um die Bar herum auf mich zu, stellte sich vor mich hin und fragte: „Willst du tanzen?" Geradeheraus und einfach so.

„My Lady?" Ich hielt ihr als der Gentleman, der ich war, meine Hand entgegen und sie ließ ihre Finger in meine gleiten. Mit einem Lächeln auf den Lippen führte ich sie auf die Tanzfläche, unsere Füße zeichneten den Takt auf den Boden. Ich betrachtete sie, wie sie ihren sinnlichen Körper zur Melodie bewegte, dabei vollkommen in den Rhythmus versank und die Augen schloss. Ich hatte selten jemanden so tanzen sehen. Ihre Hüften schwangen hin und her, sie ließ ihre Arme über ihren Kopf wandern und wieder zurück, setzte ihren Körper perfekt in Szene. Es war unmöglich, sie nicht zu begehren. Ich überließ sie gänzlich ihren Bewegungen und führte sie sanft. In meinen Venen spürte ich den Alkohol, den sanften Beat und die Lust pulsieren. Am Ende des Songs landete sie dicht an meinem Körper und legte ihren Kopf an meine Schulter, als ein langsames Lied begann. ‚Mr. Brightside' schien die Zeit zu verlangsamen, während der Moment trotzdem viel zu schnell vorbei war. Ich spürte Grays Wärme an meiner Brust und sog ihren zarten Jasminduft ein. Der Text des Songs war eigentlich traurig, doch der Sänger gebrauchte wunderschöne Metaphern, die von sanften Geigenklängen untermalt wurden und mich wohl fühlen ließen. Die Drinks sorgten dafür, dass leichter Nebel in meinem Kopf aufzog und ich mich nur noch auf die äußeren Einflüsse konzentrierte. äußeren Einflüsse zu verschwimmen begannen. Die Musik und das Stimmengewirr wurde zu einem einzigen süßen Rauschen, die vielen Menschen ohne Gesicht zu einer Masse an Farben und die Gedanken in meinem Kopf zu Kartoffelmus.

Klar vor mir spürte ich jedoch Grays schlagendes Herz an meiner Brust und die Vibration der Musik in ihrem Körper.

Die Band schien wirklich für ordentlich Abwechslung sorgen zu wollen – Wir schraken aus unserem süßen Traum, als plötzlich Metal gespielt wurde. Gray lachte und in ihren Augen funkelten die hundert silbernen Lichter an der Decke. Sie sah unglaublich frei aus.

Doch plötzlich schien ihr etwas einzufallen und sie geriet kurz ins Nachdenken. Dann nahm sie ihre Hände von meinem T-Shirt und sagte: „Tut mir leid, Caspian, aber ich muss nach Hause."

Ich hoffte, in ihren Augen echtes Bedauern zu finden, doch sie schaute mich nicht mehr an. Jetzt war ich verwirrt. Sie hatte mir bisher deutlich gezeigt, dass sie mehr wollte. Und jetzt auf einmal gar nichts.

„Was ist los?"

„Ähm. Das... ist persönlich." Immer noch sah sie auf den Boden.

„Okay", meinte ich langgezogen und beschloss dann es darauf beruhen zu lassen. Wenn etwas persönlich war, dann war es persönlich.

„Soll ich dich nach Hause bringen?", fragte ich stattdessen. Vor meinem inneren Auge tauchten Bilder auf, wie sie allein auf dem Heimweg war und an irgendwelchen dunklen Ecken vorbeikam, hinter denen sonst wer lauern konnte.

Jetzt war sie es, die mich wie eine Katze anschaute, der man vorwarf, gerade den Kerzenleuchter vom Tisch gefegt zu haben: Überrascht.

„Du bist jung, du bist schön, es kann immer was passieren."

„Ich wohne nur ein paar Straßen weiter. Also nicht nötig, danke."

„Doch. Lass mich dich begleiten. Es ist mitten in der Nacht. Und vielleicht muss ich ja sowieso in dieselbe Richtung."

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