16 | Milena

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Where's My Love - SYML

Wirklich jede Möglichkeit habe ich in meinem Kopf durchgespielt. Ich habe an mir gezweifelt und wollte es einfach nicht glauben, aber da war immer diese kleine Stimme in meinem Hinterkopf, die immer lauter geworden ist, bis ich sie nicht mehr überhören konnte. Es ist tatsächlich wahr. Werwölfe existieren und in einer schrägen Weise bin ich mit einem verbunden. Ich verstehe nicht wie und das Internet war auch keine große Hilfe.
Den ersten Tag habe ich damit verbracht die Tatsache zu verdrängen. Was ich im Wald gesehen habe, wollte ich einfach nicht akzeptieren, obwohl es sich direkt vor meinen Augen abgespielt hat. Ich war der Meinung, dass so etwas einfach nicht real sein kann. Werwölfe, die ich sonst nur aus Büchern und Filmen kenne. Diese Wesen kommen in kitschigen oder gruseligen Geschichten vor, aber nicht im realen Leben.
Am zweiten Tag habe ich mich auf merkwürdigen Foren herum getrieben, um Antworten zu finden. Aber wirklich geholfen hat das nicht. Ich habe langsam begonnen zu realisieren, dass Dean kein Mensch ist oder zumindest nicht nur ein Mensch.
Heute, am dritten Tag, habe ich akzeptiert, dass es Lebewesen gibt, die im Verborgenen leben. Ich habe angefangen über Deans Worte nachzudenken. Was er gesagt hat über unsere Verbundenheit und dass wir Gefährten sind. Diese Tatsache habe ich erstaunlich gut aufgenommen. Es macht Sinn, endlich. Denn die Gefühle, die ich empfinde, wenn Dean mich berührt, gehen weit über mein Verständnis hinaus. Kein Wunder, dass etwas so vollkommen Irres die Erklärung dafür ist. Ich kann es zwar noch nicht ganz zuordnen, aber ich weiß, dass Dean mir sehr viel bedeutet, obwohl ich ihn noch nicht lange kenne. Trotzdem habe ich das Gefühl ihm bedingungslos vertrauen zu können. Ich kann es nicht beschreiben, wahrscheinlich liegt es an dieser Verbindung, aber ich vermisse ihn. Mein Körper sehnt sich nach seinen Berührungen. Besonders nach seinen Küssen, jetzt wo ich weiß, wie magisch sich unser erster angefühlt hat. Es ist fast quälend, nicht in seiner Nähe zu sein und das macht mir Angst. Heißt es, das wird jetzt immer so sein? Diese intensiven Gefühle und der Schmerz?
Ich habe so viele Fragen und nur einer kann mir die beantworten. Am liebsten wäre ich sofort zu Dean gerannt, doch ich weiß nicht wo er wohnt. Irgendwo im Wald auf dem Berg. Doch als wir dort wandern waren, habe ich kein einziges Haus gesehen. Er lebt doch in einem Haus? Es macht zumindest den Anschein, dass er in einem Haus lebt. Ich muss wohl in das Restaurant fahren und seinen Vater fragen. Aber gerade als ich mir anständige Klamotten raus suchen möchte, klingelt es an der Tür. Ein warmes Gefühl breitet sich in meinem Körper aus und ich eile zur Tür. Als ich sie aufreiße steht ein abgehetzter Dean vor mir. Unter seinen Augen kann ich tiefe Schatten entdecken und seine dunkelbraunen Haare liegen völlig zerzaust auf seinem Kopf.
“Was- Ich wollte gerade zu dir“, bringe ich überrumpelt hervor und kann ihn nur anstarren.
“Ich weiß. Kann ich rein kommen?“, fragt er, doch verschafft sich schon selbst Zutritt. Er hängt seine Lederjacke über den Stuhl in der Küche und schaut mich dann einfach nur an. Ich tue es ihm gleich und betrachte ihn genau. Als würde ich ihn heute zum ersten Mal sehen. Er trägt eine dunkle Jeans und ein dunkelgrünes enges T-Shirt, was seine Muskeln deutlich hervorbringt. Muskeln, die ich vor ein paar Tagen zu Gesicht bekommen habe, als er sich vor meinen Augen ausgezogen hat. Eine merkwürdige Situation war das. Aber hat er in den vergangenen Tagen mehr davon bekommen? Seine Arme sehen definierter aus. Doch ich schaffe es mich aus meiner Starre zu reißen und frage: “Du wusstest, dass ich zu dir wollte?“
“Ja, diese Verbindungs-Sache“, bemerkt er knapp und tritt einige Schritte auf mich zu. Seine Hände legt er auf meinen Schultern ab und ich kann nichts anderes tun, als ihn fasziniert zu beobachten.
