Kapitel 4

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Der schwere Duft der Kräuter hing in der Luft und kitzelte mir in der Nase. Gerade als ich dachte, es sei perfekt, ging es erneut in Flammen auf. Die Mischung aus verschiedenen Kräutern und Salz, die ich in einen Mörser aufbereitet hatte, brannte bis auf die Asche nieder. Ich stöhnte. Es war bereits mein elfter Versuch.
»Ist das dein Ernst?«, jammerte ich und blickte zu Killian. Dieser saß auf einem Stuhl, den er sich vor dem Kamin gestellt hatte. Konzentriert werkelte er an einem Bogen herum, den er in einer Holztruhe gefunden hatte. Die Kapuze hatte er wie immer tief in sein Gesicht gezogen und nur die Nasenspitze seiner Maske lugte hervor.
»Nochmal«, sagte er bloß, ohne mich eines Blickes zu würdigen.
»Du hast es dir nicht einmal angesehen!«, protestierte ich.
»Nochmal«
Während ich gerade wieder von kleinen Bündeln Weihrauch, Myrrhe, Rosmarin und andere Zutaten abtrennte, äffte ich meinen Meister nach. Nochmal. Nochmal. Nochmal. Am liebsten würde ich den Saum seines Umhangs in Brand stecken. Ich fischte aus einem kleinen Glas einige getrocknete Wacholderbeeren.
»Ich bin wirklich sehr versucht, es erneut zu verbrennen, Liebes. Lass das.« Ich warf ihn einen mörderischen Blick zu.
»Mach doch«, grummelte ich. Und augenblicklich verpuffte es zu Asche. In mir begann es fürchterlich zu brodeln. Ich hielt inne. Atmete tief ein und aus. Biss meine Zähne aufeinander bis mein Kiefer knackte und versuchte die Wut zu bändigen. Niedergeschlagen und durchaus gereizt presste ich die Lippen zusammen.
Ich verwünschte ihn. Mehrmals. Erneut nahm ich eines der Bündel in die Hände, als auch dieses sofort Feuer fing. Schnell zog ich meine Finger zurück, das Kraut fiel zurück auf den Tisch und die Flamme erlosch. Nur feine Fäden aus Rauch zogen nach oben. Jetzt reichte es mir.
Abrupt stand ich auf und marschierte zur Tür, doch noch bevor ich sie erreichte, knallte sie zu. Ich zog am Griff, doch sie bewegte sich keinen Millimeter.
»Was soll das?«, keifte ich.
»Warum gibst du so schnell auf?« Noch immer bastelte er unverwandt an diesem verdammten Bogen herum.
»Warum?!«, schrie ich, »Den ganzen Vormittag versuche ich mich an diesem verfluchten Salz und du machst dir offenbar einen fürchterlichen Spaß daraus mich zur Weißglut zu bringen!«
Ungerührt blieb er weiterhin sitzen. Und genau das kitzelte die Furie in mir wach.
»Leg endlich dieses Ding weg!« Wild fuchtelte ich in der Luft herum.
Endlich begann er sich zu regen. Killian stieß einen tiefen Seufzer aus und wandte sich zu mir um. »Das gehört zu deiner Lektion.«
»Lektion?«, blaffte ich, »Du hast dir meine Arbeit kein einziges Mal angesehen, stattdessen schikanierst du mich!«
»Es war beim dritten Mal bereits perfekt.« Ich ballte meine Hände zu Fäusten und meine Augen waren nur noch schmale Schlitze.
»Aber warum - « Mein Meister unterbrach mich.
»Was brauchst du für diesen Schutzzauber?« Seine Frage brachte mich aus dem Konzept und ich stutzte. Verwirrt starrte ich ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an.
»Weihrauch, Myrrhe, Salz, Sandelholz, Rosmarin, Wacholder und Sandarak.«
Er nickte bedächtig.
