Kapitel 16

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In den darauf folgenden Wochen hatte sich in meinem Tagesablauf eine Routine geschlichen: Frühmorgens das heimliche Trainieren als Hexe, Frühstück, die ausgiebigen Schwertkampfstunden mit Chet, einem Kraft spendenen Mittagessen, waschen und umziehen, Kontrollgänge mit Killian durch den Palast, bei dem sterbenslangweilige geheime Dinge gesprochen wurden (es war mir schleierhaft, warum ich dabei sein musste, wenn er sowieso nichts mit mir teilte), abends holte mich Chet erneut ab und zusammen feilten wir an meinen Fähigkeiten als Bogenschütze oder an anderen Abwehrtechniken und zum Schluss, direkt nach dem Abendessen, holte mich Killian zu sich in die Bibliothek, in der bereits dutzende Kinder im Sitzkreis auf seine Geschichten warteten. Keines von ihnen schien vor dem maskierten Mann Angst zu haben. In mitten der Kinder stand ein riesiger mit rotem samt bezogener Ohrensessel, daneben ein kleines Tischchen auf dem ein Buch lag, und er nahm dort Platz. Aufgeregt und abwartend starrten sie ihn an und dann begann er mit seinen Erzählungen. Jeden Abend wurden die Waisenkinder ins Schloss gebracht und gespannt lauschten sie seinen Worten, während er da saß und die Gesichter der kleinen Fae zum Leuchten brachte. Ich hingegen saß beim brennenden Kamin, hatte es mir auf einem riesigen Kissen auf dem Boden bequem gemacht und befolgte seine Anweisung ...zu häkeln. Vor mir lag eine kleine handgeschriebene Anleitung einer Fae, die in der Küche tätig war und mir die ersten Schritte beigebracht hatte. Mittlerweile war sie zerknittert und die Tinte stark verwischt, gerade so noch lesbar. Warum Killian einen so hohen Wert darauf legte, dass ich dieses Handwerk erlernte, war ein weiteres Mysterium, dass er mit seiner griesgrämigen Art für sich behielt.

Und in dieser Zeit erkannte ich, dass ich absolut kein Talent dafür übrig hatte. Killian jedoch schien den Glauben trotz meiner Unfähigkeit nicht aufgeben zu wollen und gaukelte später große Begeisterung vor, wie gut ich doch mittlerweile schon sei. Was offensichtlich gelogen war, denn die Maschen waren ungleichmäßig, was insgesamt einfach nicht ästhetisch wirkte. Und irgendwann taten mir die Finger weh. Ich senkte die Häkelnadel und das Garn auf meinen Schoß und konzentrierte mich auf Killian. Also auf die Geschichte. Nur auf die Geschichte. Nicht Killian, auf seine Worte und seiner tiefgehenden Stimme... Ich richtete mich kerzengerade auf. Die Röte schoss mir ins Gesicht. Woher kamen gerade diese Gedanken?

Peinlich berührt setzte ich meine misslichen Versuche mit dem Garn fort, doch ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, selbst das konzentrierte Lauschen der Geschichte lenkte mich nicht ab: Killians Stimme ging mir unter die Haut. Und das durfte sie nicht. Er war mein Freund und nichts anderes.

Ich hatte keine solchen Gefühle für ihn. Schließlich kannte ich ihn nahezu mein ganzes Leben. Er war eher wie ein ...Bruder...? Das Wort hörte sich völlig falsch in meinem Kopf an. Einfach unpassend. Aber eins wusste ich; ich musste dringend hier weg. Unbeholfen richtete ich mich auch und taumelte, weil meine Beine eingeschlafen waren. Fast unmerklich, lediglich ein kleines Stück, hatte Killian sein Gesicht mir zugewandt und dennoch nahm ich seine Aufmerksamkeit auf. Das Flackern des Feuers warf unheimliche Schatten auf seine Maske. Ich berührte meine Stirn und schloss betont die Augen, um ihn Kopfschmerzen zu signalisieren. Und mit einem dezenten Nicken gab er mir zu verstehen, dass mein Verschwinden in Ordnung war.

Ich packte leise meine Sachen zusammen und schlich zum Ausgang. Einige der Kinder hatten sich mit Decken eingekuschelt und wären ein paar davon bereits tief schlummerten, kämpften andere darum ihre Augen offen zu halten und dann gab es noch wenige die gespannt zuhörten.

Bei diesem Anblick huschte ein leichtes Schmunzeln über mein Gesicht. Es erinnerte mich an eine Zeit, als auch Killian mir Gute-Nacht-Geschichten erzählte und zuvor waren es meine Eltern gewesen. Ein sehnsüchtiger Stich durchzog mein Herz. Ich verließ die Bibliothek und machte mich auf den Weg zu meinen Gemach.

Doch ich kam nicht mehr weit. Noch immer beschämt von meinen unpassenden Gedanken, lief ich unaufmerksam den Korridor entlang und so registrierte ich nicht, wie sich jemand an mich heran schlich. Erst als sich eine Hand von hinten auf meinen Mund und meiner Nase presste, bemerkte ich den Hinterhalt, doch es war zu spät. Meine Lider wurden schwer und ich verlor das Bewusstsein.

Swords of AmarantheaWhere stories live. Discover now