Kapitel 6

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»Rheanna«
Es drang ganz leise zu mir hindurch, bevor ich wieder in eine einhüllende Schwärze abtauchte.
»Rheanna...«
Da war es wieder. Erneut tauchte ich kurz aus der Tiefe hervor und versank wieder. Ein Ort, an dem man nicht denken musste, sich ganz fühlte. Eingehüllt in wohliger Wärme.
»Rhea...« Ich wollte hier nicht weg. Niemals... Ich war angekommen. Etwas rüttelte mich und riss mich wieder an die Oberfläche. Mein Name erklang ein weiteres Mal, näher und mit einem Unterton, der mich erschaudern ließ. Widerwillig drehte ich mich weg und vergrub mein Gesicht in den weichen Stoff.
»Wach auf!«, forderte die Stimme und ich gab ein verschlafenes Brummen von mir. Nein, ich wollte weiterhin in diesem Nichts, in diesem wundervollen Nichts, schweben. Etwas eiskaltes traf mich mitten ins Gesicht und ich fuhr hoch. Nach Luft japsend und hustend, schoss ich in die Höhe. Wasser lief an mir herab und ich fuhr mir durchs Gesicht.
»Guten Morgen, Sonnenschein.«, säuselte Killian, während er sich aus der Hocke erhob und sich mit schwingenden Umhang abwandte.
Noch immer keuchend saß ich auf der Pritsche und wusste nicht mehr, ob ich Männlein oder Weiblein war.
»Kommst du nun endlich?«, drängelte er und ich warf ihm einen mörderischen Blick zu. Langsam erhob ich mich. Der nasse Stoff meines Nachtgewandes klebte an meiner Haut und als dieser verrutschte, bekam ich Gänsehaut.
Alles andere, als ein angenehmer Morgen. Killian verließ die Hütte, damit ich mich ankleiden konnte. Durch die offene Tür wehte eiskalte Luft herein, die mich in dem dünnen feuchten Stoff frösteln ließ. Im Kamin brannte bereits ein Feuer und während ich zu dieser wohligen Wärme lief, schälte ich mich aus dem dünnen Unterkleid. Auf dem Hocker lagen schon eine winterfeste Hose, ein Baumwollhemd und ein dickes Wams bereit. Ich kleidete mich langsam an. Der Ritt ins Dorf würde uns eine Weile kosten. Aus meinen Stiefeln zog ich meine zerknüllten dicken Stricksocken und stülpte sie mir über meine Füße, die bereits auf den kalten Holzboden ausgekühlt waren.


Am nächsten Morgen ritten wir lange vor Sonnenaufgang los. Als wir endlich eine Lichtung in diesem nicht enden wollenden Wald erreichten, erkannte ich die ersten kleinen Hütten. Langsam näherten wir uns und sattelten ab, noch bevor wir den Ortseingang passierten. Die Pferde banden wir an einem nahe gelegenen Baum fest. Nervös zupfte ich an meinem Gewand herum, während er sich noch an unserem Gepäck zu schaffen machte, darin herumwühlte und sich einen Beutel über den Rücken warf. Mein Blick heftete sich auf das Dörfchen und ich versuchte mir jedes noch so kleine Detail einzuprägen. Kleine Ziegelhüttchen, teils gepflasterte Wege, und alles sah trotz Winter so viel lebendiger aus, dass es mir schwer fiel die richtigen Worte dafür zu finden. Selbst das wenige Grün der Pflanzen, das unter der ersten Schneedecke noch hervorlugte, wirkte kraftvoller, als ich es von meinem Zuhause in Erinnerung hatte. Der Frost glitzerte in der aufgehenden Sonne und feine Nebelschwaden stiegen empor. Dieser Anblick verzauberte mich durch und durch. Ich hörte entfernt einen Schmied, der rhythmisch auf seinen Amboss drosch, die letzten verbliebenen Vögel zwitscherten und das Dorf erwachte aus seinem Schlaf. Gerade als ich über beide Ohren strahlte und zu Killian aufblicken wollte, hörte ich ihn ein leises »Es tut mir leid« raunen bevor mir etwas ins Gesicht geblasen wurde. Ein feiner Staub wirbelte mir entgegen und ich zuckte zurück. Hustend und schnaufend fuchtelte ich mit den Händen vor meinem Gesicht und wischte mir die Überreste von der Haut. Perplex starrte ich zu ihm auf.
