4 - ,,Ich habe ihn geliebt!"

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‚Vagabond' - Caamp

CASPIAN

Mir schwirrte der Kopf, als ich gegen drei Uhr nachmittags die Vorlesung verließ. Es war Stochastik gewesen, das Fach was ich am wenigstens leiden konnte. Allgemein war das Studium nicht so sehr mein Ding, am liebsten würde ich direkt jeden Tag im Radiosender arbeiten, doch ich versuchte möglichst motiviert morgens aufzustehen. Es war ja nichts Schlimmes.

An meinem Spind traf ich Sadie, die ich im ersten Semester hier kennengelernt hatte und die mittlerweile zu einer sehr guten Freundin geworden war. „Na", grüßte ich, während ich ein Buch gegen meine Jacke tauschte und begann mein Notebook einzupacken.

„Lust auf Kaffee?", fragte die Neunzehnjährige und strich sich eine Strähne ihrer blonden Haare hinter die Ohren. „Du siehst aus als könntest du einen vertragen."
„Hah, da hast du wohl Recht", lachte ich. „Aber leider muss ich direkt los."
Fragend kräuselte sie die Nase.
„Ich hab meiner Mum versprochen, dass ich Flory abhole", erklärte ich.
„Manchmal versteh ich euer Verhältnis wirklich nicht. Einerseits streitet ihr dauernd, du magst nicht, was sie tut und andererseits vergötterst du sie und tust alles für sie."
Mir wurde mal wieder klar, dass selbst Sadie ein Detail aus meinem Leben nicht kannte.
„Dass ich Flory abhole ist ja wirklich nichts Besonderes", sagte ich ausweichend.
„Ich meine ja auch allgemein. Wäre sie nicht gewesen, würdest du nicht einmal dieses Studium machen. Obwohl du sowohl das Geld dazu hast als auch den Abschluss."
„Sie ist eben meine Mum", antwortete ich
„Okay, ich sehe es ein, du bist einfach ein sehr treuer und solidarischer Mensch." Sadie schenkte mir ein Lächeln. Sie war ebenfalls so ein Mensch. Wenn auch die verrückte Ausführung davon.
„Er? Treu und solidarisch?", mischte sich plötzlich von hinten mein bester Freund Ezra ein. „Du erinnerst dich aber schon noch daran, wie er mir heute Morgen nichts von seinem Müsliriegel abgeben wollte?"
„Das hat er aber nur getan, um diese Raupe Nimmersatt hier", Sadie deutete auf Ezras Bauch, „nicht weiter zu verwöhnen."
„Ach, so ist das. Ihr steht also beide auf der dunklen Seite der Macht!"

Jup, dieses kindische Wesen, dessen Hemd halb aus der Hose heraushing, war tatsächlich mein bester Freund, den ich schon seit der Junior High School kannte. Sadie und er waren ständig am Streiten, obwohl mir klar war, dass sie sich eigentlich ganz gern hatten. Ezra war sogar mal ziemlich scharf auf sie gewesen - vielleicht auch jetzt noch, keine Ahnung, ob er seine Krise überwunden hatte - bis wir erfahren hatten, dass sie auf Frauen stand. Pure Verschwendung, wie Ezra fand. 

„Bevor ihr beiden Hühner wieder anfangt, euch die Augen auszukratzen, gehe ich lieber. Bin sowieso schon spät dran", erklärte ich. Sadie hielt mir eine Ghettofaust hin und ich schlug ein. Das war unser Verabschiedungs- und Begrüßungsritual.
„Ich muss auch los", sagte Ezra und wollte schon fast loslaufen, als ihn mit einer Hand aufhielt.
„Nee. Du gehst jetzt mit Sadie einen Kaffee trinken!"
„Aber...", setzte er an.
„Kein Aber. Mir gehen eure ständigen Streitereien so auf den Geist, seht zu, dass ihr das mal klärt!"
Sadie sah ganz glücklich damit aus, wie die Situation ausgegangen war. Ezra war so schlau in diesem Moment nicht ganz so sehr den Blödmann raushängen zu lassen und nicht weiter zu protestieren.
„Viel Spaß euch beiden!", rief ich im Gehen mit zuckersüßem Tonfall.

Ich steckte mir die Kopfhörer in die Ohren und startete eine Playlist auf meinem Handy. Irgendein Lied von den Pixies begann, während ich vor dem Unigebäude mein Fahrradschloss öffnete und mich aufs Rad schwang. Vom Imperialcollege machte ich mich auf den Weg durch den Hyde Park und schließlich ein Stück durch das angrenzende Mayfair. Zu Hause angekommen stieg ich direkt auf Kermit um. Kermit war mein Jeep, der so hieß, weil er eben grün war. Und einen Namen hatte er, weil ich einige Arbeit hineingesteckt damit er so funktionierte, wie er jetzt funktionierte. Mit ordentlichen Bremsen, einem geschmeidigen Schaltgetriebe und rostfreier Lackierung – in grün.

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