Kapitel 7

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Mit einem ächzenden Knacken spannte sich die Sehne des Bogens und als ich sie losließ, schoss der Pfeil mit einem Surren davon. Ins Schwarze.»Du wirst immer besser«, hörte ich ihn sagen, doch ich würdigte ihm keines Blickes. Ich griff nach dem nächsten Pfeil und legte ihn am Bogen an. Stellung, anspannen, visieren, Schuss.
»Dein Ellenbogen muss noch einen Hauch weiter nach oben.«, er korrigierte meine Haltung, als ich den nächsten Schuss wagen wollte und seine Berührung kam so unerwartet, dass der Pfeil an der Scheibe vorbeisegelte. Ich seufzte.
»Tut mir leid« Doch ich reagierte nicht auf seine Entschuldigung. Seit Tagen versuchte ich ihn zu ignorieren. Ich wusste selbst nicht, warum ich es genau tat, aber ich wusste einfach nicht, was wir zu reden hatten. Obwohl es eigentlich einiges zu besprechen gab.
Ich atmete tief durch und zog dabei einen weiteren Pfeil aus dem Köcher. Und dann verharrte ich kurz in der Position und ließ ihn erneut meine Armstellung leicht ändern. Diesmal landete der Pfeil direkt in der Mitte. Umsäumt von meinen vorigen Versuchen, die zwar gut, aber nicht perfekt waren.
»Sehr gut! Jetzt das gleiche nochmal von hier aus.« Er zeigte auf den Baum neben uns und ich hob die Augenbrauen.
»Oder wir reden, ganz wie dir beliebt.« Statt sein Angebot anzunehmen, kletterte ich, nachdem ich den Bogen über meine Schulter gelegt habe, den Baum empor und positionierte mich. Es dauerte einige Schüsse, bis ich mich an den Winkel gewohnt hatte. Ich saß rittlings auf einen dicken Ast und umschlang das Holz mit meinen Beinen. Reckte mich etwas zur Seite, damit ich mein Ziel besser im Visier hatte. Die darauf folgenden Pfeile verfehlten ihr Ziel nicht. Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen, lehnte ich mich zurück und ließ den Bogen nach unten hängen. Meine Fortschritte überraschten mich. Niemals hätte ich von mir selbst geglaubt, innerhalb weniger Tage das Schießen so gut zu beherrschen. Natürlich waren meine bisherige Künste weit von der Realität im Kampf entfernt, aber wenn das so weiter ging... Ja, dann hatte ich zumindest eine kleine Chance. Gerade als ich nach meiner kleinen Pause weitermachen wollte und wieder in Stellung ging, knackte es. Ich hielt inne. Mist. Mist. Mist! Es knackte erneut. Killian schien es nicht zu bemerken. Ich beobachtete ihn im Augenwinkel, wie er ein Schwert säuberte, traute mich nicht mal meinen Kopf zu bewegen.
»Killian!«, rief ich und er schaute hoch.
»Es spricht«, sagte er im selbstgefälligen Ton, während er die Arme vor seiner Brust verschränkte.
»Hilf mir!«, zischte ich, doch dieser Dummkopf erkannte mein Problem, trotz meiner Regungslosigkeit nicht.
»Du machst das hervorragend. Wieso soll-«
»Killian!«, zischte ich, »Der As- Aaah!« Und exakt in diesem Moment brach das Holz und riss mich in die Tiefe. Ich schloss die Augen und wartete auf den Aufschlag. Doch dieser kam nicht. War ich schon tot? Ging das so schnell? Schmerzlos? Langsam öffnete ich eines meiner Augen. Und glaubte es nicht. Ich schwebte!
»Oh Götter!« Meine Nasenspitze befand sich nur wenige Zentimeter oberhalb des Grases. Ein Zittern durchfuhr mich und ich schnappte nach Luft. Mein verkrampfter Körper fing an zu schmerzen. Ungläubig hob ich meinen Blick und sah Killian im Ausfallschritt dort stehen, die Hand erhoben. Er hat mich gerettet. Oh Götter! Das - das konnte nicht sein, oder? Nein, nein, er zauberte nicht. Vielleicht war ich doch mit dem Kopf aufgeschlagen und halluzinierte? Er drehte die Hand ein und augenblicklich zog mich die Erdanziehungskraft nach unten. Ich landete wie eine Flunder auf dem Boden, doch noch immer starrte ich ihn mit offenstehenden Mund an.
