Kapitel 19

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Die Klinge des Schwertes sauste auf mich herab und gerade noch rechtzeitig zog ich mein eigenes hoch. Der Treffer und die Erschütterung ließen mich vor Überwältigung und Schmerz in den Knochen aufkeuchen. Mit aller Kraft hielt ich dagegen. Chet löste sich abrupt und wirbelte herum und dann spürte ich schon den unerbittlichen Schlag ins Rückgrat. Er stieß mir den Griff so stark in den Rücken, sodass mir augenblicklich die Luft wegblieb. Ich sackte japsend auf die Knie. Doch er verschonte mich nicht. Packte mich am Schopf, riss mir den Kopf zurück und legte das Schwert bedrohlich an die Kehle.

»Tot«, sagte er, ohne nur den kleinsten Anschein zu machen, aus der Puste zu sein. Ich stöhnte frustriert.

Wochen waren mittlerweile seit meiner unfreiwilligen Pause vergangen und zu meinem Leidwesen, musste ich feststellen, das Chet ein unerbittlicher und ausdauernder Kämpfer war. Er war gut, keine Frage, aber er schonte mich auch nicht. Im Training brachte er mich zum Äußersten meiner Fähigkeiten und gleichzeitig lehrte er mir so viel, dass ich Canon neben ihm vor Neid erblassen sah. Die Manöver, die er mir beibrachte waren allesamt erstaunlich. Tödlich. Präzise. Und trotz all dieser Tortur, stand ich jeden Morgen auf und gierte nach seinem Unterricht.

Zu unserer beiden Überraschung, hatte ich mich schnell von meinen Verletzungen erholt und machte bald da weiter, wo ich aufgehört hatte. Gleichermaßen galt es auch für die Zauberkünste.

Dank des Grimoires durfte ich auch hierbei täglich weitere Fortschritte zählen und Kjell, der mich bei meinen morgendlichen Ausflügen ertappt hatte, begleitete mich bei meiner Ausbildung zur waschechten Hexe. Mittlerweile trug ich die Bezeichnung mit Stolz, wenn ich sah, zu was ich in der Lage war. Was klein, mit dem Entzünden von Kerzen begonnen hatte, war nun zu einer Kraft gewachsen, die mich Dinge eigens mit Willenskraft bewegen ließ; konnte Kjell mit einem Wimpernschlag entwaffnen, oder mit all meiner Kraft einen Krater in den Boden reißen. Es war beeindruckend.

Und trotz all dieser Erfolge und der daraus resultierenden Freude, blieb es mir weiterhin verwehrt, diese mit demjenigen zu teilen, dessen Anerkennung mir doch so wichtig war. Er hatte nie den Glauben in mich verloren, selbst wenn ich an meiner bloßen Existenz zweifelte. Doch seit jenem Abend, hatten wir kein weiteres Wort mehr gewechselt. Er wich mir aus, gab mir keine Chance mich zu erklären und zu entschuldigen. Und so bekam ich ihn nahezu kaum noch zu Gesicht. Seine Abweisung machte mir noch immer zu schaffen und natürlich verstand ich auch seine Kränkung, die ich selbst hervorgerufen hatte, indem ich ihm gewissermaßen hintergangen hatte, doch ich wünschte mir nichts so sehnlicher, als meine Entscheidung rückgängig zu machen.

Damit er wieder ein Teil meines Lebens sein konnte, mit mir feiern würde, wenn ausnahmsweise und viel zu selten, ich diejenige war, die Chet in die Knie zwang und mit einem triumphierenden Lächeln auf den Lippen »Tot« sagte, während ich die Klinge zu seiner Kehle hob, oder Kjell heimlich eine Wurzel um seinen Knöchel wachsen ließ und er der Länge nach Dreck fraß.

Doch am Ende des Tages saß ich alleine auf der Stadtmauer, weil Chet an der Seite von Killian Audienzen des Königs beiwohnten, Kalyea ihre Familie am Abend aufsuchte und Kjell auf Achse war, um »Erledigungen« zu machen.

Ich zog den Korken mit den Zähnen aus einer Flasche und spuckte ihn aus. Verfolgte ihn, wie er auf einem Hausdach landete, herabrollte und in der Gasse darunter verschwand. Den Wein hatte ich kurz zuvor in der Küche mitgehen lassen und nun nahm ich einen großzügigen Schluck davon. Im Schneidersitz saß ich über den Dächern da und beobachtete, wie die Sonne am Horizont mit den Baumkronen verschmolz und langsam die Nacht hereinbrach. Nach dem Tod der Kinder, war nun das zu meiner Tradition geworden. Sah, wie das letzte Licht erlosch und ich die Flasche hochreckte, den Himmel zuprostete und auf all die Toten anstieß, die zu früh gegangen waren. Die Einsamkeit war zu meinem neuen Freund geworden.

Swords of AmarantheaWhere stories live. Discover now