»It sounded so much better in my mind
I guess I messed it up again this time«

Talk Good - Grace VanderWaal

Kaum hat Herr Grimaldi mich beauftragt heute Aaron zu helfen, schon verschwindet er, weil er noch was klären muss. Genau in dem Moment, in dem die Tür ins Schloss fällt, verändert sich Aarons Ausruck deutlich. „Aha. Lucas also. Oder sollte ich dich Jonas nennen? Anscheinend bist du dir nicht ganz sicher wie du heißt. Gibts da noch was, was mich überraschen könnte? Du bist ja allerhöchstens 18, wenn überhaupt."

„Tut mir leid." Im Nachhinein erscheint es mir als eine sehr dumme Idee, ihn belogen zu haben.

„Mann, ich weiß echt nicht, was ich dazu sagen soll. Der Abend hat mir wirklich gefallen, aber irgendwie steht das jetzt in einem ganz anderen Licht." Aaron schüttelt den Kopf.

Ich habe es doch auch so gesehen. Da war etwas besonderes. Er hat mir aber auch nicht ganz die Wahrheit gesagt. „Du hast mir aber gesagt, dass du studiertst. Was machst du dann hier? Und wirklich, entschuldigung, dass ich dich angelogen habe... Immer wenn ich neuen Leuten begegne, habe ich das Gefühl sie können mich nicht leiden, auch wenn sie nichts machen. Ich bin gleichzeitig jemand, der niemanden nicht mag, so vom ersten Eindruck her. Ich warte dann ab und mag jemanden prinzipiell erstmal, bis man Dinge tut, die ich nicht so sympathisch finde. Die meisten Menschen interessieren mich nur nicht so großartig. Bei dir hingegen habe ich mich von anfang an gut gefühlt. Kein Plan warum." Zum ersten Mal. Aber das spreche ich nicht laut aus. „Nur gerade ist es nicht mehr so."

„Ich studiere tatsächlich. Germanistik. Und hier an der Schule arbeite ich. In Wien habe ich meine Tante besucht, so als Urlaub. Hier ist es echt stressig, aber meine Eltern verdienen beide nicht die Welt und ich kann ihnen finanziell nicht zur Last werden. Das will ich auch meinen Geschwistern nicht antun." Je mehr Zeit ich irgendwie mit Aaron verbringe, seien es auch nur wenige Sekunden, desto sicherer bin ich mir, dass er ein wirklich toller Mensch ist. „Hey, als wir feiern waren hast du nicht den Eindruck gemacht, als ob das so deine Welt wäre. Hat es einen Grund, dass du dann ausgerechnet in einem Schwulenclub warst? Hast du dich etwa deshalb weggeschlichen?"

Das Thema würde ich am liebsten umgehen, aber ich habe das Gefühl, ich kann ihm vertrauen. Nur über meine sexuelle Orientierung zu sprechen ist für mich Neuland. „Ich bin schwul. Ja. Das weiß hier so gut wie keiner und ich würde es begrüßen, wenn das so bleibt, klar?"

Aaron nickt. „Schon gut."

„Der Abend war übrigens cool. Und ich war ich selbst, mal abgesehen von dem flaschen Namen und dem falschen Alter. Oh, und der Schnappsidee, Drogen zu nehmen. Danke nochmal, dass du mich da raus geholt hast. Nur ich dachte ich sehe dich nie wieder und unter den Umständen wäre das eigentlich zu erwarten gewesen."

„Seh ich auch so." Er lächelt. „Da wir jetzt zusammen arbeiten und einiges an Zeit miteinander verbringen werden, können wir uns doch besser kennen lernen."

An diesem Punkt könnte ich natürlich die Chance nurtzen und die Initiative ergreifen. Irgendwie will ich mich ja mit ihm treffen. Aaron macht auf mich einen netten Eindruck und er hat so eine Ausstrahlung... ich kann es gar nicht so richtig beschreiben. Das ist mir schon aufgefallen, als ich ihm im Club in Wien beobachtet habe. Er ist schon ganz attraktiv, nicht unbedingt ein Model, eben hübsch auf seine eigene Art und Weise. Seine Augen haben eine Tiefe, die man selten so sieht und ich könnte mich darin verlieren. Doch das ist es nicht was ich meine. Da ist nich etwas. Am ehesten könnte man es mit einer Wärme vergleichen, die von ihm ausgeht.

