Kapitel 11

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Emeroldon wurde von einer dicken Mauer gesäumt und das Tor war so breit und hoch, dass Killians Hütte zweimal durch gepasst hätte. Langsam ritten wir über die Brücke, die dorthin führte, entlang. Um uns herum wimmelte es vor Leuten. Kutschen fuhren uns entgegen, Mägde und dutzende Kinder liefen neben uns her. Zuvor hatten wir bereits einige Verkaufsstände passiert, die entlang der Straße ihre Waren anpriesen. Ein Dutzend Soldaten kreuzten unseren Weg, die Killian ehrfurchtsvoll zunickten. Ich schaute mich um und erkannte am riesigen Wassergraben unterhalb der Brücke mehrere Kinder herum tollen. Fischer saßen in bescheidenen Booten und zogen kleine Netze hervor. Dennoch nahm ich wahr, dass sobald die königliche Garde auftauchte, eine bedrückende Stimmung aufkam, die sofort verblasste nachdem sie außer Hörweite waren. Als wir das Tor erreichten, schallte der Lärm im tunnelartigen Durchgang und Fackeln erhellten die kurze Passage. Im Gemäuer waren nach dem Torgitter schmale Gänge eingelassen, die hoch auf die Mauer führten und kleine Nischen, an deren Rändern schwarze Krusten klebten. Rückstände des Pechs und anderen Substanzen. Wie oft das wohl vor kam, dass Leute durch siedendes Öl schwerste Wunden erlitten? Ein Schauer lief mir über den Rücken und ich schaute nach vorne. Weitere Marktstände säumten hinter dem Tor wieder die Straße und Hütten verteilten sich am Rande der Mauer. Je näher wir dem Schloss kamen, umso mehr Gassen verästelten sich und führten an Siedlungen vorbei. Insgeheim versuchte ich, mir mögliche Fluchtwege einzuprägen. Man weiß ja nie.

Es überraschte mich dennoch, dass sich so viele Menschen auf den Straßen tummelten. Wir erreichten den Marktplatz. Ein Meer aus Hüttchen und Ständen. Ich sog den Duft nach frischen Brotlaiben, anderen Köstlichkeiten und den charakteristischen Geruch verschiedenster Gewürze, ein und mir lief das Wasser im Munde zusammen. Gleichzeitig gab mein Magen ein verräterisches Knurren preis.

Aus der Ferne hörte ich das gleichmäßige Hämmern eines Schmieds, der Metall auf dem Amboss bearbeitete. Zu meiner Rechten boten Verkäufer ihrer Kundschaft die Ware an, breiteten Stoffbahnen aus oder Schnitten vom Brot dünne Scheiben ab und streckten es den Leuten zum Kosten entgegen. Dieses Treiben faszinierte mich. Noch nie hatte ich so viel ... Leben auf einmal gesehen.

Früher kannte jeder jeden, meine Eltern handelten mit unseren Nachbarn oder Vater ritt fort und machte Besorgungen. Und danach spielte sich mein Leben nur noch in Craven ab und dort stand es an der Tagesordnung muskelbepackten Proleten bei Trainingskämpfen zu zusehen, oder selbst ein Schwert in die Hand zu nehmen. Fae wurden dort als Soldaten ausgebildet und in früheren Jahren verlor ich meinen Respekt vor ihnen, wenn ich sah, wie sie miteinander und vor allem mit mir umgingen.

Killian bemerkte meine Faszination und nachdem wir absattelten durchquerten wir gemächlich den Platz. Ich hatte genügend Zeit. mir nahezu alles zu verinnerlichen. Und wenn ich dachte, ich hätte schon alles gesehen, entdeckte ich wieder etwas Neues. Diese kindliche Freude in mir sprudelte hoch.

Meine Augen glitten über dutzende Schnitzereien, die auf einem Tischchen ausgebreitet waren. Dazwischen lagen einige handgefertigte Schmuckstücke. Geflochtene Bänder, Broschen und Ketten, auf deren schmales Lederband glänzende Steine, Federn oder gar scharfe Eckzähne eines Raubtiers befestigt waren. Aber auch kleine gefertigte Silberringe, die vermutlich ein halbes Vermögen kosteten, Medaillons mit verschiedenen Abbildungen darauf und silberne Spiralen, deren Verwendung mir nicht bekannt war.

»Möchtet Ihr eine?« Erschrocken fuhr ich zusammen und bemerkte erst jetzt die Verkäuferin, die mich interessiert musterte. Eine ältere Frau, die mich mit einem herzlichen Grinsen anstrahlte. In ihrem Gesicht hatten sich das Alter in tiefen Furchen in die Haut gegraben und Krähenfüße umrahmten ihre blassblauen Augen. Das Haar hatte sie unter eine Haube verborgen, nur die Ansätze blitzten schneeweiß hervor.

Ertappt und nervös blickte ich umher, doch Killian stand nicht mehr neben mir und schluckend schaute ich wieder zur Frau.

»Tut mir Leid!«, brabbelte ich darauf los, »Ihr habt wunderschöne Kostbarkeiten, aber ich kann mir keines davon leisten.« Erneut ließ ich meinen Blick über die wundervollen Dinge schweifen und schenkte darauf der Greisin ein schüchternes Lächeln.

Swords of AmarantheaWhere stories live. Discover now