Rückkehr

521 59 0
                                    

Achtung, sehr wichtiges Kapitel. Ein großer Schritt in Lilas Leben.
Es ist ziemlich viel Handlung drin, ich hoffe es gefällt euch ^^

Sunnymaus


Ich lasse meinen Blick ein letztes Mal über die Wiese schweifen, die still und ruhig im Dunkeln daliegt. Seltsamerweise verspüre ich keine Trauer. Selbst Dragon weiß, wohin wir jetzt gehen. Doch er folgt mir. Er vertraut mir. Er vertraut mir, dass sich in Zukunft etwas verändern würde. Dass er jetzt so unbeschwert und frei leben durfte, auch wenn wir zum Gut zurückkehrten. Dass ich es für ihn regeln würde. Dass WIR es regeln, dachte ich und nahm seine Hand. Er lächelte. Den anderen Arm legte ich auf Dragons Hals, genau so, wie ich ihn zum Abreiteplatz geführt hatte. Das alles war noch keine drei Tage her und trotzdem kam es mir sehr weit weg vor. Damals musste ich mich auf ihn stützen. Er war mein einziger Halt gewesen. Doch in diesen zwei Tagen hatte sich etwas verändert. Ich war standhafter, denn ich hatte eine zweite Stütze gefunden. Er ging neben mir her und hielt meine Hand. Ja, auch er gab mir Halt. Und genau das war der Grund, warum ich mit einem Lächeln auf den Lippen zurück in die Höhle des Löwen laufen konnte. Dieses mal waren wir keine Gazellen mehr, nein. Wir waren Gegner, Rebellen.

„Was glaubst du, was sie sagen werden?“ Ich drehte den Kopf zu ihm. Wir saßen auf der alten Holzbank neben dem Reitplatz und warteten. Warteten auf den entscheidenden Moment, auch wenn es noch mindestens zwei Stunden dauern würde, bis die ersten Leute hier auftauchten. „Ich weiß es nicht, Lila.“, seufzte er, „Das einzige, was ich weiß, ist, dass wir es ihnen zeigen werden.“ Ein Lächeln schwang in seiner Stimme mit. „Gut, und was werden wir sagen?“ Er merkte, dass ich Angst hatte. Angst vor dem, was uns erwarten würde. Angst vor meiner Mutter. Wie so oft in letzter Zeit schloss er mich in seine Arme und ich ließ den Kopf auf seine Schulter sinken. „Wir schaffen das.“ Er verschränkte unsere Finger. „Zusammen.“ Mir lief es heiß und zugleich kalt den Rücken hinunter. Er hatte recht. Zusammen konnten wir alles schaffen. Denn mit ihm an meiner Seite und Dragon, der mir so viel Kraft gab, konnte ich alles schaffen, was ich wollte. Da war ich mir inzwischen sicher. Allerdings fragte ich mich immer öfter was das war, zwischen uns. Waren wir Freunde? Oder mehr? Ich wollte und konnte mich nicht festlegen, da ich nicht wusste was er empfand. Immer öfter schweiften meine Gedanken auch zu Max. Er war bis vor kurzem mein einziger Freund gewesen. Und er liebte mich. Zum ersten mal erlaubte ich mir die Frage zu stellen, die ich ebenfalls verdrängt hatte: Liebte ich Max? Oder Liam? Max natürlich auch, klar. Aber mehr wie...einen Bruder. Und das wusste er und es gefiel ihm nicht. Ganz und gar nicht. Er hasste es. Würde er mich und Liam hier so sehen...ich wüsste nicht, was passieren würde. Das war der zweite Punkt, der mir Angst machte: Wenn endlich alles vorbei war, was würde aus Liam und mir werden? Wäre es noch dasselbe, wie auf der Wiese, in der Hütte und am See? Konnte sich daraus etwas entwickeln? Wenn ja, wie sollte ich das Max beibringen? Ich schob den Gedanken an ihn beiseite, denn er brachte mich zum Verzweifeln. Ich genoss die letzten Stunden in Freiheit und schloss die Augen. Liam weckte mich auf, als ich aufgeregte Schreie hörte. „Sie kommen.“, sagte er und biss sich auf die Unterlippe. Sofort war sie wieder da, die Angst. Er erhob sich und so ließ er meine Hand los, was mir gar nicht passte. Ich brauchte ihn. Ich brauchte Halt. Schnell ging ich zu Dragon, der auf dem kleinen Grasstreifen am Rand des Platzes graste, wie um ihn zu beschützen. Vor meiner Mutter, die in Morgenmantel auf mich zugerannt kam. Ich stand da wie versteinert, mein Blick blieb kalt. Sie kam immer näher und am liebsten würde ich vor ihr fliehen, aber das ging nicht. Gleich würde sie mich schlagen. Es konnte nicht anders sein. Noch ein paar meter, dann war sie bei mir. Sie hob die Hände und...umarmte mich. Mein eisiger Blick machte einem überraschten platz. Ich schaute mich nach Liam um. Er stand seiner Großmutter gegenüber, die ihn streng anblickte. Jedoch war auch ihr die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. „Mach...das...“ Weinte meine Mutter? „Nie...wieder...hörst du?“ Ich sagte nichts. Ich erwiderte die Umarmung auch nicht. Das konnte ich nicht. Noch nicht.

Wir saßen in Constanzes Büro. Auf der einen Seite des Tisches Liam und ich, auf der anderen meine Mutter und Constanze. Wir starrten uns an. Keiner sagte ein Wort. Nach ein paar Minuten brach Liam schließlich das Schweigen. „Wir brauchen uns nicht zu rechtfertigen, was machen wir also hier?“ Er sprach nicht aufdringlich oder bissig, einfach nur...sachlich. Die beiden sahen sich an. Ich wusste nicht ob sie sich telepathisch verständigten, jedenfalls übernahm meine Mutter das Reden. Das überraschte mich nicht. Sie tat alles, was Constanze von ihr wollte. Das merkte man ihnen an. Sie räusperte sich. Dann sagte sie etwas, dem ich keinen Glauben schenken konnte. „Ihr seid hier weil...wir verstanden haben.“ Sie warteten unsere Reaktion ab. „Das glaube ich nicht.“, sagte ich und schaffte es nicht so ruhig zu bleiben wie Liam. Man hörte aus meiner stimme heraus, wie wütend ich war. „Warum nicht?“, sagte Constanze leicht gereizt, „ich denke wir sind beide sehr vertrauenswürdige Peronen.“ „Ha! So vertrauenswürdig, wie mir zu versprechen, dass nach diesem Turnier alles vorbei gewesen wäre? Das ich nicht lache!Ich habe sie gesehen, Mum! Du hättest ihn verkauft, ich hätte es gleich wissen müssen! Also warum, sag mir, warum sollte ich dir jetzt glauben?“ Ich war aufgesprungen und funkelte sie wütend an. Zu meinem Erstaunen wirkte sie tatsächlich ein wenig eingeschüchtert. „Das war nicht richtig von mir.“, sagte sie ganz leise. „Nein, das war es ganz und gar nicht! Du hast noch nie etwas Richtiges getan!“, schrie ich. Dann drehte ich mich um und verließ das Büro, wo ich im Gang an der Wand hinunterglitt und meinen Tränen freien Lauf ließ. Liam war mir gefolgt. Er zog mich wieder nach oben und sah mich an. „Hör bitte auf zu weinen.“, sagte er leise. Ich versuchte es und unterdrückte die Tränen um ihn klar sehen zu können. „Ich glaube...sie meinen es wirklich ernst. Ich habe meine Großmutter selten so deprimiert gesehen. Du kannst ihnen glauben.“ „Wirklich?“, schniefte ich. Er nickte. „Wirklich. Sie haben gerade noch gesagt, dass sie einfach nur erleichtert sind, dass wir zurück gekommen sind und dass sie uns in Ruhe lassen werden.“ Er lächelte. „Wir sind frei, Lila, wir sind frei.“ Ich starrte ihn an. Ich traute meiner Mutter nicht, aber auch Liam war ein Zweifler. Wenn er ihnen glaubte, dann konnte ich das auch. Ich erwiderte sein Lächeln. Die Tür ging auf und meine Mutter verließ den Raum. Ihr Blick ging in meine Richtung. Sie lächelte mir schwach zu. „Ich fände es schön, wenn du heute Nacht nach Hause kommst, Lilian-...Lila.“ Und ab da, glaubte auch ich ihr. Wenigstens ein bisschen. Ich nickte nur, womit sie sich zufrieden gab und verschwand. Irgendjemand kam ihr im Gang, der nach draußen führte, entgegen gerannt, wich ihr aus und... „Lila!“, rief er und rannte weiter. Max. Nein, nicht jetzt. Heute war schon zu viel passiert. Alles in mir zog sich zusammen und schrie nach Flucht. Liam ließ meine Hand los und starrte ihm verwirrt entgegen. Er kam auf mich zu und er streckte die Arme nach mir aus. Alles ging so schnell. Ich hätte mich gerne gewehrt. Ich hätte es gerne verhindert. Er nahm mein Gesicht in seine Hände und küsste mich.

Pferde fliegen. Ohne Flügel. Mit dem Wind.Место, где живут истории. Откройте их для себя