10.Kapitel

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Nach der Schule fing mich Markus ab, während ich gerade dabei war, mit Malena zu unseren Fahrrädern zu gehen. Das Gespräch mit Cara und ihr war recht gut verlaufen. Ein paar Mal hatte ich tatsächlich etwas gesagt, ohne direkt dazu aufgefordert zu werden. Es hatte mich zwar eine gewaltige Überwindung gekostet, aber es hatte sich sicherlich gelohnt. 

»Also Kathrinchen, was sagst du dazu?«, fragte Markus mich und ich starrte ihn mit großen Augen an. Natürlich hatte ich mal wieder nicht zugehört. Die Röte stieg mir ins Gesicht und ich schloss meine rechte Hand verkrampft zu einer Faust, während ich meinen Daumennagel mit viel Kraft in den Zeigefinger drückte.

»Was nochmal?«

Malena verdrehte grinsend die Augen.

»Er hat dich gefragt, ob du jetzt was Wichtiges vorhast oder ihn lieber in die Stadt begleiten willst, weil er es nicht alleine schafft, zum Zahnarzt zu gehen«, klärte Malena mich auf und ich sah als Antwort erst sie und dann Markus verdattert an, der zu meiner Verwunderung auch noch bestätigend nickte. Aber ... wieso fragte Markus ausgerechnet mich? Warum fragte er nicht einfach David oder Jamie? Warum dachte er ernsthaft daran, mit mir Zeit zu verbringen? Hatte ich heute überhaupt Zeit? Mein Gehirn ratterte. 

»Also, was hältst du davon? Der Zahnarzttermin dauert nicht lange und danach können wir noch irgendwas machen«, schlug er vor und sah mich hoffnungsvoll an. Hoffnungsvoll? Als ob er sich wirklich wünschte, mit mir heute dorthin zu gehen. Das glaubte er doch selbst nicht. Irgendetwas führte er doch im Schilde.

»Wann müssten wir denn dann los?«, fragte ich, anstelle zu hinterfragen, ob er wirklich so eine anstrengende Person wie mich dabeihaben wollte. Als er meine Frage hörte, wich seine zurückhaltende Haltung einem Strahlen. Ich hatte noch nicht zugesagt! Ich hatte lediglich nach der Uhrzeit gefragt. 

»In einer Stunde würde ich dich bei dir abholen«, meinte er und ich dachte nach. Meine Mutter hatte sicherlich nichts dagegen. Im Gegenteil, sie würde sich wahrscheinlich total freuen, dass ich endlich mal wieder einen richtigen sozialen Kontakt hatte. Meine Therapeutin wäre bestimmt auch begeistert darüber und ich könnte heute die ein oder andere Sache üben. Das schob ich sowieso schon ewig vor mir her. Dieser Punkt überzeugte mich schließlich und ich nickte zur Zustimmung.

»Okay, dann bis später. Ich sollte jetzt losfahren, wenn ich rechtzeitig fertig sein soll«, schob ich noch hinterher und Markus strahlte mich wieder voller Freude an während er ein »Super, ich freue mich schon« herausbrachte. Ich lächelte zaghaft zurück und drehte mich schließlich zu meinem Fahrrad. Wieso hatte ich nur zugesagt? Wie sollte ich meiner Mutter das jetzt erklären? Und vor allem: Wie sollte ich den Tag nur überstehen? Markus hätte jemand anderen fragen sollen, aber jetzt konnte ich nicht mehr absagen. Ich hatte schon zugesagt.

Zuhause angekommen wartete meine Mutter schon mit einem Topf Spaghetti auf mich. Mein Vater kam erst abends nach Hause, weshalb wir immer nur zu zweit zu Mittag aßen. Ich nahm am Esstisch Platz und füllte nervös meinen Teller mit Nudeln. Ich stand auf, um Tomatensoße aus dem Kühlschrank zu holen, und leerte sie über meine Spagetti. Ein bisschen Parmesan noch drauf und dann musste ich meiner Mutter von dem Treffen mit Markus erzählen. Angespannt öffnete ich also die Packung, die schon auf dem Tisch lag, und streute den Käse über die Nudeln.

»Ist etwas passiert? Du wirkst so angespannt«, fragte meine Mutter mich sofort besorgt, während sie mich aufmerksam musterte. Mir wurde schlecht. Die Gabel voller Spaghetti, die ich gerade in meinen Mund führen wollte, legte ich wieder zurück auf den Teller. Ich hätte die Nudeln sowieso nicht heruntergebracht.

»Äh, nein, aber Markus hat mich heute gefragt, ob ich ihn später zu seinem Zahnarzttermin begleiten will und wir danach noch etwas in der Stadt unternehmen sollen. Ich habe zugestimmt. Das ist doch in Ordnung? Er will mich in einer halben Stunde abholen«, erzählte ich ihr mit doppelter Geschwindigkeit und meine Mutter sah mich überrascht an.

Mehr als nur extrem schüchtern | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt