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Jeff seufzte. So betrunken wie er war, war es kein Wunder, dass er eingeschlafen war und von Ben träumte. Es hatte sich fast wie Realität angefühlt. Die Einsamkeit war schon eigenartig so ganz ohne ihn. Schwermütig hob Jeff seinen linken Arm und ließ diesen auch sofort wieder auf das schwarze Fell der Huskydame fallen. Während Jeff im Selbstmitleid schwelgte fing er beiläufig an Nana zu kraulen. Jeff würde so viel besser einsam vor sich hinvegitieren können, wäre dieses nervige Klingeln des Fahrrades nicht. Genervt sah er zu dem Kind. Es war vielleicht im Alter von zehn bis zwölf Jahren. Jünger oder älter auf keinen Fall. Der Junge trug eine rote Baseballkappe und dazu ein blaues Ringel-T-Shirt. Jeff wusste nicht, ob die Mutter oder der Junge selber es war mit so wenig Farbgeschmack, jedenfalls trug der Junge darauf eine orangene kurze Hose und ebenfalls rote Schuhe. Angewidert musste Jeff ernsthaft den Kopf schütteln. Dabei scherte selbst er sich nicht über Farbkombinationen, aber das war doch schon eine Nummer zu viel. Bemüht nicht weiter über dem Jungen nachzudenken ließ er seinen Kopf in den Nacken fallen. Es war hell und warm. Doch langsam zogen auch etwas dunklere Wolken auf. Heute Abend wird's regnen, dachte Jeff und schloss seine Augen erneut. Der Wind fegte seicht über sein Gesicht. Jeff genoss die leichte Brise, denn er hasste diese wirklich ekelhafte Wärme. Das Klingeln des Fahrrades wollte und wollte allerdings nicht aufhören. Am liebsten würde Jeff dem Bengel den Hals umdrehen. Doch er hatte geschworen Ben zu liebe niemanden mehr ein Härchen zu krümmen. Also versuchte er dieses nervtötende Geräusch auszublenden. Er versuchte sich stattdessen auf die Vögel und ihr Gesang zu konzentrieren. Irgendwie musste man doch seine innere Ruhe wiederfinden können. Im Yoga machte man das doch auch so, oder nicht? Jeff war sich da nur zu fünfzig Prozent sicher. Er hatte nie Yoga gemacht. Und sich erst recht nicht damit auseinander gesetzt. Wozu auch? Vor Ben hatte er das Morden und nach dem Morden hatte er Ben. Doch jetzt hatte er nichts mehr. Also musste er etwas Neues für sich finden. Doch nur was? Wie eine Leiche im Park zu gammeln und sich alle möglichen Geräusche rein zuziehen war es definitiv nicht. Alkohol half zwar im ersten Moment, doch dann war er noch deprimierter. Und dennoch konnte Jeff damit nicht aufhören. Er hatte schließlich nichts mehr zu verlieren. Und wenn er sterben würde, so würde er schließlich Ben wieder sehen. Doch er wollte sich noch nicht umbringen. Nana, Bens Hund, brauchte ihn. Dementsprechend griff Jeff nicht selbst nach irgendwelchen Methoden, um sein Leben ein Ende zu setzen. So viel Verstand hatte er doch noch.
Tief atmete er aus, denn genauso wie vorhin in seinem Zimmer, spürte er immer noch dieses altbekannte Gefühl. Es war ein Gemisch der Leere, eines Loches und unbändiger Wut. Er wusste was es war, doch wollte er es ignorieren oder loswerden. Er dürfte dieser Begierde auf keinen Fall nachgehen. Jeff atmete tief ein und langsam wieder aus.
»Bist du tot?«, eine relativ hohe und kindliche Stimme holte ihn aus den Gedanken, doch hatte Jeff nicht vor sich zu rühren. Das Klingeln war verstummt.
»Was?«, fragte Jeff verwirrt.
»Ich hab gefragt, ob du tot bist?«, antwortete er ihm brav.
Irritiert setzte Jeff sich schließlich doch auf und sah in ein kastanienbraunes Augenpaar. Der Junge in orangener Hose und seinem Fahrrad stand vor ihm und starrte ihn neugierig und erwartungsvoll an. Jeff fand, dass das ein ziemlich hässlicher Junge war. Er hatte kleine Augen, waren aber nicht schmal. Seine Nase erinnerte Jeff eher an eine Schweine Nase, denn sie war stumpf, breit und hatte große Nasenlöcher. Und aus seinem Mund ragten zwei Hasenzähne.
»Also bist du tot?«, fragte der Junge erneut.
Jeff schüttelte den Kopf und murrte: »Ganz offensichtlich nicht, du Spinner! Wer bist du überhaupt und wie kommst du darauf, dass ich tot sei?!«
»Ich bin Henrik.«, antwortete der Junge. »Meine Mama sagt immer, wenn da jemand komisch liegt, ist er tot, ein Penner oder ein Säufer. Oder alles zusammen! Da du nicht tot bist, bist du ein Säufer? Oder ein Penner? Oder beides?«
Jeff war erbost. »Ich bin weder das eine, noch das andere!«, schrie er das Kind an. Er war mehr Säufer, das wusste Jeff, doch wollte er sich vor einem Kind nicht rechtfertigen.
»Warum gammelst du dann da herum?«
»Das geht dich gar nichts an, Pisser. Hat deine Mami dir nie erklärt, dass man mit Fremden nicht sprechen soll?!« Jeffs Stimme war scharf.