»Was soll das?«, zischte ich. Die Vorfreude von eben war buchstäblich ins Nichts verpufft. Auf meiner Zunge legte sich eine bleierne Schwere, die ins Taube überging. Ich musste noch immer heftig blinzeln und meine Augen tränten.
»Nur eine kleine Vorsichtsmaßnahme.«, sagte er emotionslos.
»Was meinst du mit Vorsichtsmaß-« Ich stockte. Killian streifte sich die Kapuze vom Kopf, während er mit seiner anderen Hand die Maske abnahm. Noch nie hatte ich ihn ohne dieser Porzellanfratze gesehen, in all diesen Jahren kein einziges Mal. Doch irgendetwas blockierte etwas in mir. Ich konnte nicht benennen, was es war oder wie es sich anfühlte, aber da war etwas Undefinierbares. Jahrelang verfolgte mich die Frage nach seinem Gesicht, doch jetzt als ich endlich die Möglichkeit dazu hatte ... empfand ich nichts. Gar nichts. Ich konnte mich noch so sehr auf sein Gesicht konzentrieren, aber da war nichts, was irgendwas in mir auslöste. Ich erkannte alles, was in ein Gesicht gehörte, nur sah ich es nicht, nicht wirklich zumindest. Ich erkannte lediglich einen dunklen Schopf, aber sobald er sich von mir abwandte, war er wieder gesichtslos. Ich kannte seine Maske, aber an sein Antlitz hatte ich keinerlei Erinnerung, ich brachte es nicht zustande, es mir ins Gedächtnis zu rufen, so als hätte ich ihn nie gesehen. Mein Herz begann zu rasen, aber alles andere in mir blieb ruhig. Und dann fiel der Groschen. Dieser Mistkerl hatte mich verzaubert. Noch immer stand ich wie vom Donner gerührt dort und starrte ihm hinterher.
Mein Herz zog sich zusammen. Mochte das die Wut sein, die ich mir gerade so herbeisehnte? Frustriert stöhnte ich auf, während ich meinem Mentor hinterher eilte.
»Ist das dein ernst?«, fuhr ich ihn an, sobald ich Killian eingeholt hatte.
»Was meinst du?«, fragte die Unschuld in Person.
»Ich kann dich nicht sehen!«
»Natürlich siehst du mich.« Er zog eine Braue skeptisch nach oben. Oh, ich konnte seine Mimik lesen!
»Ich weiß nicht, was du gemacht hast, aber du hast mich meiner Emotionen beraubt und dein Gesicht ... Killian!«, fauchte ich aufgebracht. Er war bereits einige Schritte voraus, als er inne hielt. »Du kannst es wahrnehmen?«
»Offensichtlich«, erwiderte ich.
Er seufzte. »Wir reden später darüber.« Und er ging weiter.
»Nein!«, stieß ich hervor und er blieb mit versteiften Schultern stehen. »Wieso darf ich dein Gesicht nicht sehen? Und warum dürfen es die anderen?«
Ich glaubte zu erkennen, dass er die Augen verdrehte. Diese merkwürdige Leere in mir, die mich nichts fühlen ließ, trieb mir den Schweiß auf die Stirn.
»Lass es uns spät-«, setzte er an, doch ich fuhr ihm dazwischen.
»Jetzt!«, forderte ich und versuchte ihm irgendwie in die Augen zu starren. Erneut stöhnte er und trat näher an mich heran. Killian blickte auf mich herab. Meine Haut begann zu kribbeln.
»Das ist gerade ein verdammt schlechter Zeitpunkt dafür.«, presste er hervor, »Es tut mir leid.« Gerade als er sich wieder abwenden wollte, hielt ich ihm am Ärmel seines Umhangs zurück.
