Kapitel 15

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Am Abend hatte sich noch Kalyea in mein Zimmer geschlichen. Leise tuschelten und planten wir das Verschwinden aus dem Schloss, um einen passenden Ort zum Trainieren meiner Kräfte zu finden. Sie bestand darauf, mich die ersten Male zu begleiten und beobachten zu dürfen und so geschah es dann auch. Es war noch nicht einmal die Sonne aufgegangen und auch das Krähen des Hahns ertönte noch lange nicht, da hatten wir uns bereits auf den Weg gemacht und Lichtung angesteuert. Es war der einzige Wald innerhalb von Meilen, der sich so nahe an der Küste befand und mit den ersten Felsformationen verschmolz. Unser Fußmarsch vom Schloss dauerte eine gute halbe Stunde und der Himmel über uns verfärbte sich langsam in atemberaubende violette und orange Schlieren. Die Hälfte der Zeit durchquerten wir den Wald, bis wir zu einer kleinen Lichtung kamen, die an einem großen aufgebrochenen Stein endete. Eine kleine Schutzbarriere, die mich gut abschirmen konnten.Kalyea hatte sich auf den Boden niedergelassen und beobachtete mich mit Argusaugen. Zuerst waren meine Übungen schwerfällig und meine Finger zitterten. Ich mochte es nicht, wenn mich dabei jemand beobachtete, aber schnell fand ich in meinen Rhythmus und die Sprüche kamen mir leichter und flüssiger über die Lippen. Meine Freundin blätterte im Grimoire herum, das ich ihr zuvor öffnete und wies mich bei so manchen zaubern an. Zu leise, falsche Aussprache, verkehrte Haltung. Was mich zuerst nervte, lernte ich schnell zu schätzen. Ihre Ratschläge setzte ich um und brachte kleine Pflanzenranken zum Wachsen, die sich um Baumstämme und am Stein entlang krochen. Aus einem kleinen Bach zog ich eine Spur mit Wassertröpfchen heran. Sie schimmerten wie kleine Perlen im aufgehenden Sonnenlicht. Nur die Feuerzauber ließ ich sein. Es hatte seit Tagen nicht geregnet und ich wollte keinen Brand riskieren. Ich begann aus Luft Abwehrzauber zu formen und mich wie einen Schild dahinter zu schützen. Abwechselnd bewarf mich Kaylea dabei mit Steinen, oder Tannenzapfen. Und gerade als ich den ersten Zapfen abhalten konnte, hörte ich den ersten Hahn krähen und kehrten zurück zum Schluss. Auf dem Rückweg lernten wir uns besser kennen, unterhielten uns über die verschiedenen Möglichkeiten der Zauber, wo ich diese einsetzen konnte und über den restlichen Tagesablauf.Und sobald ich mich in mein Zimmer begab und die Schuhe ausgezogen hatte, ertönte ein leises Klopfen, worauf Killian nach meiner Zusage den Raum betrat. Er nahm mich mit in die Küche und dort aßen wir die erste Mahlzeit, später begleitete ich ihn auf diversen Besichtigungen der Truppen und später zum Mittagessen trafen wir in einem Saal, der nur für Soldaten angedacht war, auf Canon, der mich bereits gehässig musterte.»Na, freust du dich schon auf unsere gemeinsame Zeit?«, fragte er mit einem anzüglichen Grinsen auf den Lippen. Ich musste meine ganze Selbstbeherrschung aufbringen, um ihn nicht ins Gesicht zu springen.Doch Killian stellte sich vor mich und blickte auf Canon herab. »Ich merke schon, dass du dich auf diese Zeit ganz besonders freust, aber leider muss ich dir mitteilen, dass Rheanna nicht mehr in deine Zuständigkeit fällt.« Überrascht löste ich meinen hasserfüllten Blick von Canon und musterte verwundert Killians Hinterkopf. Ich konnte aber deutlich vernehmen, dass Canons Miene verrutschte und seine Augen zu schmalen Schlitzen wurden.»In Craven warst vielleicht du das höchste Tier, jedoch, mein lieber Freund«, setzte Canon an und machte einen bedrohlichen Schritt auf Killian zu. »Hat Drystan ein Augenmerk darauf, dass alle Kadetten unter meinen Fittichen stehen. Ich kann mich noch genau daran erinnern, dass es dir sehr wichtig war, dass Riona zur Soldatin ausgebildet wird.« Nun war ich es, die einen Schritt auf Canon zutrat, aber Killian versperrte mir den Weg.»Das stimmt allerdings, aber es gibt nun eine klitzekleine Planänderung, die es notwendig macht, dass Rheanna von meinem Generaloberst ausgebildet wird.