Fehlkonstruktion [boyxboy]

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»And if you're still breathing, you're the lucky ones.
'Cause most of us are heaving through corrupted lungs.
Setting fire to our insides for fun
Collecting names of the lovers that went wrong
The lovers that went wrong«

Youth - Daughter

Mein Wecker ist jetzt schon das dritte Mal im Snooze-Modus. Die Erfindung der Schlummern-Taste kam mir definitiv nicht zu gute. Vor allem in letzter Zeit ist es der Horror. Abends schlafe ich nicht ein, liege bis weiß Gott wann wach in meinem Bett und werde einfach nicht müde. Wenn ich dann irgendwann versuche einzuschlafen, dauert selbst das noch eine halbe Ewigkeit. Ich wache mitten in der Nacht auf, um dann wach zu liegen. Will ich dann Morgens aufstehen bin ich müde. Und bin ich dann mal wach, komme ich einfach nicht aus dem Bett. Alles in mir sträubt sich gegen das Aufstehen. Manchmal habe ich sogar das Gefühl, dass ich mich nicht bewegen kann.

Seit dem Tod meiner Mutter hat das alles angefangen, nachdem Aaron mich verlassen hat, wurde es schlimmer und die neue Schule und meine Mitschüler haben mir endgültig den Rest gegeben. Kein Wunder, dass ich nicht mehr aufstehen kann und auch keine Motivation dazu verspüre, wenn ich nur wieder dumm angemacht werde und diese ganzen Blicke mich durchbohren. Am Wochenende hab ich in letzter Zeit schon mal den einen oder anderen Tag im Bett verbracht, das war schön. Na ja, nicht nur am Wochenende. Anzufangen die Schule zu schwänzen, war keine gute Idee.

Das einzige, was mich im Moment irgendwie noch ein bisschen über Wasser hält, ist Rico. Leider sehe ich ihn nur während den Fahrstunden. Heute hab ich keine. Bald werd ich überhaupt keine Fahrstunden mehr haben, wenn ich Prüfung mache. Die Stunden sind zwar teuer, aber noch habe ich das Geld und ich will nicht, dass es aufhört. Ich bin kein Fan von Veränderungen und daran hab ich mich gerade gewöhnt. Natürlich könnte ich Rico auch schreiben und ihm nach einem Treffen außerhalb der Fahrstunden fragen, aber das fühlt sich falsch an, er ist mein Fahrlehrer. Wie dumm höre ich mich eigentlich an? Mit sowas habe ich ein Problem, aber ich schlafe mit ihm.

Während ich so auf der Suche nach meiner Fähigkeit bin aufzustehen, werde ich vom Klingeln des Telefons aus den Gedanken gerissen. Nicht mein Handy, sondern das Festnetz. Wer könnte nur was von mir wollen? Wäre wohl besser, wenn ich dran gehe. Und schwupps bin ich auch schon aufgestanden. Das aber nur, um gleich mit dem Telefon wieder unter meiner Bettdecke eingekuschelt zu sein.

„Hallo Lucas", meldet sich eine mir nur allzu bekannte Stimme und ich erstarre. Ein kalter schauer läuft mir über den Rücken und von einem Augenblick auf den anderen bekomme ich ein ganz mulmiges Gefühl im Magen.

„Harald", presse ich zwischen meinem geschlossenen Kiefer hervor.

Mein Vater lacht. „Lange nichts mehr von dir gehört, mein Sohn. Möchtest du nicht Wissen, wie es deinem alten Herren so ergeht?"

Das Verlangen einfach aufzulegen ist groß, doch ich reiße mich wirklich zusammen. „Du bist für mich nur noch auf dem Papier mein Vater, Harald. Es interessiert mich einen Scheiß, wie es dir geht. Du hast so viel kaputt gemacht, du verdienst es, im Gefängnis zu sein."

„Nicht mehr lange", sagt er und ich muss stutzen, „Mein Antrag auf Bewährung rauszukommen wegen guter Führung ist in Bearbeitung und wird wie es aussieht sehr bald auch angenommen."

„Soll ich mich darüber jetzt freuen?" Wenn er wieder frei ist, wo soll ich dann hin? Bestimmt will er in die Wohnung und dann kann ich nicht hier bleiben. Was anderes kann ich mir aber nicht leisten.

Harald lacht. „Ich tue es jedenfalls. Wäre für dich vielleicht auch eine Option."

Für meine psychische Gesundheit ist es alles andere als gut, dieses Telefonat jetzt weiterzuführen. „Das ist es nicht. Wenn es unbedingt sein muss, melde dich wenn du wirklich rauskommst. Ansonsten lass mich bitte einfach in Frieden. Ich will dich nicht mehr sehen, kapier das einfach."

Gerade als Harald noch ansetzt um etwas zu sagen, lege ich auf. Ehrlich gesagt, ist es mir auch so ziemlich egal, was er jetzt noch von mir will.

Ich nehme das Telefon und werfe es in die nächstbeste Ecke, danach kuschele ich mich unter meiner Decke ein. Eigentlich habe ich ja heute noch Schule, aber das kriege ich einfach nicht auf die Reihe gerade. Mit sowas sollte ich gar nicht erst Anfangen, aber mir fehlt die Motivation. Abgesehen davon wüsste ich auch nicht, wie ich den Schultag durchstehen könnte, ohne durchzudrehen.