Wie drücke ich jetzt am besten aus, dass ich mich mit ihm treffen will, ohne dass ich den Eindruck mache, ein Date zu wollen? Ich will ja kein Date nur alles was mir gerade durch den Kopf geht, klingt absolut so.

„Aaron, ich würde dich gerne auf einen Kaffee einladen. Dann könnten wir ein wenig quatschen in einer angenehmeren Atmosphäre. Du und ich, das könnte nett werden." Oh scheiße. Das habe ich jetzt nicht wirklich gesagt. So bin ich wirklich auf dem besten Wege, die einzige männliche Person, die weiß, dass ich schwul bin (und dazu noch meinem Männergeschmack entspricht), zu verschrecken. Er ist hetero, er geht doch niemls mit mir einen Kaffee trinken, weil sich das wie ein Date anhört. Wobei, er hat nicht gesagt, dass er nicht schwul ist in dem Club... seine Aussage zum „gescheiterten Expreiment" kann man auch anders deuten. Ich wollte ja auch nur mal wissen, wie es so ist und bin mir trotzdem sicher, dass ich sehr schwul bin. „Kein Date. Ganz bestimnt kein Date. Nur um es zu sagen. Ich meine wieso sollte es ein Date sein, das wäre ja absurd." Herrje, ich sollte wirklich den Mund halten.

Der Blick, mit dem Aaron mich anschaut ist schwer zu deuten. Irgendsoeine Mischung aus Belustigung, Verunsicherung und Schock.

„Ist ja auch egal", sage ich. Da habe ich es halt verkackt. Er ist einfach hetero und ich habe ihn zu viel von meiner Homosexualität spüren lassen. „Wir haben bestimmt noch einiges zu tun..."

„Hey, schau mich doch nicht so traurig an." Aarons Lächeln sorgt dafür, dass ich mich wieder ein wenig besser fühle. Ich kenne ihn praktisch gar nicht, wieso bin ich in seiner Gegenwart nur so komisch? Was macht er nur mit mir? Es wäre alles so viel leichter wenn ich nicht schwul wäre. Warum kann ich nicht einfach auf Mädchen stehen? Dann wäre ich bestimmt nicht single seit bald achtzehn Jahren, hätte nicht ständig das Gefühl ich müsste micht verstecken und vorallem würde ich mich nicht ständig fragen müssen, ob der Typ den ich jetzt attraktiv und interessant finde, meine Sexualität teilt. Natürlich muss ich mich nicht verstecken, aber mein Vater hat Erwartungen, meine Mitschüler haben Erwartungen, so gut wie jeder verdammte Menscht auf diesem Planeten erwartet irgendwas von mir. Allein in meinem Jahrgang wäre ich unten durch, wenn rauskommt, dass ich schwul bin und mein Vater hält nicht so viel von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, außerdem hat er mir oft genug deutlich gemacht, wie sehr er sich freut wenn ich eine Freundin habe und er es kaum erwarten kann mal Großvater zu werden. Danke dafür.

Aaron boxt mir sanft in den Arm und reißt mich aus meinen Gedanken. „Lucas, alles gut?"

Ich nicke.

„Irgendwie hatte ich grade das Gefühl, du wärst nicht ganz da gewesen. Na ja, wie auch immer, ich hätte jedenfalls nichts dagegen, mal was mit dir zu unternhemen. Wie gesat, der Abend in Wien war schön und ich hätte nichts dagegen, dein wahres Ich kennenzulernen und nicht Jonas..." Hat er das gerade wirklich gesagt, oder bin ich eingeschlafen und träume? „Ich würde mal vorschlagen, dass wir, wenn du denn Zeit hast, nach der Arbeit Pizza oder so holen und uns dann an den Main setzen. Nur jetzt sollten wir wirklich mal produktiv sein. Sonst dreht mein Vater noch durch..."

Oh mein Gott, wir treffen uns wirklich! So als Person die nicht so talentiert ist, was soziale Kontakte angeht, ist es für mich eh immer ein riesen Durchbruch, wenn ich eventuell neue Freunde mache, aber jetzt ist es Aaron. Ich muss ruhig bleiben. Für heute bin ich wirklich schon seltsam genug gewesen. „Nach der Arbeit passt perfekt. Ich freu' mich. Das hätten wir also geklärt. Dann mal ran an die Arbeit. Was müsen wir machen?"

Fehlkonstruktion [boyxboy]Where stories live. Discover now