«Neugierig hob ich die Augenbrauen. Das war tatsächlich neu. »Und was für eine Planänderung ist das?«, blaffte Canon.»Das, mein lieber Leutnant, ist Sache der Oberen.« Ich musste mir fest auf die Zunge beißen, um nicht in Jubeln auszubrechen. Diese Retourkutsche war nahezu brillant.»Also entschuldigt uns, wir dürfen die Zeit nicht vergeuden.«, sagte Killian mit einer überzogenen Arroganz, die nicht besser hätte wirken können. Mein Mentor hakte sich bei mir unter und wir ließen Canon sichtlich erzürnt stehen. Nach diesem Triumph konnte ich es aber nicht sein lassen und spähte zu diesem Scheusal, der uns mit Blicken zu ermorcheln versuchte, zurück und streckte ihm provokant die Zunge heraus. Ein Glucksen brach aus mir hervor.»Musste das sein?« Man konnte das Augendrehen aus seinen Worten förmlich heraushören. »Nenne mich kindisch, aber das war es auf jeden Fall wert!«, trällerte ich und tätschelte seinen Arm. Killian seufzte laut.»So«, setzte ich betont an, »Ich falle nun also unter die Zuständigkeit deines Generaloberst.« Abwartend blickte ich an, während wir uns einem Platz im hinteren Teil des Saales suchten. Jemand rempelte mich an und kurz kam ich ins Straucheln. Killian wandte sich mit Schwung zu mir und kurz sah ich nur seine Brust vor mir. Dann stand er zu meiner linken, als wäre nichts gewesen. Verdattert schüttele ich den Kopf.»Jep«, murmelte er beiläufig und ließ sich auf einer Bank nieder. Er rückte sich den Umhang zurecht, legte seine Ellenbogen auf dem Tisch ab und stützte das Gesicht mit seinen Händen. Es sah konfus aus, wie er so mit der Maske da saß. »Erklärst du es mir, oder starren wir uns jetzt zu Tode?«, hakte ich nach.»Was meinst du?«, gab er unschuldig wider.»Naja, was es nun mit dem Generaloberst auf sich hat.«Er brummte. »Du hattest keine Frage dazu gestellt, für mich klang das als Feststellung.«»War es ja auch, du schuldest mir dennoch eine Erklärung, weil von dieser Planänderung wusste ich schließlich auch nichts.« »Ja«, gab er lediglich von sich.Ich knurrte seinen Namen. »Was soll der Blödsinn? Kannst du mir denn nicht konkrete Antworten geben?«Mein Mentor saß da, wie eine Statue, und bewegte sich keinen Millimeter. »Hallo?« Ich fuchtelte mit meiner Hand vor seinem Gesicht, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen, aber er rührte sich noch immer nicht.»Killian? Bist du Zuhause? Hallo!?« Und dann nahm ich ein leichtes Flirren war, als würde sein Umriss... vibrieren? Ich schaute genauer hin. Nein, er verschwamm?»Bei den Göttern, was ist los mit dir?«, kam es mir leise über die Lippen.Der schwarze Stoff seines Umhangs verlief in der Luft und ähnelte dabei einen Tropfen Blut, das sich im Wasser verteilte. Oder aufsteigendem Rauch. Egal was es war, es faszinierte und verstörte mich gleichermaßen. Langsam lehnte ich mich mit schräg gelegtem Kopf weiter über den Tisch zu Killians erstarrter Gestalt. Und so bemerkte ich auch nicht, was sich hinter mir zusammenbraute.Eine behandschuhte Hand näherte sich über meiner Schulter und noch bevor ich registrieren konnte, was vor sich ging, presste sie sich über meinen Mund. Aus meinem Schreck heraus, wäre mir auch ein Schrei über die Lippen geglitten, doch nur ein erstickter Laut war zu hören. Ich kippte hinten über und wurde gegen einen Körper gedrückt. Meine linke Hand klemmte bereits im stählernen Griff meines Angreifers, während ich mich mit der anderen an seinem Gelenk festklammerte. Mit aufgerissenen Augen schaute ich panisch nach oben. Mein Blick wanderte über den Oberkörper bis... zu einer allzu vertrauten Maske, die zu mir herunter sah und mich zu verhöhnen schien. In meinem Kopf schien etwas durchzubrennen. Was. Im. Namen. Der. Götter. Ist. Hier. Los. Ungläubig schielte ich zu dem erstarrten Killian vor mir, versicherte mich, mir das nicht eingebildet zu haben, und sah wieder hoch zu dem Killian, der hinter mir stand. Ein nervöses Zucken begann in meinem Auge. Erneut wanderte mein Blick zum Sitzenden und dann nahm ich eine Veränderung an