10

23 4 2
                                    

»Sometimes the closest people to you make you feel protected
But those are the same people that hurt you most and leave you guessing«

Breathe - NF

„So, und davon lasse ich mir jetzt nicht den Tag verderben. Punkt. Ist mir völlig egal, was mit meinem Vater ist." Natürlich bin ich überrascht von dem, was Sophie da sagt, aber bei all dem, was mein Vater getan hat, würde er eine gerechte Strafe verdienen. Folgen für mich sind dabei nicht ausgeschlossen, aber ich werde bald achtzehn und kann zur Not zu meiner Mutter, also so schlimm wird es wohl nicht werden. „Außerdem finde ich es schön, dass wir hier zu viert zusammen sind gerade und noch fast eine Stunde zusammensitzen können. Das will ich werder euch noch mir kaputt machen."

Aaron legt seine Hand auf meine Schulter. „Lucas, es ist völlig okay, wenn du gehen willst. Wir nehmen es dir nicht übel."

„Wieso sollte ich gehen? Das ist das Problem meines Vaters, nicht meins." Dieser Mann hatte genug Kontrolle über mich und mein Leben. Das ist jetzt rum. Ich dachte mal er will nur das Beste für mich... eigentlich wollte er die ganze Zeit über das Beste für sich und für keinen sonst. Vor ein paar Tagen war ich noch enttäuscht von dieser Erkenntnis. Mittlerweile fühle ich gar nichts mehr, was das angeht.

„Bist du dir da wirklich so sicher?", sagt Alex und zeigt auf eine kleine, junge Polizistin, die in den Aufenthaltsraum kommt und geradewegs auf unseren Tisch zuläuft. Das Gesicht kenne ich doch. Sie ist die, die mit mir gesprochen hat, direkt nachdem mein Vater angezeigt wurde. Sie war damals echt nett und ist es bestimmt immer noch, aber wenn ich so an das denke, was ich von mir gegeben habe, würde ich am liebsten an Ort und Stelle im Boden versinken.

Hier angekommen nickt sie Aaron, dem sie ja durch die Ermittlungen auch schon begegnet sein muss, kurz zu und wendet sich dann an mich. „Hallo Lucas, Chiara Peralta mein Name. Wir beide haben uns ja schon einmal unterhalten, sicherlich erinnerst du dich an mich. Wie du weißt, sind die Ermittlungen gegen Herrn Ahrens in vollem Gange und... da ist etwas, das wir mit dir besprechen müssen. Allein. Darf ich dich für eine Weile entführen?"

Frau Peralta lächelt nach außen, doch ich spüre wie angspant sie tatsächlich ist. Was auch immer sie mir sagen will, es scheint ernst zu sein. Es ist wohl besser, wenn ich mitgehe. „Ja, äh... klar. Kein Problem"

Auf dem Weg dorthin, wo auch immer ich hingebracht werde, ist es unangenehm still und unser letztes Gespräch geht mir einfach nicht aus dem Kopf. Also tue ich etwas, das irgendwie schon dumm ist. „Frau Peralta? Sie hatten mich ja mal so Sachen über meinen Vater gefragt... Ich habe ein par Dinge gesagt, die ich so nicht nochmal unterschreiben würde. Die Anschuldigungen... ich... ich denke, nein, ich bin mir mittlerweile sicher, dass er schuldig ist."

„Hat er dir irgendwas getan? Ist alles okay?"

So war das jetzt auch wieder nicht gemeint. „Nein. Das nicht. Wir hatten nur Streit, aber das ist egal. Ich weiß von wem die Anschuldigungen kommen und denke, dass sie nicht lügen würde. Beweisen kann ich's nicht, aber..."

„Schon gut, Lucas", sagt Frau Peralta, „Belaste dich nicht damit. Ich nehme deine Aussage zur Kenntnis und das wars fürs erste. Es gibt da ein paar andere Dinge um die wir uns jetzt eher kümmern sollten. Komm, wir sind da und werden bereits erwartet."

Wir stehen vor Frau Bachs Büro. Als wir reingehen, werde ich zu meiner Überraschung nicht nur von ihr begrüßt, sondern auch von Frau Müller, meiner Tutorin. Was auch immer man mir sagen will, es scheint wirklich was ernstes zu sein. Vor allem scheint es in eine ganz andere Richtung zu gehen, als ich dachte. Okay, so wirklich was erwartet habe ich jetzt nicht, aber hier von meinen Lehrern begrüßt zu werden, ist dann doch seltsam.

„Hi. Was ist denn los? Hab ich was gemacht, von dem ich nichts weiß? Um was auch immer es geht, können wir es schnell hinter uns bringen?" Auf ein langes dramatisches Gespräch habe ich wirklich keine Lust. Eigentlich gab es in meinem Leben jetzt schon genug Drama für eine ganz Weile. Wie es aussieht kommt nun aber noch eine Schippe darauf. ganz toll.

Frau Bach seufzt. „Na gut, dann rede ich da auch nicht groß um den heißen Brei. Lucas, wir haben herausgefunden, dass Ihr Vater Ihre Noten beeinflusst hat zu Ihren Gunsten. Ich kann dieses Vergehen leider nicht folgenlos lassen."

Ich hab mich ehrlich gesagt schon immer wieder gefragt, warum meine Noten eigentlich so gut sind, aber das hätte ich echt nicht erwartet. „Ich... ich wusste nichts davon. Wirklich nicht."

„Das will ich Ihnen doch auch nicht vorwerfen. Leider kann Sie das nicht vor den Folgen bewahren. Ihr Vater hat Mist gebaut und Sie müssen die Folgen ausbaden... wir können Ihnen die Leistungen nicht fürs Abi anerkennen. Wir können gerne darüber sprechen, wie..."

„Stopp." Mir wird nach und nach die Bedeutung ihrer Worte bewusst. Die letzten zwei Jahre Schule waren also im Prinzip umsonst. Ich kann nicht studieren, habe mich sinnlos mit manchen meiner unmöglichen Mitschüler abgeben müssen. Sicherlich hätte ich das Abi auch ohne meinen Vater geschafft. Dumm bin ich ja nicht. Nur halt nicht so gut, aber das wäre doch egal gewesen. Warum hat er das getan? Kontrolle? Hat ihm das was er hatte nicht schon gereicht? Die Schule ist das einzige, was mein Leben noch irgendwie zusammengehalten hat... feste Strukturen, ich weiß, was ich wann zu tun habe, man weiß was kommt, eben eine Routine, die wirklich gut tut, wenn überall sonst nichts ist, an dem man sich festhalten kann. Natürlich habe ich auch noch Aaron, Sophie und Alex, aber sie sind zu sehr in die Sache mit meinem Vater verwickelt und die Schule habe ich für eine feste Konstante gehalten, was Menschen niemals sein werden. Menschen sind willkürlicher als eine staatliche Institution. Dachte ich. So leicht kann man sich täuschen. Wie ich in letzter Zeit merke, habe ich mich ja in vielem getäuscht.

Fehlkonstruktion [boyxboy]Where stories live. Discover now