Kapitel 1

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Der Tritt traf mich in die Kniekehle. Sofort gab mein Bein nach und ich verlor das Gleichgewicht. Wie ein nasser Sandsack landete ich auf den Knien. Ein stechender Schmerz durchzuckte mich und ich biss fest die Zähne aufeinander. Das Schwert rutschte mir aus den Fingern und mit einem metallischen Sirren und einem dumpfen »Klong« landete es auf dem Waldboden. Mit den Händen fing ich mich ab. Keuchend rang ich um Fassung. Schluckte den Schmerz herunter und die Wut, die in mir zu brodeln begann. Dieses...
»Na? Hast du schon genug?«, schnurrte dieser dreckige Hund.
Wütend vergrub ich die Fingernägel im Dreck und knurrte. Wie ich ihn hasste. Schwer atmend rappelte ich mich auf und griff nach meiner Waffe. Mein dunkles Haar hatte sich aus dem Knoten gelöst, stand in sämtliche Richtungen ab und klebte mir im Gesicht.
Noch immer pulsierten meine Kniescheiben und als sich der Stoff von meiner verschrammten Haut löste, sog ich scharf die Luft ein.
»Willst du noch mal auf dem Hintern landen?«, fragte er. Lässig lehnte er am Baumstamm mit einem selbstgefälligen Grinsen auf den Lippen. Am liebsten hätte ich es ihm aus dem Gesicht gekratzt. »Ach halt, der Kniefall hat mir besser gefallen!«
Erwürgen, das würde ich ihn. Er bohrte die Spitze seines Schwertes in die Erde und würdigte mich keines Blickes.
Mein Griff um den Knauf verstärkte sich und ich humpelte auf ihn zu. Wie ich ihn doch bluten sehen wollte! Ich versuchte schneller zu werden und sein Grinsen wurde breiter. Zähnefletschend stieß ich einen Schrei aus und hob die Klinge. Doch als ich sie auf ihn niederschlagen wollte, hielt mich ein fester Griff zurück. Finger bohrten sich stählern in mein Handgelenk und zogen es zurück.
»Das reicht!«, zischte eine Stimme hinter mir. Nein! Ich versuchte mich zu lösen, doch ich scheiterte. Ein frustrierter Laut huschte mir über die Lippen, als ich Canon weiterhin wutentbrannt anfunkelte. »Genug«, betonte der Mann erneut. Ich ließ nicht ab. Ich wollte Canon tot sehen.
»Rheanna«
Meine Finger lockerten sich und er nahm mir das Schwert ab. Mein Brustkorb hob und senkte sich wie wild und mein Körper bebte vor Zorn. Noch immer hielt er mich zurück.
Canon richtete sich auf und schlenderte an mir vorbei. So, als würde nicht gerade eine wild gewordene Furie vor ihm stehen, die ihm fast den Kopf abgeschlagen hätte. Er war die Ruhe in Person. Schnaubend warf er mir einen flüchtigen Blick zu, bevor er sein Wort an den Mann hinter mir richtete.
»Unser kleines Menschlein kämpft viel zu emotional.«
Ich fuhr herum. Zwei kräftige Hände legten sich auf meine Schultern.
»Nenn' sie nicht so«, tadelte er. Seine gedämpfte Stimme war tief und ruhig. Schon immer wirkte sie beruhigend auf mich.
»Wie lange ist sie jetzt schon bei uns? Fünf Jahre? Zehn?«, Canons Worte trieften nur so vor Arroganz. Und während die Eine mich zügelte, stellten sich mir bei der anderen Stimme sämtliche Nackenhärchen auf und es begann verdächtig unter meinen Fingernägeln zu jucken.
»Das Menschlein muss endlich lernen ihre Gefühle aus dem Kampf herauszuhalten.« Oh, wie er es liebte mich zu schikanieren!
»Canon«, begann er und sein Atem streifte meinen Hinterkopf, »Sie hat auch einen Namen.«
»Riona macht es sich viel zu leicht.« Wie eine Katze tigerte er an mir vorbei. Tief sog ich die Luft ein.
Hinter mir ertönte ein Seufzen. »Dieses Mädchen hat es nicht verdient, dass du so über sie sprichst.«
»Kein Wunder, dass sie so ein verweichlichtes Ding ist. Du verhätschelst das Menschlein bei jeder Gelegenheit!«, rief er. Drama war genau sein Element.
»Wir wissen beide, dass das nicht stimmt. Rheanna trainiert hier vermutlich am Härtesten und sie ist die Mutigste von allen, trotzdem ist dir das nicht genug. Warum erkennst du das nicht einfach an? Wieso ist sie dir so ein Dorn im Auge?«
Canon gab einen missbilligenden Ton von sich, während er Anstalten machte zu verschwinden.
»Ich verstehe sowieso nicht, warum ich meine kostbare Zeit an so einem sterblichen Kind vergeuden soll!«, spukte er und den Blick, den er mir dabei zu warf, verhehlte seine Abscheu kein bisschen. Und dann ließ er uns stehen.
Ich kämpfte mit meinen Tränen. Wann war die Wut zur Traurigkeit geworden? Vielleicht war sie nie ganz verschwunden. Und brach genau bei diesen Worten wieder hervor.
»Er hat recht.«, meine Stimme war nur ein heißeres Flüstern, »Ich bin für euch nur eine Unannehmlichkeit und ein Nichtsnutz.«
Er drehte mich zu sich um und schüttelte mich leicht. »Sag' sowas nicht!«
Vorsichtig nahm er mein Kinn zwischen seine Finger und zwang mich, ihn anzusehen. Die Kapuze seines Gewandes, hing ihm tief ins Gesicht und trotzdem verbarg eine weiße Maske aus feinsten Porzellan sein Antlitz. Die Mundwinkel waren markant in das Keramik gearbeitet worden und zogen sich bis tief in die Wangen. Das Abbild eines Gesichts stach durch scharfe Kanten und maskuline Konturen hervor und um die Auslassungen für seine Augen waren tiefe Furchen, ähnlich wie bei Kratzern, eingeritzt. So, als hätte jemand versucht ihm die Augen auszukratzen. Es sah gespenstisch aus, unheilvoll.
Nur schemenhaft konnte ich seine Augen in den dunklen Löchern ausmachen und ich war mir sicher, dass ich darin nichts Kaltes vorfinden würde.
»Du bist so viel mehr und das werden sie noch erkennen, glaub mir.«
Ich zuckte mit den Schultern. Egal, wie er versuchte mich aufzumuntern, es würde nichts daran ändern, dass ich nun mal sterblich war und meine Lebensspanne im Gegensatz zu ihnen gerade mal einem Korn in einer Sanduhr entsprach.
»Weißt du was?« Trotz Maske hörte ich ein Lächeln aus seinen Worten heraus. Ich hob den Blick.
»Von nun an wird ein neuer Mentor an deiner Seite sein.«, sagte er und neigte etwas seinen Kopf.
Verwirrt schaute ich drein. »Wer?«
Seine Augen schienen zu glühen, als er mir antwortete: »Ich werde dein Mentor«
Ich blinzelte. Einmal. Zweimal.
»Aber«, versuchte ich zu widersprechen, doch er ließ mich nicht weiter zu Wort kommen.
»Unser Training beginnt morgen bei Sonnenaufgang.«
Noch bevor ich etwaserwidern konnte, ließ ermich einfach stehen.



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Swords of AmarantheaWhere stories live. Discover now