»Ist dein Gesicht entstellt?«
»Ja«, knurrte er augenblicklich. Ich glaubte ihm dennoch nicht und ließ den Stoff los. Das Herz in meiner Brust schlug mir bis zum Hals. Was sollte dieser Aufzug? Ich wusste, dass er seine Geheimnisse hatte, aber mich deswegen zu betäuben, ging einen gewaltigen Schritt zu weit.
An seinem steifen Gang erkannte ich, dass er genauso wütend war, wie ich sein wollte.
»Ich dachte, ich könnte dir vertrauen!« In meiner Brust verknotete es sich. Ein dumpfes Ziehen in dieser leeren Hüllen.
»Rheanna«, fing er eindringlich an, »Dir das jetzt zu erklären, würde eine Ewigkeit dauern, die wir gerade nicht haben.«
Mein Körper reagierte exakt so, wie ich es gewohnt war - leider. Selbst dieses Nichts verhinderte es nicht: Mir stiegen Tränen in die Augen.
»Du behandelst mich wie ein kleines dummes Kind, aber das bin ich nicht mehr!«
»Warum verhältst du dich dann wie eines?«, zischte er. Seine Geduld war offensichtlich aufgebraucht. Fest presste ich die Lippen aufeinander. Warum war er auf einmal so? Kalt?
Tief durchatmend, stellte ich mich aufrecht hin und starrte an ihm vorbei. Nagut. Noch einen weiteren Augenblick verharrten wir so und mir war sein durchdringender Blick nur allzu bewusst. Erneut seufzte er, bevor er sich von mir abwandte. Stumm folgte ich ihm.
Das Dorf war nicht sonderlich groß, dennoch herrschte ein reges Treiben. Kinder huschten lachend umher und die Leute gingen ihren Arbeiten nach. Ein Schmied schlug rhythmisch auf seinen Amboss ein und eine Frau zu unserer linken fütterte gackernde Hühner. Eine Andere saß hinter einem Webstuhl. Fasziniert von ihren geschickten Fingern, die mit einer Leichtigkeit das Garn woben, übersah ich einen hervorstehenden Pflasterstein und stolperte. Und noch bevor ich alles andere als elegant der Länge nach hinschlagen konnte, fing mich Killian auf. Er packte mich unter den Armen und zog mich wieder auf die Beine. Meine Finger hatten sich in sein Gewand gekrallt und ich spürte wie kräftig seine Oberarme waren. Und genau in diesem unpassenden Moment musste ich daran denken, dass ich ihn noch nie trainieren gesehen habe. In meiner Anwesenheit war er stets der Schatten, der ein Auge auf mich hatte und meine Fortschritte beobachtete. Während er selbst in dieser Zeit kein Schwert auch nur berührte. Interessant.
Killian löste sich wieder von mir und ich nuschelte ein zögerliches Danke. Dem Stein warf ich über meiner Schulter einen bitterbösen Blick zu. »Fast ein Jammer, dass er nicht gleich in Flammen aufgeht.« Nun fing sich auch mein Mentor das Funkeln ein und ich erkannte einen zuckernden Mundwinkel. »Estrids Wolle ist die beste, die du haben kannst.« Er versuchte meine Faszination von eben aufzugreifen. Mit einem Kopfwink zu seiner Rechten wies er mich auf eine Hütte hin, die aus der Masse herausstach. Während sich alle anderen optisch kaum unterschieden, wirkte das hier, als sei es in einem Farbtopf gefallen. Auf einigen Leinen vor dem Steinbau waren einige Stoffe aufgehängt worden, die in wundervollen Farben erstrahlten. Die Fenster wurden durch ebenso farbenprächtige Vorhänge verhüllt und auf einer breiten Schieferplatte über der Holztür stand in einer prächtigen Handschrift „Schneiderei" geschrieben, deren Buchstaben mit einem leichten Schimmern versehen waren. Als eines der wenigen Gebäude hatte es ein knallrotes Schindeldach und die Fassade war mit verglasten Vitrinen versehen, in denen Kleidungsstücke, so prächtig und wundervoll, ausgestellt waren.
»Und bei Lyandra findest du die feinsten Gewänder in der Gegend.«
»Ich bezweifle, dass es hier in der Nähe noch jemanden anderen gibt, der dieses Handwerk ausübt.«, gab ich zu bedenken. Erneut erkannte ich ein Lächeln auf den Lippen. »Auch wieder wahr.« Ich wich seinem Blick aus und ging wieder einige Schritte voran.
»Rheanna?«, in seiner Stimme lag etwas Flehendes, doch ich ignorierte ihn. Er schloss zu mir auf. »Es tut mir leid«
»Wohin müssen wir?«, überspielte ich ihn und schenkte stattdessen den vorbeikommenden Leuten ein freundliches Lächeln und grüßte sie, worauf sie zuerst mich skeptisch musterten und dann auf meinen Begleiter aufmerksam wurden. Als sie ihn erkannten, erhellten sich ihre Gesichter und ihre aufkeimende Freude irritierte mich.
»Killian!«, rief ein kleines Mädchen aus und stürzte sich quiekend auf ihn. Mit einem Hechtsprung flog das zierliche Kind förmlich in seine Arme. Lachend hielt er ihre Umarmung und drehte sich um seine eigene Achse.
»Wie schön dich wieder zu sehen! Mein Gott, Kyrah! Wie groß du geworden bist!« Sie strahlte ihn mit einem Zahnlücken-Grinsen an. »Ich bin ganze zwanzig Zentimeter gewachsen!«, sagt sie stolz und reckte ihr Kinn nach oben.
»Na-na! Jetzt übertreib nur nicht!« Eine hochschwangere Frau trat zu uns, auch ihre Freude war kaum zu übersehen. Das Mädchen, Kyrah verzog trotzig das Gesicht. »Es sind nur zehn«, grummelte die Kleine.
»Es ist schön dich wiederzusehen!«, sagte sie und ich spürte ein Ziehen in meiner Brust.
Er ließ das Mädchen runter und zog die Mutter in seine Arme. Und ich konnte meine Augen nicht von diesem Anblick abwenden. Irgendwas schnürte mir dabei die Kehle zu. Sie war wunderschön. Höchstens Mitte dreißig. Dunkelblondes Haar, das in dicken Locken über ihre Schultern fiel und dazu große braune Rehaugen. Die Ähnlichkeit zu Kyrah war nicht von der Hand zu weisen. Nur die Augen hatte sie nicht von ihrer Mutter. Blaue Augen. Erneut zog etwas in mir.
»Wer bist du?« Blinzelnd blickte ich herab und direkt in die großen fragenden Kinderaugen.
Ich war außer Stande etwas zu antworten, stattdessen rang ich nach Worten.
»Das ist Rhea«, griff Killian ein, der sich langsam aus der Umarmung löste, aber sie dennoch nicht ganz freigab. »Sie ist eine Freundin.«
Ein Lachen brach aus der Kleinen hervor und sie schlang ihre kurzen Arme um meine Hüfte. Überrumpelt von ihrer Reaktion, tätschelte ich ihr unbeholfen den Kopf und schaute verunsichert zu meinem Mentor. Ihn zusammen mit dieser Frau zu sehen gefiel mir nicht. Und ich konnte mir selbst nicht erklären, warum mir dieser Anblick zuwider war. Verdammt. Und im gleichen Moment war ich froh, sein Gesicht nicht wirklich erkennen zu können. Die Freude die ich erahnen konnte, die mich der Zauber sehen ließ, reichte mir. Würde ich etwas anderes darin lesen können, nein, ich wüsste nicht, was diese Erkenntnis mit mir anstellen würde. Doch ehe ich mich in Vermutungen verfahren konnte, unterbrach er meinen zähen Gedankensturm.
»Rhea, das ist Margeryt. Sie ist meine Schwägerin.« Ein Stein fiel mir vom Herzen. Wieso war ich darüber so erleichtert? Ich hatte doch keinen Grund dazu, ihr gegenüber negativ gestimmt zu sein. Und endlich konnte ich meine Mundwinkel zu einem ehrlichen Lächeln verziehen, das mir noch strahlender erwidert wurde. Sofort tat es mir furchtbar leid, schlecht von ihr gedacht zu haben. Sie schien wirklich nett zu sein und mein erster Eindruck war vermutlich nicht der Beste.
»Freut mich«, brachte ich nur leise über meine Lippen, aber die Herzlichkeit, die mir Margeryt und ihre kleine Tochter schenkten, waren schon fast zu viel für mich. Eine Hand wurde auf meine Schulter gelegt und ich zuckte zusammen. Unbemerkt waren die ältere Frau und ihr Mann, die mich zuerst skeptisch beäugt hatten, hinter mich getreten.
»Du schaust wie ein verängstigtes Rehkitz, Kindchen.« Gerade als ich meinen Mund öffnen wollte, ergriff Killian auch schon wieder das Wort für mich: »Das sind Elfryde und Leupold, Kyrahs Großeltern.« Was war denn nur los mit mir? Herrgott, ich fühlte mich wirklich wie ein Kind, selbst Kyrah konnte mit dieser Situation erwachsener umgehen, als ich es an den Tag legte. Ich wusste weder was ich empfinden noch denken sollte. Meine Gefühle waren noch immer hinter diese Mauer gesperrt und endlich schien auch Killian zu begreifen, dass meine Überforderung möglicherweise sein Werk war. Diese Hilflosigkeit, die mich bewegungslos werden ließ. »Leider müssen wir noch einige Dinge erledigen.«, erklärte mein Mentor, »Deswegen können wir bedauerlicherweise nicht noch länger bleiben.« Sofort schaltete sich das Mädchen ein, die nun die wohl größte Schmolllippe aller Zeiten an den Tag legte.
»Onkel Killian!«, quengelte sie, »Du darfst noch nicht gehen!« Trotzig stampfte sie auf den Boden und schüttelte übertrieben wild mit dem Kopf.
»Liebes«, sagte er, während er in die Hocke ging, »Ich komm euch bald wieder besuchen, ja?« Sie brummelte vor sich hin, ließ sich aber von ihm in eine Umarmung ziehen, die sie fest erwiderte.
»Bringst du die Frau auch wieder mit?« Sie deutet auf mich und schenkt mir dabei ein schüchternes Lächeln.
Ich wartete auf seine Antwort. Ja, sollte ich denn das nächste Mal wieder mitkommen? Durfte ich es?
»Wenn sie möchte, dann siehst du sie wieder.« Und dann warf er mir einen erwartungsvollen Blick zu.
»Gerne!«, sagte ich leise und auf dem Gesicht des Mädchens breitete sich wieder dieses tolle Lächeln aus.
Margeryt schmunzelte und sah dabei ihren Schwager an. Ich konnte diesen wissenden Blick nicht deuten.
»Kyrah, nun lass schon deinen Onkel los! Die beiden müssen nun wirklich weiter.«, tadelte ihre Mutter und ihre Tochter drückte Killian einen Schmatzer auf die Wange. Dieser lachte auf und strich seiner Nichte liebevoll über den Kopf. Ich hatte ihn noch nie so lachen gehört und dieser tiefe und unbeschwerte Klang berührte etwas in mir.
Nun wandte er sich ein letztes Mal an Margeryt und ihre Eltern: »Es war schön euch zu sehen, grüßt Raemon von mir.« Herzlich umarmte er sie, während ich peinlich berührt den Blick senkte. »Auf Wiedersehen«, brachte ich schlicht hervor und wir gingen wortlos weiter.
Nach wenigen Minuten bemerkte ich, dass er mich im Augenwinkel beobachtete.
»Was ist?«
»Du stellst gar keine Fragen?«, wollte er wissen und trotzdem hörte ich etwas amüsiertes heraus.
»Warum sollte ich, wenn ich sowieso keine Antworten bekomme?«
Er schnaubte und dann herrschte wieder diese Stille zwischen uns.
Wir erreichten eine zugewucherte Hütte und er gab mir zu verstehen, dass ich draußen warten sollte, ich tat was mir gehießen und nahm währenddessen meine Umgebung besser wahr. Dieses Dorf schien von all diesem Unheil, das außerhalb dieses Fleckens Friedens herrschte, den Göttern sei Dank, verschont geblieben zu sein. Es war wundervoll eine Szenerie beobachten zu dürfen, die es eigentlich schon lange, sehr lange, nicht mehr gab. All diese Menschen, friedlich, unbeschwert... Und erst jetzt fiel der Groschen. Menschen. Der Knoten in meiner Brust löste sich und meine Gedanken klärten sich. Ich war umgeben von Menschen. Kyrah! Sie und ihre Mutter waren sterblich. Und mit einem Mal schwappten meine Emotionen wieder über. Ich fühlte dieses Glück, dieses Gefühl der Zugehörigkeit und dann hielt mich nichts mehr. Ich ging die Straße entlang, drehte mich um die eigene Achse und nahm alles um mich herum viel intensiver wahr. Gerade als ich mich wieder schwungvoll drehte, rauschte in diesem Moment eine dunkle Erscheinung an mir vorbei. Mit einem wehenden dunkelgrünen Umhang, die Kapuze in sein Gesicht gezogen. Doch als er seinen Kopf drehte, fing ich einen stechend blauen und durchdringenden Blick auf. Seine Augen wurden von einem Wimpernkranz umrahmt und durch eine seiner Augenbraue zog sich eine Narbe. Es verschlug mir wahrlich den Atem. Er war der schönste Mann, den ich je gesehen habe. Strähnen seines dunkelblonden Haares hingen ihm in die Stirn und diese vollen Lippen - herrje! So schnell dieser Moment gekommen war, so schnell war es vorbei. Er verschwand hinter einem Haus und war nicht mehr gesehen. Doch sein Anblick hat sich in mein Gedächtnis gegraben und hinterließ seine Spuren.
»Rhea?« Abrupt fuhr ich zusammen und wirbelte herum. Killian. Doch noch bevor ich sein Gesicht sehen konnte, schlug ich mir die Hände ins Gesicht. Der Zauber hatte seine Kräfte verwirkt und mir wurde in genau diesem Moment klar, dass er all das einen Grund hatte.
»Was -«, begann er, doch ich fuhr dazwischen. »Der Zauber wirkt nicht mehr!«, presste ich hervor und er begriff sofort.
»Verdammt«, fluchte er und zog mich am Arm hinter sich her. »Schau nach unten! Wir können jetzt zurück, ich führe dich zu unseren Pferden, aber schau mich bitte nicht an.«
»Habe ich, ehrlich gesagt, auch nicht vor.«, nuschelte ich zwischen meinen Fingern hervor, die ich mir noch immer wie eine Irre aufs Gesicht presste.
»Woher kommt dein plötzlicher Sinneswandel? Vorhin konntest du es kaum erwarten mein Gesicht zu sehen und jetzt verweigerst du es freiwillig?«, er klang amüsiert, aber ich hörte auch seine Erleichterung.
»Ach sei still!"«, knurrte ich und stolperte erneut über eine Unebenheit.
»Du kannst deine Hände vom Gesicht nehmen. Ich habe die Kapuze übergezogen.«
»Wie gnädig«
Eiligen Schrittes ließen wir das Dorf hinter uns uns und bestiegen die Pferde. Erst als er wieder seine Maske trug, traute ich mich wieder meinen Blick zu heben. Ein letztes Mal schaute ich über meine Schulter zurück ins Dorf. In der Hoffnung diesen Fremden erneut zu erblicken, doch leider wurde mir dieser Wunsch nicht gewährt.


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Swords of AmarantheaWhere stories live. Discover now