»Alles in Ordnung?«, fragte er besorgt und näherte sich.
»Ja«, hauchte ich, »Du hast - Danke!« Er hielt mir seine Hand entgegen und ich ergriff sie. Killian zog mich auf die Beine und wandte sich sofort wieder ab.
»Du bist kein Fae«, stellte ich leise fest und er blieb stehen. Das Herz schlug mir bis zum Hals.
»Doch, das bin ich.« In seiner Stimme hörte ich eine Schärfe heraus, die mir Angst machte.
»Fae haben keine solche Magie, das weiß ich!« Langsam wich ich zurück.
»Mädchen, du weißt so einiges nicht!« Ich schluckte. Die Sonnenstrahlen zeichneten einen unheimlichen Schatten auf seine Porzellanmaske, die mir einen Schauer über den Rücken jagte. Unheilvoll, das beschrieb sein Auftreten.
»Dann erzähle es mir«, kam mir über die Lippen, ein heißeres Flüstern, triefend vor Furcht.
Killian legte den Kopf schief. »Du möchtest endlich mit mir reden?« Seine Stimme war tief und dunkel und hatte nichts mehr von der Person, die ich kannte.
So hatte ich ihn noch nie erlebt. Kein einziges Mal war er so... so unberechenbar und das jagte mir eine Heidenangst ein.
Er schnipste mit den Fingern und Dunkelheit brach über uns herein. Erschrocken schrie ich auf. Es war so finster, dass ich nicht mal meine eigene Hand vor Augen erkennen konnte. Panisch wirbelte ich umher. Verdammt! Wo war er?
»Seit Tagen ignorierst du mich...«, hörte ich direkt an mein Ohr flüstern und ich schrie auf, während ich auswich.
Mit gehetztem Blick versuchte ich ihn auszumachen, aber es gelang mir nicht.
»Und davor branntest du auf Antworten, die ich dir nicht gab.« Ich sprang zur Seite, als ich seinem Atem in meinen Nacken spürte und Tränen sammelten sich in meinen Augen. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Zitterte wie Espenlaub. Die Härchen stellten sich auf.
»Was soll das?«, stieß ich ängstlich hervor.
»Ach Rheanna« Tadel hang in seinen Worten, die er mir erneut ins Ohr hauchte. Ich rannte los. Ins Nichts. Bis ich in gegen etwas Hartes traf. Finger schlossen sich um meine Arme und ich wandte mich sofort heraus. Stolperte zurück und schrie: »Hör auf!«
Ein Lachen hallte durch die Dunkelheit. »Warum sollte ich?« Erneut stand er hinter mir. Ein Ton tiefer Verzweiflung und Furcht brach aus mir hervor und wieder versuchte ich vor ihm zu fliehen, aber es war zwecklos. Jedes einzige Mal fing er mich ab und trieb mich schier in den Wahnsinn. Ich sank zu Boden. Gab auf. Vergrub die Finger in der Erde. Weinte bitterlich. Kauerte mich zusammen. Die Angst lähmte mich, ich ertrank in ihr. Etwas packte mich an den Füßen und zog mich mit sich. Ich kreischte auf und schlug und trat um mich. Die Panik zerfraß mich. Er ließ mich los. Sofort rappelte ich mich auf und lief los. Stolperte und fiel. Landete hart auf den Boden. Schluchzer brachen aus mir hervor, während ich weiter kroch.
Er riss mich an den Haaren zurück und ich jaulte auf. Schliff hinter ihm her. Ließ mich los. Rollte mich zur Seite und kroch weiter. Ich wollte hier weg, nichts als weg. Die Todesangst trieb mich weiter an. Und dann sah ich es.
Ein sanftes Schimmern. Als wäre es vom Mondschein erhellt. Ohne groß nachzudenken steuerte ich direkt auf das schwach leuchtende Etwas zu und gerade als ich meinen Arm danach ausstreckte, wurde ich an den Füßen zurück gerissen. Ich trat brüllend um mich bis er mich gehen ließ und sprang sofort auf. Stürzte mich auf das glänzende Metall, riss es an mich. Landete auf den Rücken, wirbelte das Schwert herum und visierte keuchend ins Nichts.
