4 - Olivia

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„Und, haben sie dich nach deiner Meinung gefragt?", ich lege den Kopf schief und beobachte Joshuas Reaktion: Eine Mischung aus Verlegenheit und Humor.
„Das haben sie tatsächlich."

„Oh, echt?" Mein Magen macht einen kleinen Hüpfer. Joshua nimmt einen tiefen Schluck von seinem Cappuccino und lehnt sich zurück. Herrje, mit diesen Locken sieht er wirklich aus, als wäre er gerade erst aus dem Bett gestiegen. Bevor ich dazu einen Kommentar abgeben kann, tritt ein Mädchen an unseren Tisch. Sie ist ungefähr zwölf und hält ein Blatt in der Hand. „H-hallo Olivia, kann ich bitte ein, ein Autogramm haben?"
„Na klar, wie heißt du denn?"
„Emma."
„Für Emma", lese ich vor, „Glaub an deine Träume!" Die kleine Emma drückt das Blatt an sich, wirft Joshua noch einen neugierigen Blick zu, und läuft dann wieder zu ihren Eltern.

„Da hast du aber jemanden glücklich gemacht", sagt Joshua und lächelt. „Sicher ist sie morgen in der Schule das Thema Nummer Eins. Ich mein, sie hat Paige getroffen."

„Ja, danke." Ich verdrehe die Augen. Ich bin eigentlich froh, wenn die Leute mehr in mir sehen, als nur einen Charakter aus einer Disney-Serie. Das scheint Joshua zu spüren, denn er fügt rasch hinzu: „Und natürlich hat sie auch die Bekanntschaft von Ricky gemacht. Wart mal ab, gleich wird sie checken, dass sie verpasst hat, den neuen High School Musical Star nach einem Autogramm zu fragen." Wir warten, aber nichts passiert. Im Gegenteil, Emma und ihre Eltern verlassen den Starbucks. Ich muss kichern, als ich Joshuas Miene sehe. Er zuckt mit den Schultern. „Naja, ihr Pech. Wo waren wir eben?"

„Du wolltest mir erzählen, was du denen von der Audition gesagt hast."

„Wollte ich das?" Amüsiert lehnt er sich zurück. „Stimmt. Ich habe ihnen gesagt, dass ich es grauenvoll fand, und du mit deiner Stimme höchstens was im Zoo bei den Brüllaffen verloren hast."

Obwohl es so offensichtlich ein Witz ist, muss ich trotzdem geschockt geguckt haben, denn er beugt sich vor. „Entspann dich Liv, ich habe dich über den Klee gelobt. Naja, aber eigentlich war das auch gar nicht mehr notwendig, die waren sowieso alle schon total begeistert von dir und uns als Couple." Sein "Liv" wirkt vertraut, obwohl wir uns erst ein paar Stunden kennen, und wieder hüpft mein Magen bei dem Gedanken an das immer noch offene Ergebnis der Audition.

Mein Schweigen verunsichert Joshua offensichtlich, denn er rührt in seinem Cappuccino und spielt mit dem Zuckertütchen rum. „Na auf jeden Fall werden bald mit Sicherheit Fan-Accounts für HSMTMTS bei Insta entstehen - wenn es nicht schon welche gibt..."

Mir fällt etwas ein. „Von wem wird dein Insta-Account eigentlich gemanagt?"

„W-was?" Sein verdutzter Blick ist Gold wert.

„Naja, wer sitzt bei dir dahinter, der die ganzen Bilder für dich mit Unterschriften versieht, und Smileys daneben setzt und sich passende Filter zu deinen Selfies überlegt, und...?" „Ich glaub ich habe verstanden", seine Mundwinkel zucken. „Bisher bin ich ganz gut ohne ausgekommen." Er zieht die Augenbrauen hoch. „Hast du etwa jemanden dafür?"

Mit einer Mischung aus Mitleid und Ironie schaue ich ihn an und hebe ebenfalls die Augenbrauen. „Josh", ich habe beschlossen, die Abkürzung zu verwenden - wenn er das bei mir darf, dann darf ich das bei ihm auch. „Du weißt schon, dass du jetzt für Disney arbeitest, oder?"

„Ach echt?" Josh lacht, eine Mischung aus Schnauben und Kichern, aber ich bleibe ernst. „Du wirst leider keine Nacktbilder mehr hochladen können."

„Nein? Das nenne ich mal schlimm." Er kichert noch mehr, und das ist so ansteckend, dass ich einfach mitlachen muss. „Ja wirklich. Und auch keine, auf denen du Alkohol trinkst, oder irgendwelche unpassenden Emojis verwendest."

„Danke für den Hinweis." Er hat sich wieder gefasst, aber seine Augen lachen immer noch. „Also entnehme ich deinen Worten, dass du Insta im Grunde selber gar nicht nutzt?"

„Doch klar, aber was ich poste und wem ich folge, muss abgesegnet werden..."

Josh verstummt, und ich hoffe, ich habe die gute Stimmung zwischen uns nicht verdorben, aber im Gegenteil. Er lächelt mich an. „Dann müssen wir uns wohl umso öfter persönlich treffen. Aber wenn du die Rolle hast, wird das ja kein Problem sein."

„Wenn ich die Rolle bekomme", werfe ich ein, spüre aber trotzdem Vorfreude.

„Sie werden sich ganz sicher bei dir melden, du warst so gut, dass sie sich dich nie im Leben entgehen lassen."

Ich lächle nervös, und wechsel dann das Thema. „Sag mal, stimmt es, dass du auf keine Schule gegangen bist? Dann wird der Dreh sozusagen Einschulung, Schulzeit und Abschluss in einem?"

„So hab ich das noch nicht gesehen, aber im Grunde hast du recht. Bekomme ich denn auch eine Schultüte?", witzelt er und legt den Kopf fragend schief. Ich nicke. „Klar, eine mit Basketbällen."

Wir quatschen noch eine ganze Weile, und ich bekomme immer mehr den Eindruck, dass Joshua Bassett, auch wenn er sich nicht an mich erinnern konnte, ein wirklich netter Typ ist. Er kennt sich wahnsinnig gut mit Musik aus, und immer wieder müssen wir über unser improvisiertes 'You can count on me'-Ständchen beim Casting lachen. Als wir uns verabschieden, umarmt er mich spontan, und ich umarme ihn zurück. Ich glaube, das kann eine richtig gute Freundschaft werden.

Just for a moment - JoliviaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt