15 | Dean

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Always Watching You - Peter Cincotti

Drei verdammte Tage und ich habe kein Wort von ihr gehört. Natürlich hat mich das nicht davon abgehalten, ihr hinterher zu spionieren. Im Restaurant hat sie sich Krank gemeldet. Dad weiß, dass das nicht stimmt, aber es ist okay. Wenn es jemand verstehen kann, dann er. Damals bei meiner Mom hat er ähnlich reagiert. Aber auch seine aufmunternden Worte haben wenig gebracht. Ebenso wenig wie die von Luke, Dakota oder sonst jemanden aus dem Rudel.
Die ganze Zeit über ist sie in ihrer Wohnung und läuft nervös durch die Zimmer. Nur einmal am Tag verlässt sie ihre vier Wände, um ihre Großmutter im Pflegeheim zu besuchen.
Meine Laune hängt seit Tagen im Keller und das nicht nur, weil ich Milena nicht gesehen habe, sondern auch, weil ich ihre Gefühle nun verstärkt mitbekomme. Sie kommen ungefiltert bei mir an, weil sie es noch nicht kontrollieren kann. Der Kuss scheint einiges verändert zu haben. Alle Gefühle sind jetzt noch intensiver und mein Verlangen nach ihr noch stärker. Es kostet mich einiges an Kraft, nicht ihre Tür einzutreten und sie mir zu schnappen. So wie es eigentlich sein sollte. Aber ich möchte ihr die Zeit geben, die sie braucht, um alles verarbeiten zu können.
Manchmal bin ich selbst von meinen Gedanken überrascht. Bin ich wirklich so ein Arschloch? Ich weiß, dass die Gefährtenverbindung ganz schön mit den Gedanken und Gefühlen der Betroffenen spielen kann. Am Ende zählen eben die Taten und nicht die Gedanken. So lange ich mir das einrede und Verstand gegen Verlangen eintausche, sollte alles funktionieren.
In der Zwischenzeit habe ich mich freiwillig gemeldet Baumstämme aus dem Wald zu schleppen, um wenigstens etwas Ablenkung zu bekommen, doch das gelingt nur mäßig. All meine Gedanken kreisen um sie und der Wolf in mir würde das am liebsten auch in persona tun.
Immerhin hat sie entgegen all meiner Erwartungen auf die Situation reagiert. Milena ist weder umgekippt noch schreiend davon gerannt. Stattdessen hat sie gar nicht reagiert, was in der Tat um einiges schlimmer ist. Zuerst hat sie es ganz gut aufgenommen, doch das war offensichtlich nur der Schock. Sie ist auf mich, den Wolf, zugegangen und war bereit mich zu berühren. Doch als sie gesehen hat, wie ich mich vor ihren Augen verwandelt habe, hat sie dicht gemacht. Keine Reaktion mehr. Auch nicht als wir wieder den langen Weg den Berg nach unten gelaufen sind. Sie hat sich ins Auto gesetzt, stumm aus dem Fenster geguckt und ist dann ohne ein weiteres Wort in ihrer Wohnung verschwunden. Auf Anrufe und Nachrichten reagiert sie auch nicht. Selbst River antwortet sie nicht.
Ich weiß, dass ich Geduld haben muss, aber ich bin kurz davor durchzudrehen.
Ein Vorteil hat mein Zustand tatsächlich. Den Pavillon, den sich Melissa für die Zeremonie gewünscht hat, habe ich fast im Alleingang gebaut.

Im Rudel war die vergangenen Tage viel los, doch davon habe ich nur nebenbei was mitbekommen. Ich versuche mich mit allen möglichen Arbeiten abzulenken, um nicht doch noch zu ihr zu fahren.
Nikan ist aufgetaucht und hat für ganz schön viel Wirbel am Anfang gesorgt, doch in letzter Zeit war er verdächtig ruhig.
Mom hatte Probleme beim nähen des Kleides für Melissa.
Ahyoka kotzt sich seit Tagen die Seele aus dem Leib. Da ist definitiv etwas unterwegs.
Und zu guter Letzt gab es Platzmangel, was die Übernachtungsmöglichkeiten angeht.
Viel zu tun und ich müsste eigentlich mit anpacken, doch ich bin zu abgelenkt, also versuche ich mich anderweitig nützlich zu machen.