»Verschwinde!«, kreischte ich, erkannte meine eigene Stimme nicht mehr. Noch immer liefen die Tränen über meine Wangen und die Schwertspitze schwang gefährlich hin und her. Stille. Ohrenbetäubende Stille. Nur das Rauschen meines eigenen Blutes und das heftige Klopfen in meiner Brust. War er weg? Ich wartete. Und wartete. Nichts. Ich ließ die Klinge sinken und erhob mich langsam. Verdammt, wo war ich? Unsicher schaute ich mich um. Alles war finster. Nur der leichte Schimmer des Schwertes erhellte wenige Zentimeter. Keuchend stand ich auf. Stützte mich auf dem Schwert auf. Ich konnte mich kaum auf den Beinen halten, so zittrig war ich. Vorsichtig lief ich einige Schritte und suchte nach irgendetwas in der Dunkelheit. Plötzlich schlangen sich von hinten Hände um mein Gesicht und rissen mich zurück.
Ich fiel nach hinten. Die Hände verschwanden. Zorn flammte in mir auf und ich schoss in die Höhe. Mit einem Brüllen ließ ich die Klinge durch die Luft zischen und schlug auf das Nichts ein. Immer wieder wirbelte ich herum und wehrte mich von meinem Angreifer ab.
»Lass. Mich. In. Ruhe!«
Und mit einem Mal traf die Klinge gegen etwas. Metall. Der Rückschlag war härter als gedacht und fast wäre mir das Schwert aus der Hand geflogen. Im letzten Moment konnte ich es noch greifen. Zog es nach oben. Wurde pariert. Holte erneut aus und ließ es herunter schnellen. Nichts. Die Klinge versenkte sich im Boden und ich verlor das Gleichgewicht. Ein Tritt in den Rücken traf mich und ich stürzte nach vorne. Grelles Licht blendete mich und ich landete auf dem Waldboden. Mein Gesicht schlug auf einer Wurzel auf. Schmerz durchfuhr mich. Ich schnappte nach Luft und brach vollends zusammen. Ich blieb einfach liegen. Es war vorbei. Regungslos verharrte ich und wartete erneut. Wartete auf das Ende.
Ein Stiefel trat vor mich und ich zuckte weg. Schloss die Augen und betete. Was war nur geschehen? Was im Namen der Götter war geschehen? Ich begriff es nicht. Im einen Moment hatte er mich gerettet und im nächsten bescherte er mir meine persönliche Hölle.
»Rhea?« Seine raue Hand strich mir sanft die Haare aus der Stirn und ich wich abrupt zurück. Wimmerte. Weinte. Schluchzte.
Es knackte direkt neben mir und ich zwang mich still liegen zu bleiben. Flehte innerlich. Oh Götter!
Erneut legte sich seine Hand um meine Wange. Meine Lippen bebten.
»Sieh mich an«, flüsterte er, doch ich schüttelte den Kopf. »Bitte«
Noch immer hatte mich die Angst fest im Griff. Sein Daumen wischte mir eine Träne vom Gesicht und ein Frösteln zog sich durch meinen Körper.
»Rheanna«, hauchte er und seine Stimme war ganz anders als zuvor, als dieses schneidende kalte Etwas. So liebevoll und zärtlich, wie ich sie kannte. Er war wieder da. Zaghaft öffnete ich die Augen und grelle Licht blendete mich. Blaue Augen. Kristallklar. Mehr erkannte ich nicht. Obwohl da keine Maske mehr war.
»Bring mich Nachhause.«, wimmerte ich, »Bitte«
Dieser Ausdruck in seinenAugen. War das Sorge? Angst? Bedauern? Seine Augenbrauen zogen sich leichtzusammen und diese Traurigkeit, die er mir nun offenbarte, tat mir im Herzenweh. Wir starrten uns an. Bis ich das Bewusstsein verlor.



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Swords of AmarantheaWhere stories live. Discover now