»Gut. Hättest du es nach dem dritten Mal aufzählen können?«
Ich blinzelte. »Vermutlich nicht« Und dann verstand ich es. Ein kleinlautes »Oh« huschte über meine Lippen und ich ging wieder auf den Tisch zu. Mit gesenkten Kopf setzte ich mich auf meinen Platz und machte mich wieder an die Arbeit. Ich gab es ungern zu, aber das war mir ziemlich unangenehm. Verdammt.
»Rheanna?« Ich hielt in der Bewegung inne. Kommentarlos hatte ich begonnen die Zutaten in die Schale zu legen.
»Es tut mir leid.«
»Schon gut«, erwiderte ich leise. Die Röte erhitzte noch immer meine Wangen.
Das Schweigen zwischen uns breitete sich aus, bis es kaum noch auszuhalten war. Lediglich das Knistern des Feuers und das stetige Schaben meines Mörsers waren zu hören.
»Soll ich es in kleine Leinensäckchen füllen?« Killians Stuhl knarzte und als ich aufblickte, stand er schon neben mir.
»Nimm eine Phiole und reinige sie mit Salbei und Weihrauch.«, erklärte er mir.
Ich band einige Blätter des Salbei zu einem fingerdicken Bund zusammen und wob einige Stückchen des Weihrauchs ein. Danach griff ich zu der kleinen Glasflasche, entfernte den Korken und entzündete anschließend an einer Kerze das Räucherwerk. Die getrockneten Pflanzen qualmten und ich befüllte das Gläschen mit dem süßlich-herben Rauch.
Über meine Schulter blickend, begann Killian etwas vor sich hin zu murmeln. Ein leiser Singsang aus fremden Worten. Meine Nackenhärchen stellten sich auf und ich spürte ein leichtes Surren in der Luft. Heftig blinzelnd beobachtete ich, wie sich in dem Gefäß kleine Wirbel bildeten. Mein Mentor wies mit dem Finger erst auf die Kräutermischung und dann auf die Phiole. Zaghaft füllte ich es hinein und der Rauch waberte über den Rand heraus.
»Adversarii« Abrupt verstummt er. Der Qualm wurde zurück in das Glas gezogen und ich hielt inne. Der Rauch, der dabei über meine Haut strich, kitzelte mich. Killian drückte anschließend einen kleinen Korken in die Öffnung und nahm es mir dann aus der Hand.
»Das hier«, er erhob das Gefäß und drehte es zwischen seinen Fingern, »ist ein Schutzzauber. Die einfachste Variante davon. Materiell. Das kann jeder Nichtmagiebegabte herstellen. Mir ist wichtig, dass du die Elemente kennen und schätzen lernst.«
Eifrig nickte ich. »Schließlich schöpfen wir aus ihnen die meiste Kraft.«
»Aber was soll ich gegen Feinde ausrichten können, wenn ich eine einfache Kräuterhexe bin?« Er schnaubte.
»Du wirst keine Kräuterhexe sein. Magie steckt in allem und es ist entscheidend zu wissen, wie du sie für dich nutzen kannst, ohne deine Seele verkaufen zu müssen.«
»Seele verkaufen?«, japste ich, »Das ist kein Ammenmärchen?«
»Rheanna«, seine Stimme war sanft, aber zugleich tadelnd, »Alles hat seinen Preis und sein Gleichgewicht. Du kannst nicht nehmen, wenn du nichts dafür gibst. Nur wer gierig wird und zu viel nehmen will, als das, was einem zusteht, wird zur Rechenschaft gezogen.«
»Aber die Seele, wie soll das gehen? Es wird doch kein Dämon erscheinen und sie dir aus der Brust reißen?« Eine kindliche Angst machte sich in mir breit.
»Das ist alles viel zu bildlich überbracht. Sie verlieren sich selbst in ihren Ansichten, in ihrem Verständnis. Was glaubtest du, was Fae nicht besitzen würden?«
»Menschlichkeit«, antwortete ich leise.
