Kapitel 10

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Wenige Tage nach der alles verändernden Wahrheit über mich, kehrten wir nach Emeroldon zurück. Die restlichen Tage in der Hütte brachten wir mit Training zu. Kjell, der nicht nur eine große Klappe hatte, stellte sich schnell als wahrer Meister mit dem Umgang von Schwertern und anderer Waffen heraus.

Und dementsprechend hart war es mit ihm mitzuhalten. Und somit stand Muskelkater und schmerzende Glieder an der Tagesordnung. Die blauen Flecken, die meinen Körper übersäten, gingen nahtlos in roten Schrammen über und auch das ein oder andere Veilchen zierten meine Auge, wenn Kjell mir das Schwert aus der Hand schlug und mir dabei der Griff förmlich ins Gesicht flog. Dabei zog er erschrocken und zugleich entschuldigend eine Grimasse, aber das belustigte Funkeln in seinen Augen konnte er nicht verbergen. Diese lächerliche Situation wurde auch nicht besser, wenn mich die Wucht, die mein Gesicht traf buchstäblich auf meinen Hintern plumpsen ließ und Kjell ein »Uppsi« hervor brachte, statt vor Schmerzen ächzend, brach ich regelmäßig in Gelächter aus. Worauf mein Freund mit einstimmte und mich wieder auf die Beine zog. Eine Stunde dieses Trainings war besser, als alle zusammen, in denen mich Canon auf ein Neues triezte. Am Abend, wenn ich kaum noch stehen konnte, saßen Killian und ich zusammen und er brachte mir immer mehr kleinere Zauber bei, feilten an der Ausübung wichtiger Schutzzauber und erläuterte ausführlich, was ich bei Hexerei zu beachten hatte. Und bei den Göttern, ich starrte ihn oft entgeistert an und stellte meine Fähigkeiten bis ins Kleinste in Frage, wenn er damit drohte, das nur ein falsch angewendetes Wort verheerende Folgen hatte. Die ganzen Sprüche waren einfach zu viel! Ich lernte förmlich eine ganz andere Sprache, weswegen ich mich zu recht davor fürchtete irgendwann eine falsche Floskel zu benutzen und meinen Gegenüber in einen Frosch verwandelte, statt ihn zu schützen. Verkniffen blickte ich die vielen Utensilien vor mir an und musste schlucken, als mein Blick am Grimoire hängen blieb und mich die verschnörkelte Schrift schier verhöhnte. Das gute Zugerede half mir kein bisschen. Ich musste immer wieder an einem Frosch-Kjell denken, der mich mit großen Augen anschaute. Und eins stand fest: Wenn das passieren sollte, würde ich ihm nicht einen Kuss verpassen, diese ehrvolle Aufgabe würde dann an Killian übergehen. Glücklicherweise blieben wir bis zum letzten Abend von dieser Missetat verschont, nichtsdestotrotz brachte ich in dieser Nacht kein Auge zu.

Mein ganzes Leben kannte ich nur mein altes Dorf und die Trainingsstätte Craven vor Emeroldon. Neuerdings zählten dazu auch die kleine Hütte und Killians Dorf dazu. Und zu wissen, dass es uns am morgigen Tag in die Hauptstadt Amaranthea verschlug, machte mir Angst und Bange. Ich kannte die große Stadt nur aus Erzählungen und Geschichten der anderen Fae, mit denen ich in Craven zusammenlebte. Einst soll sie prächtig und voller Leben gewesen sein, aber seit dem großen Sturz war sie ergraut und das, was sie ausmachte, gewichen. Nun herrschte dort nur noch Autorität und ein farbloses Grau.

In meinen Magen rumorte es. Schon beim bloßen Gedanken an diese fremde Stadt, zog sich in mir alles zusammen und die Angst vor den Fae wurde von einer stetigen Übelkeit begleitet.

Killian schien mein Unbehagen zu bemerken und ließ sein Pferd zu meinem zurückfallen.

»Alles in Ordnung?«, fragte er und ich brachte lediglich ein schmallippiges Nicken zustande. »Wir sollten in Kürze Emeroldon erreichen«, setzte er noch hinterher und zugleich spürte ich wieder das schmerzhafte ziehen im Bauch. Auch dies war ihn offensichtlich nicht entgangen und er stoppte sein Pferd. Wir hielten an und ich blickte ihn mit runzelnder Stirn an.