Klar, diese Verbindungs-Sache. Wie konnte ich das nur vergessen?
Deans Blick liegt aufmerksam auf mir. Seine dunklen Augen schauen direkt in meine und ich habe erneut das Gefühl in Flammen aufzugehen.
“Darf ich?“, fragt er und hebt seine Hand an meine Wange. Als Antwort lege ich meine über seine und schließe genießerisch die Augen. Es wäre verrückt die Wahrheit nicht anzuerkennen. Dass sich eine einfache Berührung so unbeschreiblich anfühlt, kann nicht mit den Dingen erklärt werden, die in meinem Wissenshorizont existieren.
Als ich seinen Atem vor meinen Lippen spüren kann, öffne ich meine Augen wieder und sehe Dean mit geschlossenen Liedern nur Millimeter von mir entfernt. Ohne weiter darüber nachzudenken, weil es sich in Moment so verdammt richtig anfühlt, schließe ich die Lücke zwischen uns und spüre seine Lippen auf meinen. Augenblicklich wandert seine Hand von meiner Wange in meinem Nacken und ich seufze erleichtert auf. Diese Sehnsucht, die ich die vergangenen drei Tage empfunden habe und versucht habe zu ignorieren, ist verschwunden und an Stelle davon spüre ich nun pures Verlangen. Meine Hände wandern ganz automatisch an Deans Hinterkopf und in seine Haare. Unsere Lippen bewegen sich stürmisch gegeneinander und ich habe das Gefühl zu ertrinken. Wer braucht schon Luft zum atmen, wenn er Liebe zum Leben haben kann?
Ich spüre meine Lust und Deans Verlangen. Es macht mich verrückt so viel auf einmal zu empfinden.
Unter schwerem Atem entzieht sich Dean mir und legt seine beiden Hände wieder auf meinen erhitzten Wangen ab. Es kränkt mich, dass er den Kuss unterbricht, doch bringt mich vollkommen durcheinander, als sein Daumen meine geschwollenen Lippen streift.
“Ich bin so froh, dass du mich wieder bei dir haben möchtest“, haucht er gegen meine Lippen und verteilt anschließend liebkosende Küsse auf meinen Mundwinkeln.
“Ich wollte dich die ganze Zeit bei mir haben, irgendwie. Aber ich musste erstmal verdauen, dass du ein Werwolf bist.“
“Wandler“, berichtigt er mich sofort und küsst meine Nasenspitze.
“Genau, was das angeht. Ich habe so viele Fragen!“, teile ich ihm mit und lehne mich ein Stück zurück, um ihm ganz ins Gesicht schauen zu können. Er trägt ein sanftes Lächeln und sieht nun auch nicht mehr so erschöpft aus.
“Alles was du willst, aber unter einer Bedienung“, verlangt er und schaut mich belustigt an, als ich meine Augenbrauen erstaunt in die Höhe ziehe. “Ich möchte ein Date.“
Okay, damit kann ich leben.
“Einverstanden“, antworte ich und ziehe ihn für einen weiteren Kuss zu mir. Davon werde ich nie genug bekommen.
“Also, was hast du für Fragen?“, möchte er wissen und ich ziehe ihn an der Hand mit mir auf die Couch. Zu erst sitzen wir uns schräg gegenüber, doch das scheint Dean nicht genug, denn seine Hand wandert unter meine Kniekehle und er platziert meine Beine auf seinem Schoß. Während seine eine Hand auf meinem Oberschenkel ruht, spielt er mit der anderen an meinen Fingern.
“Sind in deiner Familie alles so?“, stelle ich meine erste Frage und betrachte fasziniert das Spiel unserer Finger. Wie seine rauen Hände gleichzeitig so sanft sind.
