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»Oh, all the battles that I've won
They don't matter now you're gone
Nothing matters now you're gone«

Now You're Gone - Tom Walker (feat. Zara Larsson)

Am nächsten Morgen muss ich wieder in die Schule. Na ja, müssen ist falsch. Keiner kann mir was vorschreiben. Ich möchte in die Schule und mein Abi machen.

Meine Motivation stellt sich ganz schnell als Fehltritt heraus, als alle mich anstarren und beginnen zu flüstern. Man hätte es ja ahnen können, dass sich ganz schnell herumspricht, wer ich bin, sobald die Wahrheit einmal rausgekommen ist.

Die einzige Person, die zu mir kommt ist Caro. „Hallo Lucas. Es tut mir so leid. Ich hätte nicht ahnen können, dass es so weit kommt und meine Freunde haben falsch reagiert. Wir können versuchen, es wieder grade zu biegen. Eigentlich sind sie echt nett."

„Morgen erstmal. Bitte fühl dich nicht Schuldig. Ich... ach, weißt du, es ist ja nicht so, dass das alles schon schwer genug ist. Mein Freud hat wegen der ganzen Sache mit mir Schluss gemacht, weil auch seine kleine Schwester von den Taten meines Vaters betroffen ist. Er hat es einfach nicht mehr verkraftet, an meinen Vater durch mich erinnert zu werden. Es war ja noch nie leicht, der schwule Sohn des Schulleiters zu sein, aber was dann noch alles passiert ist, hat es definitiv nicht besser gemacht."

Caro nickt. „Kann ich voll verstehen. Das ist extrem krass. Und keine Sorge, ich erzähl das mit deinem Freund keinen. Sie wissen eh schon genug. Diese Privatsphäre sollte ich dir auf jeden Fall lassen."

„Danke", sage ich und meine es auch so, als es klingelt und wir beide in den Unterricht müssen.

***
Ich habe es keine zwei Stunden in der Schule ausgehalten, bevor ich nach Hause gegangen bin. So viel besser ist es nicht, meine Gedanken kreisen immer noch um meinen Vater und Aaron, aber hier gibt es keine Menschen die mich komisch anschauen, nur Gegenstände, Möbel, Bilder und so, die förmlich den Namen meines Vaters in mein Gesicht schreien. Hier kann ich mir wenigsten glaubhaft versichern, dass mein Esstisch nichts gegen mich hat, auch wenn er mich verdammt nochmal an meinen Vater erinnert.

Ohne groß irgendwas zu tun, geschweige denn zu wissen was ich tue, verfliegt die Zeit nur so. Ich würde mich ja gerne zu etwas aufraffen, aber ich schaffe es einfach nicht. Was mich am Ende aus meiner geistigen Abwesenheit rettet, ist ein Blick auf die Uhr und die Erkenntnis, dass ich zur Fahrschule muss. Bei meiner ersten praktischen Fahrstunde zu spät kommen wäre nicht cool. Abgesehen davon fällt es definitiv auf und hinterlässt einen fetten Eindruck. Ich will gerade wenigstens in der Fahrschule keins von beidem.

Rasch packe ich meine Sachen und laufe zur Fahrschule, wo mein Fahrlehrer schon wartet. Na ja, zumindest steht das Auto bereit. Bisher kenne ich nur den Theorielehrer. Für die Praxis ist jemand anderes zuständig, da hoffe ich jetzt mal auf das Beste. Ein bisschen Optimismus zur Abwechslung ist ja auch mal was.

„Bist du Lucas?", werde ich gefragt, und zucke zusammen, als ich feststellen muss, dass jemand am Auto lehnt, aber genau in so einem Winkel, dass ich ihn bis jetzt nicht sehen konnte. Jammerschade, den hätte ich gerne schon länger betrachtet. Wenn das mein Fahrlehrer ist hab ich schon mal den Jackpot gezogen, zumindest ist er alles andere als unattraktiv.

Ich nicke. „Genau der bin ich. Hi."

„Hallo Lucas. Ich bin Enrico Rossi, dein Fahrlehrer, aber du kannst ruhig Rico sagen. Geht's dir gut? Du darfst dich gerne ins Auto setzen, dann können wir anfangen und ich erklär dir ein paar Sachen."

Ricos Ausstrahlung ist faszinierend, von so einem Typen lerne ich definitiv gerne Fahren, wenn ich mich überhaupt genug darauf konzentrieren kann... kann es sein, dass ich langsam weitermachen kann nach Aaron? Wobei ich glaube, dass ich Rico auch sehr ansprechend gefunden hätte zu Zeiten meiner Beziehung, es ist ja nicht verboten, jemanden attraktiv zu finden. Mir ist nur nach Aaron bis jetzt niemand mehr so wirklich über den Weg gelaufen. Ich hab halt meine Ansprüche. Wie es aussieht, hab ich wohl ein Faible für Italiener...

Wir quatschen kurz und dann beginnt Rico auch schon mit der Fahrstunde. „Also Lucas, bist du schon mal gefahren? Muss ja nicht auf der Straße gewesen sein. Ich verpetz dich auch nicht. Einige haben schon ihre Erfahrungen durch alles mögliche."

„Einmal, aber nicht so gut", sage ich und ich muss an den Abend denken, an dem Aaron mich sein Auto, Stevie, hat fahren lassen. Beim Gedanken daran huscht ein kleines, wenn auch melancholisches Lächeln über meine Lippen und kleine Schmetterlingsflügel kitzeln mich in meinem Bauch.

„Okay." Rico nickt."Ich geh mal davon aus, dass du dann weißt wo die Kupplung und das Gas sind uns so?"

Nachdem ich seine Frage bejaht habe, bespricht er mit mir nochmal ein paar Dinge und dann geht es auch schon los. Schalten muss ich erstmal noch nicht, aber da die Stunde ganz gut läuft, fange ich auch heute schon damit an. Ich könnte schwören, Ricos Hand berührt manchmal meine und ich bin selbst schockiert darüber, was das in mir auslöst.

Am Ende der Fahrstunde bin ich einfach nur froh, dass es rum ist. Ich weiß nicht, wie lange ich das noch ausgehalten hätte. Eigentlich soll ich mich ja auf die Straße konzentrieren, aber viel länger hätte ich das definitiv nicht geschafft. Was denke ich mir eigentlich gerade über meinen Fahrlehrer?! Wahrscheinlich ist er hetero und einfach ein cooler Typ, aber wenn das so weitergeht habe ich echt ein Problem. Irgendwo ist es ja ein Grund zur Freude, dass ich vielleicht langsam über Aaron hinweg komme, aber ich muss mich schleunigst in den Griff kriegen.

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