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»She is gone, but she used to be mine«

She Used to be Mine - Waitress

„Guten Tag", flüstert Aaron mit ins Ohr, als ich wach werde und mich strecke, „Du siehst niedlich aus, wenn du schläfst. So entspannt."

Ich drehe mich zu ihm und lege einen Arm um seine Schulter. „Irgendwann muss ich ja mal zur Ruhe kommen. Die ganze Zeit laufen die Ermittlungen gegen meinen Vater auf Hochtouren, seit sich noch mehr gemeldet haben, die mein Vater belästigt haben soll."

Wenn ich so daran denke, fällt es mir schwer zu glauben, dass das jetzt schon fast vier Monate so geht. Mittlerweile ist März, Sophie und Alex haben diesen Monat die ersten Prüfungen fürs Abi. Es ist so viel passiert und gleichzeitig doch so wenig. In der vergangenen Zeit haben sich noch mehr Schülerinnen gemeldet, denen mein Vater eindeutig zu nahe gekommen ist. Harald streitet das natürlich ab und sein Antwalt schafft es, den Prozess um Ewigkeiten hinauszuschieben. So langsam geht mir das echt auf den Keks, vor allem weil er sich mittlerweile auch zu Hause gar keine Mühe gibt, mal kein Arschloch zu sein. Auch immer eine Freude ist es, wenn er anfangt sich über Jessica zu reden und sich aufregt, dass bald sein Baby kommt und sie nicht hier ist. Also unschuldig ist Harald an diesem Umstand auf jeden Fall nicht.

„Was willst du eigentlich essen? Meine Mutter macht gleich für die Zwillinge Nudeln, wär das okay?"

„Nudeln zum Frühstück?"

Aaron muss lachen. „Wir haben fast zwei, mein Lieber. Du hast den halben Tag verschlafen."

Zwei?! Ach herrje. „Verdammt, warum hast du mich nicht geweckt?"

„Lucas, du hast den Schlaf gebraucht und ich hab es nicht übers Herz gebracht, dich zu wecken. Einen schlafenden Lucas hätte ich mir noch stundenlang ansehen können." Eins zu null für Aaron. Er hat recht. In letzter Zeit schlafe ich viel zu wenig, es fällt mir aber auch schwer einzuschlafen. Da sind so viele Gedanken in meinem Kopf die ich jeden Abend erstmal aufs neue sortieren muss.

Eine Sache nervt mich extrem an der Sache, auch wenn es durchaus richtig von Aaron war, mich mal ausschlafen zu lassen. „Das ist irgendwie süß und gruselig zugleich, dass du mich niedlich findest, wenn ich schlafe, aber jetzt hab ich nicht bei meiner Mutter angerufen. Du weißt doch, dass ich das jeden morgen mache. Es ist mir wichtig."

Aaron entschuldigt sich bei mir, dabei wäre das gar nicht nötig gewesen. Wirklich übel nehmen tue ich es überhaupt nicht und ehrlich gesagt könnte ich es auch gar nicht. Ich fühle mich nur total schlecht, weil ich mich nicht bei Mama gemeldet habe. Die ganze Sache mit meinem Vater nimmt sie auch total mit und ich mache mir halt Sorgen.

„Ruf sie doch jetzt an", sagr Aaron als ob er meine Gedanken lesen könnte und streichekt über meine Schulter.

Ich will eigentlich ihre Routine nicht unterbrechen, aber wenn ich mit meiner Mutter sprechen will heute, bleibt mir nichts anderes übrig. Für das Telefonat verschwindet Aaron und macht mir unten in der Küche einen Kaffee. Kaum später stehe ich neben ihm und beobachte wie die dunkle Flüssigkeit in die Kanne läuft, weil meine Mutter nicht zu erreichen ist.

Mein Freund schaut mich verwundert an. „So schnell?"

