3 - „Für was braucht man schon Männer?"

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‚I'm writing an Novel' – Father John Misty

GRAYCEN

„Ach Graycie! Du bist wirklich ein hoffnungsloser Fall", seufzte Ruth. Sie war meine beste und wohl auch einzige Freundin und hatte es sich gerade auf meinem Küchentisch gemütlich gemacht, während ich am Herd stand und uns beiden ein spätes Mittagessen kochte. Ich hatte ihr von meiner Begegnung mit Caspian letzte Nacht erzählt, denn ich wusste selbst nicht so recht, was ich davon halten sollte. Einerseits war ich erleichtert gewesen, als er gegangen war, doch das lag nicht an ihm, sondern an mir. Ich konnte vielleicht schlagfertige Antworten geben, flirten und jeden Streit gewinnen, doch wirklich reden konnte ich nicht. Und schon gar nicht über mich selbst. Vielleicht, weil ich eigentlich keine Ahnung von mir selber hatte.

Also hatte ich versucht, den Streit zu gewinnen. Es war scheiße von mir gewesen, ihn so niederzumachen, denn schließlich hatte er nichts Böses getan. Nein, im Gegenteil, er war nett gewesen, obwohl ich ihm einen Korb gegeben hatte. Trotzdem war er damit nicht zu jemandem geworden, dem ich irgendetwas anvertrauen wollte. Was hatte er denn hören wollen? Dass ich ihn dieser Bar gerade so viel verdiente, dass es irgendwie reichte? Dass ich diesen Job nur hatte, weil keine Ausbildung hatte und das Geld brauchte? Dass dieser Augenblick wohl noch einer der besten in meinem bisherigen Leben war?

„Also wenn ich so einem Typen begegnen würde, der noch dazu so... kommunikativ ist – wenn du weißt, was ich meine – ich würde nicht zögern und meine Hochzeit in Vegas buchen!" Auf Ruths Gesicht erschien ein träumerischer Ausdruck. Im Gegensatz zu mir war sie verzweifelter Single. Eigentlich war sie nicht nur eine beste Freundin, sondern eine Schwester, die ich nie hatte. Sie war anders als ich. Und doch irgendwie gleich. Sie war die weiße Schachfigur und ich die schwarze. Wir spielten im selben Spiel, doch keinesfalls gegeneinander.

„Du weißt, dass ich niemals in Vegas heiraten werde!", antwortete ich Ruth lachend.

„Ja. Leider hast du deine dunkle Aura, die jeden vertreibt, der dir zu nahe kommt."

„Dafür kann ich grandios kochen!" Grinsend drehte ich mich um und streckte ihr einen Löffel der Tomatensoße hin, die ich gerade zubereitete. Als sie ihn abschleckte und genießerisch die Augen schloss, fügte ich hinzu: „Was willst du mehr?"

„Nudeln zur Soße! Und einen sexy Typen, an den ich mich anlehnen kann."

„Apropos... Wie war eigentlich dein Blind Date gestern?" Ruths Cousin hatte ihr ein Abendessen mit seinem besten Freund organisiert.

Sie schnaubte nur und sah plötzlich traurig aus. „Er hat irgendwie nicht aufgehört, über seine Fitness Workouts und Bodybuildingzeugs und diesen ganzen Kram zu reden. Und er hat Salat mit Joghurtdressing bestellt!"

„Ach Ruth!" Jetzt seufzte ich. Fitness und Bodybuilding waren wirklich nicht ihr Ding. Meiner Meinung nach hatte sie einen tollen Körper. Nicht jede Frau konnte Größe 36 tragen. Ihre füllige Figur passte zudem wunderbar zu ihren weichen Locken und den großen braunen Augen. Eigentlich mochte sie sich sogar selbst. Aber wenn dann solche Idioten kamen und so taten, als würden sie sie toll finden, während sie die ganze Zeit sagten, dass Sport doch auch mal ganz schön wäre, dann war selbst meine Lieblingsoptimistin in ihrem Selbstwertgefühl verletzt.

„Komm mal her." Ich ließ den Löffel in den Topf fallen und legte die Arme um sie. „Du bist genau richtig so wie du bist."

Bei keinem anderen Menschen war ich so offen und herzlich wie bei ihr. Ich wusste, dass ich ihr vertrauen konnte.

„Hier. Mit Nudeln ist die Welt gleich besser." Ich drückte ihr einen Teller Spaghetti mit fruchtiger Tomatensoße in die Hand. Oben drauf hatte ich etwas Parmesan gerieben und einige Blätter Rucola drapiert.

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