“Nein, mein Dad zum Beispiel ist wie du, zu hundert Prozent ein Mensch. Es ist nicht ungewöhnlich, dass wir unsere Gefährten in einem Menschen finden. Es kommt sogar ziemlich häufig vor. In unserem Rudel sind viele Menschen“, erklärt er ruhig und der Klang seiner Stimme ist wie Musik in meinen Ohren.
“Rudel?“, frage ich nach, da ich nicht gedacht hätte, dass sie auch so etwas besitzen oder dass es genauso benannt wird.
“Ja, meine Familie. Nicht alle in unserem Rudel sind miteinander verwandt, aber sie sind Familie. Es spielt keine Rolle, ob wir vom gleichen Blut sind. Das ist eher so ein Gefühl. Ein Rudel besitzt eine strenge Hierarchie. Es gibt einen Alpha, meine Mum und einen Beta, mein Bruder Luke. In diese Position wird man nicht gewählt. Es ist eine Art Empfindung, wer der Stärkste ist. Jeder hat seine Aufgaben zu erledigen, für das Wohl aller. Ich zum Beispiel bin in der Wächter Ausbildung. Das heißt, ich lerne unsere Grenzen zu bewachen und unser Rudel zu beschützen“, erklärt er und ich schaue ihn fasziniert an. Da existiert eine vollkommen andere Welt parallel zu meiner und keiner bekommt etwas mit.
“Und wie wird man ein Wandler?“, frage ich weiter nach, um meine Wissenslücken aufzufüllen.
“Man kann nicht irgendwie dazu gemacht werden. Das ist eigentlich nur eine Sache mit Genen und Sex. Also entweder man wird so geboren oder nicht, aber für gewöhnlich setzt sich der Wolf immer durch. Unsere Kinder werden demnach alle so wie ich sein“, antwortet er und grinst mich breit an. Doch mich überfordert das alles. Er redet jetzt schon von Kindern. In der Mehrzahl! “Keine Angst, wir haben noch Zeit“, beruhigt er mich und küsst beruhigend meine Wange.
“Was hat das mit dieser Verbindung auf sich?“, frage ich, um vom Thema abzulenken. Ich habe mir noch nie Gedanken darüber gemacht eine Familie zu gründen. Bisher war ich immer mit anderen Dingen beschäftigt.
“Ja, also die Sache ist eigentlich ganz einfach. Bei uns hat jeder so etwas wie einen Gefährten, den man im Laufe des Lebens trifft. Für gewöhnlich passiert das zwischen dem sechzehnten und zweiunddreißigsten Lebensjahr. Wir haben also Glück, dass wir uns so früh gefunden haben. Uns verbindet ein unsichtbares Band. Du kannst vielleicht am ehesten was mit den Begriff Seelenverwandtschaft anfangen. Das Schicksal hat uns ausgewählt. Es war vorherbestimmt, dass wir aufeinander treffen. Diese Gefühle, die du empfindest sind normal, auch wenn es Anfangs ziemlich überfordernd für dich sein muss. Du bist es nicht gewohnt so viel und intensiv zu empfinden. Das liegt daran, dass du mich auch spüren kannst. Aber wir können das trainieren, dass du nur gefiltert und auch nur wenn du es zulässt, Zugriff auf mich hast. Für uns Wandler ist das normal. Wir können so teilweise im ganzen Rudel kommunizieren ohne Worte zu benutzen. Aber nur zwischen dir und mir ist es so extrem.“
Ich bin begeistert, überrascht und überfordert mit allem. Da sind noch so viele Fragen in meinem Kopf doch ich kann keine einzige formulieren.
“Keine Angst, wir haben alle Zeit der Welt, um alle Fragen klären zu können. Ich kann verstehen, dass das ziemlich viel für dich sein muss“, sagt Dean und lehnt seine Stirn an meine. Sofort entspannt sich jeder Muskel in meinem Körper und das wilde Durcheinander in meinem Kopf wird stiller. Ich genieße diese Verbindung, es ist etwas kostbares, doch es raubt mir auch ganz schön viel Kraft. Aber ich schätze, ich muss Dean da einfach vertrauen. Schließlich ist er hier der Experte in Sachen magischer Wesen.

MoonkissWhere stories live. Discover now