»Was ist?«

»Wir machen jetzt erstmal eine Pause«, sagte er, während er von seinem Hengst absattelte und zu mir herüber ging. Er streckte mir eine Hand entgegen, die ich zuerst ablehnte und Anstalten machte, mich eigenständig vom Pferd zu begeben, doch sobald ich das eine Bein herüber geschwungen hatte, drehte sich mein Magen vollends um. Ich presste mir die Hände vor den Mund und in dem Moment rutschte ich herab. Mein Mentor war sofort zur Stelle und umfasste meine Hüfte. Er setzte mich neben ihn ab, doch auch das bisschen Kraft war aus meinem kränklichen Körper gewichen und meine butterweichen Knie klappten zusammen. Killian stützte mich und wir stolperten zusammen zum nächstgelegenen Baum. Ich fing mich mit der Hand am Stamm ab und kaum hatte ich eine vornübergebeugte Haltung eingenommen, ergoss sich mein Frühstück in den Busch vor unseren Füßen. Würgend und hustend gab ich einen jämmerlichen Anblick ab. Doch Killian stützte mich weiterhin und ließ mich kommentarlos mein Inneres nach außen stülpen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, packte mich Killian unter den Armen, als ich drohte wegzukippen, und lehnte mich rücklings gegen den Baum. Wie ein nasser Sack rutschte ich an der rauen Rinde herab und ich war mir dabei ziemlich sicher, das ein oder andere Loch in den Umhang zu reißen, doch das war mir in diesem Moment schlichtweg egal.

»Geht's wieder?« Er ging neben mir in die Hocke und strich eine Strähne aus meiner Stirn. Mit zusammengepressten Lippen nickte ich knapp und rieb mir dabei den Bauch.

»Wovor hast du Angst?«, fragte er in die Stille. Seine Stimme war so samtweich. Meine Augen waren noch glasig und ich blinzelte meine verschwommene Sicht weg. Mein Atem normalisierte sich und auch mein Magen beruhigte sich langsam wieder. Dennoch schluckte ich die Galle herunter.

»Ich... ich weiß es nicht.«, sagte ich abwehrend. Doch er ließ nicht locker und wusste genau, dass ich ihm einen Bären auf band.

»Sag' schon«

Ich konnte ihn dabei nicht ansehen. »Okay, mir ist nicht wohl dabei, dort auf Leute zu treffen, die für den Tod so vieler verantwortlich sind.« Und den für meine Eltern.

»Ich verstehe das.«, sagte er und nickte nachdenklich, »Rhea, ich verspreche dir, dass ich immer an deiner Seite bleiben werde und dir niemand auch nur ein Haar krümmt.«

Wie gerne hätte ich ihm das geglaubt, aber ich wusste, wie das ablaufen würde. Er könnte nicht immer bei mir sein. Mir fielen dutzende Situationen ein, die ich alleine wäre und wenn es dort genauso viele Menschen verachtende Fae gab, dann war ich dort nie sicher. Dennoch zwang ich mich zu einem Lächeln und schluckte den Kloß in meinem Hals herunter.

Wir ritten an diesem Tag nicht weiter. Noch eine Weile waren wir dort sitzend verharrt und schlugen anschließend unser Nachtlager auf.

Zusammen saßen wir am Lagerfeuer und während er einem erlegtem Hasen, das Fell über die Ohren zog, blätterte ich wieder in dem Grimoire herum, bis meine Augen auf einem Zauber hängen blieben. Einem Trank. Und wenn ich daran dachte, wie gerne ich Canon oder so manch anderen Bastard die Pest an die Hoden gewünscht hätte, zeichnete sich nun ein teuflisches Grinsen auf meinen Gesicht ab. Vielleicht hatte ich damit eine kleine Chance mich zur Wehr zu setzen, wenn mir jemand das Leben zur Hölle machen wollte. Ich verlor mich in diesem Gedanken und erst Killians Worte holten mich zurück in die Gegenwart.

»Was grinst du so?«, auch seine Stimme klang amüsiert.

»Ach nichts«, erwiderte ich, »ich musste nur an etwas denken.«

Swords of AmarantheaWhere stories live. Discover now