»Genau. Und jemand, der nur seinen Vorteil will und dabei über Leichen gehen würde, dem fehlt es daran. Es fehlt an seiner Seele.« Das machte Sinn. Es bereitete mir Unmut, dass mein Verstand von den irrationalen Märchen, die mir einst erzählt wurden, so vertrübt worden war. Ich seufzte. Killian legte eine Hand auf meine Schulter.
»Noch erscheint dir alles sehr fragwürdig, doch du kannst mir vertrauen, wenn ich dir sage, dass all das alsbald für dich verständlich sein wird.«
Mit runzelnder Stirn überblickte ich den Tisch und dachte nach. Es war so viel mehr, als ich mir bisweilen vorstellen konnte. Es hing so viel mehr dran. Und allein der Gedanke daran, verursachte mir Kopfschmerzen. Die Zubereitung und das Erlernen dieses einzelnen Zaubers hatte alleine schon eine gefühlte Ewigkeit gedauert, also wie sollte ich jemals zu einer echten Hexe werden, wenn es am Einfachsten bereits scheiterte? Ich schaffte es nicht einmal Ammenmärchen von der Realität zu unterscheiden. Und ich sollte das Handwerk der Magie erlernen? Lernen, wie ich aus bestimmten Kräutern und Tinkturen wirksame Zauber entfesselte? Niedergeschlagen stöhnte ich auf. Mein Mentor schien zu wissen, was in mir vorging, wie die Selbstzweifel sich durch mein Innerstes nagten. Er griff nach einem ledergebundenen Buch, das auf der anderen Seite des Tisches lag, und reichte es mir.
»Es ist viel. Viel Wissen, das du dir erst einmal aneignen musst. Und genau deshalb besitzt jeder Magiebegabte sein eigenes Grimoire.«
Ich nahm es entgegen. Behutsam strich ich über den Einband und bewunderte die Prägungen. In einer geschwungenen Schrift und einer fremden Sprache war etwas darauf geschrieben. »Das ist thebanisch«
Mit dem Finger zog ich die einzelnen Linien nach. »Was steht da?«
»Buch der Schatten« Ich blickte zu ihm hoch. »Oder eben Grimoire genannt.«
»Und was soll ich damit?«
»In einem Buch der Schatten bewahrt eine Hexe all ihre Rezepturen, Zauber und auch ihre Gedanken auf.« Langsam schlug ich das Buch auf und klappte den knarzenden Buchdeckel um. Ich blätterte mich durch die vergilbten Seiten und fasziniert von dem, was sich mir offenbarte. Erleichtert stellte ich fest, dass es in meiner Sprache verfasst worden war. Befüllt mit unzähligen Geheimnissen, Zaubern und Notizen. Runen schmückten die Seiten und ich war mir sicher, dass jede einzelne etwas Bestimmtes bedeutete. Im hinteren Teil fand ich ein Glossar. Dort waren mehrere Dutzend feine Abbildungen und Zeichnungen, die bestimmte Steine und Gewächse darstellten mit Erläuterungen, welche Wirkungen sie hatten, wie man diese anwendete und Dinge, die ich bisweilen nicht verstand.
»War es ihres?«, meine Stimme war kaum mehr als ein ehrfürchtiges Flüstern.
»Ja«, antwortete er belegt und in diesem kleinen Wörtchen hörte ich einen Schmerz heraus, der mir den Hals zuschnürte.
Oh Killian...
»Darf ich darin lesen?«
»Ich glaube schon.« Irritiert erwiderte ich seinen Blick.
»Du glaubst?«
»Das Buch lässt sich nicht von jedem öffnen. Offenbar sieht dich ihr Zauber als würdig an.«
Mir stockte der Atem. Würdig? Aber wie?
Doch noch bevor ich etwassagen konnte, wandte er sich ab. »Es ist spät geworden. Wir sollten schlafen gehen.«



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Swords of AmarantheaWhere stories live. Discover now