"Wenn du weiterhin so guckst, musst du aufpassen, dass dein Gesicht nicht so bleibt."
Als ich meinen Blick hebe, schaue ich in Rivers grinsendes Gesicht und lasse den Baumstamm vor ihren Füßen fallen.
"Sie wird sich schon melden", versucht sie mich zu beruhigen.
"Das weißt du nicht", antworte ich pampig und wische mir mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn.
"Hallo? Was soll sie sonst machen? Ihre Sachen packen und aus der Stadt verschwinden? Wohl kaum! Ihre Grandma wohnt hier und sonst hat sie doch niemanden. Allein deswegen wird sie schon bleiben, weil sie spürt, dass ihr füreinander bestimmt seid. Du bist ihre Hoffnung und ihr Glück. Sie wird sich nicht von dir abwenden. Alles, was sie braucht ist Zeit, um den Schock zu verdauen. Wie würdest du denn reagieren, wenn man dir die Welt komplett neu erklärt?", gibt sie zu bedenken und stämmt wissend ihre Fäuste in die Seiten.
Sie hat schon Recht. In meinem Kopf mache ich eine viel zu große Sache daraus. Meine Sorgen sind unbegründet. Milena wird mich nicht verlassen, das kann sie gar nicht. Daran hindert sie unsere Verbindung und ihre Gefühle.

Gerade als ich etwas erwidern möchte, erregt ein Geräusch meine Aufmerksamkeit. River ist ebenso verstummt und lauscht dem fremden Motorenklang, der sich den schlammigen Weg hinauf quält. Ohne weiter darüber nachzudenken renne ich los, dicht gefolgt von River. Doch sich jetzt zu verwandeln, um schneller vor Ort zu sein, wäre unklug. Wir wissen nicht, wer da zu uns kommt.
Einer der Gäste, der wegen der Zeremonie vorbeischaut kann es nicht sein. Wir kündigen uns immer vorher an, bevor wir ein fremdes Territorium betreten. Für heute hat sich niemand angemeldet.
Als River und ich auf der Siedlung auftauchen, stehen dort bereits meine Mutter und Luke. Normalerweise ist hier viel los, doch im Augenblick ist keine Menschenseele da. Mum muss alle in ihre Häuser geschickt haben. Auf Fremde reagieren wir nicht so gut. Besonders, wenn sie unangekündigt vorbeischauen. Deswegen wohnen wir ja abseits der Stadt.
"River, geh rein ins Haus", befiehlt Luke und schaut die junge Frau streng an.
"Was ist hier los?", möchte ich wissen und schaue Mum fragend an.
"Es ist der Sheriff oder zumindest ihr Auto", antwortet sie knapp und schaut weiter gerade aus. Ich höre noch einmal genau hin, um zu erkennen, dass es noch eine Minute dauern wird bis das Auto die Siedlung erreicht. Also stelle ich mich hinter Mom und Luke, um gemeinsam mit ihnen unseren Gast in Empfang zu nehmen.

Als der mit Schlamm übersehte Pick Up zum stehen kommt, dauert es nicht lange und eine große blonde Frau in Uniform springt heraus.
"Sheriff Green, was können wir für Sie tun?", fragt Mum mit freundlicher Mine und tritt auf die Frau zu. Luke und ich bleiben im Hintergrund.
"Guten Tag, Mrs. Redbone. Es gibt keine Probleme, falls Sie das jetzt denken", versichert die große Frau und lächelt meine Mutter warm an. Wir hatten eigentlich auch nie Ärger mit der Polizei. Sie lassen uns in Ruhe hier oben und grüßen freundlich, wenn man sich in der Stadt über den Weg läuft. Aber es ist schon ungewöhnlich, dass sie hier oben vorbeischaut. Dass sie alleine kommt, zeigt jedoch, dass keine Gefahr besteht. Trotzdem ist meine Mutter angespannt. Sie ist der Alpha und möchte nur ihr Rudel beschützen. Jeder, der nicht zur Familie gehört ist eine potenzielle Bedrohung.
"Was verschafft uns dann den unerwarteten Besuch?", möchte sie wissen und streift sich eine ihrer rotbraunen Haarsträhnen aus dem Gesicht.
"In der Stadt wurden zunehmend fremde Personen gesehen, die alle hier rauf zu Ihnen gefahren sind. Ich wollte nur nachsehen, ob alles in Ordnung ist", erklärt Sheriff Green und schaut sich alle Häuser genau an.
"Oh ja, das sind unsere Verwandten und Freunde. Wir feiern bald eine Hochzeit." Mum deutet auf das Festzelt und die große Frau nickt zufrieden.
Nachdem Mum und der Sheriff noch ein paar Worte miteinander gewechselt haben, ist sie auch schon wieder in ihrem Dienstwagen verschwunden und die Anspannung gleich mit ihr.
Besuche wie dieser kommen selten vor, doch sie sind jedes Mal eine ziemliche Nervensache. Entdeckt zu werden wäre das schlimmste, was uns passieren könnte. Dann wäre es aus mit der Freiheit.

MoonkissWhere stories live. Discover now