ihm wahr, einen Prozess, der sein Äußeres zerfließen ließ und seine Gestalt mit der Luft verschmolz. Von seinem Körper stiegen feine Rauchschwaden auf und schwebten davon wie feiner Aschestaub. und was zurück blieb war nicht Killian. Mein Herz sackte abrupt nach unten. Ein Fremder saß mir gegenüber und grinste mich mit einem Halblächeln unverhohlen an. Er hatte braunes Haar, das ihm in großen Locken beinahe zu den Schultern reichte und ein Knebelbart umspielte seine Lippen. Seine Augen funkelten in einem intensiven Tiefblau und wenn mich sein erscheinen - diese ganze Situation - nicht zutiefst verstören würde, hätte ich sein Gesicht als charmant und gutaussehend betitelt.»Sei gegrüßt, Rheanna«, sagte er mit einer markanten und tiefen Stimme. Absurd! Das alles war so unglaublich absurd!Ich rutschte abrupt ein Stück von ihm weg und Killian schien es nicht kommen gesehen haben, sodass ich rücklings von der Sitzbank rutschte und einklemmt zwischen Sitzfläche und seinen Beinen absackte. Schmerzhaft kam ich auf meinem Steißbein auf und fluchte wie ein alter Bierkutscher. Der Fremde war aufgesprungen und spähte über den Tisch hinweg zu meiner misslichen Lage herab, während ich erbärmlich und eingequetscht da hockte. Killian verschränkte die Arme vor der Brust und beobachtete mich.»Jetzt habe ich auch mal ein Bild dazu, wenn jemand sagt, er sei zusammengeklappt.«, sagte der Kerl trocken und gleichzeitig nachdenklich.Ich schnaubte.»Übrigens ich bin Chet.«, stellte er sich vor und streckte mir beide Hände entgegen. Widerwillig brummte ich. Killian stieß mich auffordernd mit dem Bein an. »Ich hab keine Ahnung, was das eben war und nur zum Mitschreiben: Ich mag euch beide gerade nicht sonderlich.«, murrte ich. Zögerlich ergriff ich seine Hände und mit einem Ruck beförderte er mich auf die Bank. Mein Mentor trat hinter mir hervor und nahm neben Chet Platz. Ich warf einen vorsichtigen Blick über die Schulter und prüfte, ob uns jemand gesehen hatte. Doch die anderen Soldaten, die sich im Saal aufhielten, schien niemand etwas bemerkt zu haben.Und nun wartete ich wieder auf eine längst überfällige Erklärung. Stur stützte ich mein Kinn auf der Handfläche ab, setzte den grantigsten Gesichtsausdruck auf, den ich zusammenbrachte, funkelte sie dementsprechend an und tippte abwechselnd mit den Fingern auf die Tischplatte. Schuldbewusst blickte wenigstens einer der beiden drein und wieder einmal verfluchte ich diese verdammte Maske. Chet räusperte sich. »Nunja, ich bin Killian Generaloberst und damit dein neuer Lehrmeister in Kampfkünsten.« Ich durchbohrte ihn mit meinem Blick und gab keinen Ton von mir. Er wurde sichtlich nervös und stieß Killian seinen Ellenbogen in die Seite.Doch zu Chets missfallen, blieb auch er stumm.Er versuchte es erneut und presste leise hervor: »Kannst du bitte auch etwas dazu sagen? Es war schließlich deine Idee.« Interessiert hob ich eine Augenbraue und strafte nun Killian mit meinem Starren.»Es war ein neuer Illusionszauber, den ich entdeckt habe und testen wollte.«, gab er zu. Ich presste die Kiefer aufeinander. Er schien zu wissen, dass ich von meinem Dasein als sein Versuchskaninchen überhaupt nicht begeistert war und setzte hinterher: »Schließlich habe ich mir mir das mit den Rebellen durch den Kopf gehen lassen und falls etwas schief gehen sollte, wirst du einen Plan B benötigen. Und nachdem es deine Mission ist, fand ich es passend den Zauber auch gleich auf diese Weise anzuwenden.«»Und offenbar hast du Gefallen dran gefunden einen dramatischen Auftritt hinzulegen, wenn es darum geht, mir deine Freunde vorzustellen.«, spottete ich.Chet versuchte sich ein Grinsen zu verkneifen. »Darin war er schon immer gut, unser lieber Killian.«, bemerkte sein Freund.»Vergiss dabei nicht Kjell«, gab Killian mürrisch zu bedenken und Chet stimmte zu. »Allerdings, Kjell ist ein wahrer Meister des Dramas.«»Oh Götter!«, nuschelte ich genervt. Nun hatte ich drei von denen an der Backe, ganz toll.

Swords of AmarantheaWhere stories live. Discover now