„Sie ist nicht rangegangen. Irgendwie mache ich mir Sorgen." Am besten wäre es gewesen wenn ich sie einfach heute Morgen gesprochen hätte. Mann, es kann alles mit ihr passiert sein. Wahrscheinlich ist sie nur einkaufen oder so, aber was wenn nicht?

***
Die nächsten Tage probiere ich es immer wieder morgens aufs neue bei meiner Mutter, doch sie geht nicht dran. Am dritten Tag rufe ich bei ihrer Nachbarin an. Irgendwas muss passiert sein. Natürlich weiß sie nichts, aber sie wird mal heute nach meiner Mutter schauen.

„Man kann ja gar nicht mit ansehen, wie du dir hier den Kopf zerbrichst. Lass uns gleich auf die Zeil gehen, ein wenig shoppen und uns Milchshakes bei Five Guys gönnen, so zur Ablenkung", sagt Sophie, als wir zusammen Mathe absitzen. Ich müsste eigentlich nicht hier sein, aber was soll ich sonst groß machen? Ist jedenfalls besser als den ganzen Tag bei meinem Vater zu sein.

„Können wir gerne machen." Das ist mir tausendmal lieber als ein Häufchen Elend in meinem Zimmer zu sein. Was besseres hab ich außerdem nicht zu tun.

Sophie, wie sie halt so drauf ist, sobald es ums Shoppen geht, beginnt schon zu planen wie viel Zeit wir in welchen Laden verbringen und was wir danach noch alles machen können. Mathe ist für sie dann wohl gelaufen.

Ausgerüstet mit Sophies „Lucas-Ablenkungs-Shopping-Plan" fahren wir nach dem erlösenden Klingeln in die Innenstadt. Bei ihrem striketen Zeitmanagement hab ich nicht die geringste Chance mir großartig Sorgen zu machen.  Im fünften Laden fange ich an mich zu fragen warum ich mich noch gleich auf eine Shopping-Tour mit meiner besten Freundin eingelassen habe. Während einer kurzen Verschnaufpause für mich, in der Sophie in einer Umkleidekabine verschwindet um einen Stapel Blusen anzuprobieren, klingelt mein Handy. Es ist die Nachbarin meiner Mutter. Fuck. Das hat nichts Gutes zu heißen. „Hi, hier ist Lucas."

„Hallo Lucas. Ich bin's, Anja." Sie klingt nicht gut. „Es geht um deine Mutter. Sitzt du gerade?"

„Ja." Es schein wirklich ernst zu sein. Sehr ernst.

Durch den Lautsprecher an meinem Ohr höre ich Anjas schweren Atem. „Ich weiß nicht, ob ich die richtige Person bin, dir das zu sagen, aber mich kennst du wenigstens, also... naja, tut mir leid, dass es am Telefon ist... ich... das kann man nicht schön reden, ich sag's einfach direkt. Es tut mir so, so leid. Deine Mutter ist tot. Sie... sie hat sich das Leben genommen. Ich wollte nach deinem Anruf nach ihr sehen, jede Hilfe war da schon zu spät. Oh Gott, Lucas, ich wünschte ich hätte was tun können. Du bist immer bei mir willkommen, wenn du also was brauchst, du weißt, wo du mich findest."

„Danke", sage ich kalt und starre auf den Vorhang der Kabine in der Sophie verschwunden ist. Anja sagt nochmal irgendwas, doch ich höre ihr nicht mehr zu. Geistesabwesend verabschiede ich mich und lege auf. Erst als Sophie hinter dem Vorhang hervorkommt, um mir eins ihrer Outfits zu präsentieren, merke ich, dass ich mein Handy immer noch an min Ohr presse. Sofort als Sophie mich ansieht, merkt sie, dass etwas nicht stimmt und fragt mich, was los ist.

„Oh Gott", sagt sie, nachdem ich ihr erzählt habe, was passiert ist. „Ich ruf ein Taxi, zieh mich um und dann fahren wir dich zu Aaron, du brauchst jetzt deinen Freund."

Fehlkonstruktion [boyxboy]Tahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon