8 | Milena

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Favorite Nightmare - Blanks

Ist es komisch, dass ich mich so sehr auf Dean freue? Ich kenne diesen Jungen im Grunde nicht. Gestern Abend hat er versucht mich kennenzulernen, aber ich habe abgeblockt. Mir ist bewusst, dass früher oder später diese Fragen aufkommen, doch gestern war ich noch nicht bereit dafür. Vielleicht demnächst.
Heute will mir Dean die Stadt zeigen. Ich hoffe ein bisschen über ihn zu erfahren, uns anzufreunden und wer weiß, irgendwann bin ich dann auch bereit ihm alles anzuvertrauen.
Was Freundschaften angeht läuft es bisher ganz gut. Da gibt es Ethan aus dem Pflegeheim mit dem ich ab und zu plaudere, als Freundschaft würde ich das aber noch nicht bezeichnen, eher gute Bekannte. Dann wäre da noch River, die ich gestern kennen gelernt habe. Sie ist ein Jahr älter als ich und eine witzige Person. Die blaue Farbe ihrer Augen kann zuerst einschüchternd wirken, aber sobald sie lächelt, zieht sie einem in den Bann. River ist diese Art von Mensch mit der jeder befreundet sein will. Wenn alles so weiter läuft, dann kann ich sie hoffentlich bald als Freundin bezeichnen und nicht zu vergessen Dean. Er ist wirklich bemüht mich kennenzulernen. Bei jedem anderen wäre ich wahrscheinlich skeptisch, doch er hat eine beruhigende Ausstrahlung. Keine Ahnung was das mit ihm ist. Es ist so ein warmes Gefühl, aber ich kann es nicht richtig benennen. Als hätte man das Wort für dieses Gefühl noch nicht erfunden. Vielleicht komme ich heute dahinter.

Ein bisschen aufgeregt bin ich schon. Auch wenn ich mir nicht erklären kann warum. Es ist so merkwürdig. Alles was mit Dean zu tun hat, kann ich nicht zuordnen.
Ich weiß nicht einmal, wann er vorbeikommen wird. Er meinte nur, dass er mich abholt und mir vor der Arbeit die Stadt zeigen möchte. Wirklich blöd, dass wir keine Nummern ausgetauscht haben, aber das werde ich heute nachholen. Immerhin sind wir auch Kollegen. Von River könnte ich Deans Nummer bekommen. Aber das wäre bestimmt komisch. Nein, ich darf mir nicht so einen Kopf machen. Es ist schon verrückt genug, dass ich mir so viele Gedanken mache. Einfach cool bleiben Milena.

Als es an der Tür klingelt, beeile ich mich auf den Knopf zu drücken, der unten die Eingangstür öffnet und warte bis Dean die Treppe hinauf kommt.
“Hey“, begrüßt er mich mit einem breiten Grinsen. Als ich meinen Blick kurz über ihn schweifen lasse, erkenne ich, dass er eine einfache Jeans mit Boots und ein weißes Shirt mit einer Lederjacke trägt. Alles in allem sieht er sehr gut aus. Nur die Pflanze in seinem Arm irritiert mich etwas.
“Hi!“, begrüße ich ihn ebenfalls mit einem wahrhaftigen Lächeln, doch mit Skepsis in der Stimme.
“Ja, die hier ist für dich. Ich dachte da du neu eingezogen bist und so.“ Er reicht mir die Pflanze und wenn ich Ahnung davon hätte, könnte ich sie sogar benennen, doch da ist eine Lücke in meinem Wissen. Aber ich schätze diese Geste sehr. Allgemein ein Geschenk zu bekommen oder dass jemand daran denkt, dass ich umgezogen bin und jemand möchte, dass ich es schön in meinem neuen Zuhause habe. Dean kann sich wahrscheinlich gar nicht vorstellen, was das in mir auslöst. Ich bin überwältigt und glücklich und dennoch schwankt da ein bisschen Traurigkeit mit. Aber wir kennen uns noch nicht gut genug, als dass ich ihm das sagen würde.
“Danke! Das ist nett von dir, dann habe ich jetzt schon zwei“, antworte ich stattdessen lachend und nehme Dean die Pflanze ab. “Komm doch rein. Ich muss mich noch kurz umziehen.“ Da ich nicht wusste wann Dean mich abholt, habe ich meine bequemen Sachen an. Das heißt bei mir eine Leggings, T-Shirt und ein viel zu großer Cardigan.
“Jetzt muss ich nur noch einen Platz für dich finden“, erzähle ich der grünen Pflanze mit ihren breiten Blättern und schaue, wo sie am besten aussehen könnte. Ich habe noch reichlich Platz, doch das macht die Entscheidung nicht unbedingt leichter. Neben der Badezimmertür sieht sie aber richtig aus. Das ist der perfekte Platz! Nicht weit davon ist ein Fenster, also sollte sie auch genügend Licht bekommen. Ich hoffe, dass mir meine zwei grünen Mitbewohner nicht eingehen. Ich weiß leider nicht, ob ich ein Händchen dafür habe, doch das wird sich auch demnächst zeigen.
“Du kannst dich ruhig hinsetzen oder schaust dich weiter um oder kannst auch gerne in den Kühlschrank gucken, ob du was findest. Fühl dich einfach wie zu Hause.“ Aber Dean scheint an meinem Bücherreagl interessiert. Also muss er auch die Familienfotos entdeckt haben. Keine Ahnung wie ich darauf reagieren soll, wenn er mich danach fragt. Ich weiß immer noch nicht, wie ich damit umgehen soll, da ich in gewisser Weise immer noch trauere und auch nicht sicher bin, ob ich darüber reden soll oder möchte. In meinen Pflegefamilien wusste man bescheid, was passiert ist. Manchmal hat man mich danach gefragt, doch ich habe nie jemanden erzählt, wie es sich angefühlt hat. Wie es sich noch immer anfühlt. Vielleicht werde ich auch nie darüber reden und ganz allein meinen Frieden damit machen.

MoonkissWhere stories live. Discover now