»Doch.«, sagte der Junge. »Doch das ist mir egal.«
»Hast du nichts besseres zu tun?«
»Nein. Meine Mama ist bei einem Typen ins Auto gestiegen. Ich bin allein. Außerdem hat sie gesagt, sie kommt mich später holen.«
Jeff sah sich um. Tatsächlich war keine andere Menschenseele außer ihm und den Jungen hier im Park.
»Und warum fährst du nicht einfach mit deinem Scheißfahrrad nach Hause?!«, meckerte Jeff.
»Weil ich nicht weiß wohin. Ich bin zum ersten Mal hier. Und mein Fahrrad ist kein "Scheißfahrrad"! Ich hab's von meinem Papa! Es heißt Turbo!«, meckerte Henrik beleidigt zurück und fing wieder an mit seiner Fahrradklingel zu läuten.
»Hör auf diese Scheiße zu läuten!«, Jeff wurde wütend. Er wollte doch nur seine Ruhe - doch dieses Klingeln machte ihn nervös. Es solle aufhören. Doch Henrik hörte nicht auf. Ein Lächeln schlich sich auf das Gesicht des Jungen, denn er wusste wie er Jeff provozieren konnte. Er läutete die Klingeln extra weiter.
»Hör auf!«, schrie Jeff und schleuderte seine geballte Faust mit gesamter Wut in das Gesicht des Jungen. Dieser fiel mit einem heftigen Ruck mit seinem Fahrrad nach hinten. Henrik wischte sich mit seiner Hand über seine Nase und seinem Mund. Blut quoll aus beidem und seine Hasenzähne waren aus seinem Mund gebrochen. Er fing an zu schreien und Tränen plazten aus seinen Augen. Das machte Jeff jedoch nur rasender. Der Bengel hatte sein Maul zu halten.
Nana, von dem Lärm erwacht sah zum Geschehen und fing an zu Bellen. Jeff ignorierte den Hund und machte ein paar Schritte auf Henrik zu. Dieser drehte sich um und krabbelte über sein Fahrrad. Nach Hilfe schreiend robbte er sich verzweifelt über den dreckigen Boden und wirbelte Staub auf. Jeff stieg über das Fahrrad und näherte sich dem Jungen. Henrik versuchte schnell auf zu stehen und davon zu Rennen, doch war es zu spät. Schon packte Jeff sein Bein und wirbelte ihn herum, sodass er auf dem Rücken lag. Er flehte Jeff am ihn in Ruh zu lassen, dass es ihm Leid täte und er ihn nie wieder ansprechen würde. Er würde nie wieder die Klingel betätigen. Doch Jeff igorierte sein betteln und flehen.
»Hält deine missratene Fresse, Dreckskind!«, schrie er er ihn an. Doch damit bewirkte er genau das Gegenteil. Henrik schrie noch lauter. Jeff, unfähig seinen Zorn zu besänftigen, schlug mit aller Wucht auf das Gesicht des Jungen ein. Und wieder. Und wieder. Immer schneller, immer kraftvoller. Er hatte sich nicht mehr unter Kontrolle. Tränen schnellten wieder über sein Gesicht. Er schrie. Er wollte zerstören. Er wollte töten. Er konnte sich selbst nicht mehr ertragen.
Der Park war leer. Die Bäume warfen tiefe Schatten über das Geschehen und der Himmel wurde zunehmend düsterer. Es war ruhig. Das einzige was man hörte war das Bellen der Huaskydame, ein Gurgeln und die verzweifelten Versuche Luft zu holen. Plötzlich knackte es und selbst das Gurgeln verstummte.
Jeffs Schläge wurden weicher und verloren schlussendlich komplett an Kraft. Er stüzte sich über den Jungen. Schweratmend sah er Henrik unter Tränen an. Das Gesicht des Jungen war angeschwollen und Blau. Seine Nase war gebrochen und eingedrückt. Die Augen stachen aus der Augenhöhle und wirkten, als würden sie gleich platzen. Das gesamte Gesicht war Blut über strömt, sowie Jeffs Hände. Henrik regte sich nicht mehr. Er war tot. Als Jeff das realisierte drehte sich sein Magen um. Ihm war übel. Schnell hievte er sich auf und schlenderte zum nächstgelegenen Baum. Dort stüzte er sich ab und übergab sich. Hektisch versuchte er Luft zu holen. Was hatte er getan? Er hatte es doch versprochen! Er war tot! »Henrik ist tot... Er ist tot... Er ist..« Jeffs Mimik zog sich zu einer lachenden Grimassen. Unweigerlich fing er an zu Lachen und zu krakelen. »Er ist tot! Tot! Tot! Tot! Mause-, mausetot!«, schrie er im Singsang und lachte noch lauter. Ruckartig riss er seinen Kopf in den Nacken und umklammerte sich selbst. Dann torkelte er einige Schritte zurück und fiel zu Boden. Er krallte seine Finger in seine Haare und versuchte sich zu beruhigen. Nana setzte sich zu ihm und legte ihren Kopf auf Jeffs Schoß. Jeff wusste, er war auf dem besten Weg wieder irre zu werden. Henrik war tot und er hatte ihn ermordet. Man konnte nicht bestreiten, dass Jeff Genugtuung und für einen kurzen Moment inneren Frieden fühlte. Das er es genoss und mehr wollte, machte ihn nicht mal Angst, denn er kannte das Gefühl. Dennoch fühlte er sich ertappt. Aber das Monster in ihm verlangte doch mehr. Jeff sah zu Henrik. Er musste die Leiche loswerden.
Plötzlich hörte er einen grellen, Mark erschütternden Schrei. Alarmiert drehte Jeff seinen Kopf in diese Richtung. Es war Nisha.

REBORN || Jeff x Ben || All We Need Is Faith 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt