8 - Olivia

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„Ich freue mich schon seit Wochen auf diesen Tag!" Julia neben mir hüpft aufgeregt auf der Stelle. „Das macht so Spaß, alles einzurichten, die Bilder aufzuhängen, die Deko zu verteilen..."
Was wie eine Geburtstagsparty klingt, ist etwas ganz Anderes: Wir beziehen unser Zuhause auf Zeit.
Wir stehen vor den Trailern, in denen wir die nächsten Monate verbringen werden und ich freue mich, als ich sehe, dass meiner direkt neben ihrem steht. Joshs ist gegenüber, Sofias ebenfalls, aber auch die von den anderen sind nur wenige Meter auseinander. Die langen weißen Wagen ähneln einer Mischung aus Wohnmobil und Container. Praktische, kleine fahrbare Zimmer. 

Neben dem mobilen Zimmer, in dem wir schlafen wenn wir nicht im Hotel übernachten, gibt es noch eins in dem Gebäude, wo wir proben und uns auf die Dreharbeiten vorbereiten. Dieses Zimmer ist Wohn-Chill-und Schminkzimmer in einem und wartet auch nur noch darauf, eingerichtet zu werden. Eins nach dem anderen, ermahne ich mich, und verabschiede mich von Julia, damit wir loslegen können.

Als ich mein neues Zuhause auf Rädern betrete, drehe ich mich einmal im Kreis. An der Wand steht ein Sofa-Bett mit buntem Bezug, daneben befinden sich ein eingebauter Kleiderschrank und ein schmaler Schreibtisch, auf dem ein großer Blumenstrauß und ein Berg Schokolade liegen. Der Boden wird von einem gestreiften Teppich geziert, und zwei Fenster mit runden Ecken lassen Licht rein. Es gibt ein winziges Bad und eine Mini-Küchenzeile, in der man sich aber maximal Tee kochen kann, aber das macht nichts, wir werden ja am Set verpflegt...

Ansonsten ist es noch ziemlich kahl. Und jetzt kommt der Moment, der echt Spaß macht:
Ich stelle meine Kisten und meinen Koffer ab und fange an, auszupacken.

Eine halbe Stunde später schmückt eine Lichterkette den Raum, an der Pinnwand hängen Fotos von Freunden und Familie und von Zuhause, und ich habe das Sofa mit weichen Kissen verziert. Meine Ukulele nimmt einen Ehrenplatz auf meinem Schreibtisch ein, und ich habe das Abschiedsgeschenk, dass ich von der Crew von Bizaardvark bekommen habe, präsent in mein Regal gestellt. Außerdem (und das freut mich eher weniger) liegt dort ein Stapel Schulbücher, mein Laptop und ein Haufen Hefte und Mappen.
Aber alles in allem sieht der Raum jetzt viel persönlicher aus, und ich freue mich auf die Zeit, die ich darin verbringen werde. Als ich bei Julia klopfe, reißt sie die Türe auf und grinst. „Bereit?"

Ich habe geahnt, dass der Raum ihrer Persönlichkeit gerecht werden wird, aber das hier übertrifft jede meiner Erwartungen. Über dem Bett-Sofa liegt eine breite Decke, die in den knalligsten Farben leuchtet. Daneben sitzt ein riesiger Teddybär. Wenn ich sage riesig, dann meine ich wirklich riesig. Mindestens ein Meter zwanzig und mit glänzenden Knopfaugen. Er hat ein kariertes Halstuch umgebunden, und wirkt damit sehr zufrieden und absolut zum Knuddeln.
„OMG, ist der süß!" Ich kann mich kaum zurückhalten, mich auf den Teddy zu stürzen. „So einen wollte ich schon immer mal haben!" Julia grinst. „Ich auch. Hab ich geschenkt bekommen."
Auch der Rest des Zimmers ist toll eingerichtet. Das Regal an der Wand wird eingenommen von Büchern, Fotorahmen und Souvenirs. Glitzernde Vorhänge und mehrere kleine Lavalampen verleihen dem Raum eine Art Disko-Feeling. Auf Julias Schreibtisch türmen sich das Drehbuch, Textmarker und Nagellacksorten. Ich entdecke mindestens fünf Neon-Töne und nehme mir vor, sie bei Gelegenheit zu fragen, ob ich mir den orangenen mal leihen kann. Ich drehe mich einmal im Kreis. „Ich LIEBE dein Zimmer!"
Sie lacht. „Danke... - Zeigst du mir auch deins? Da wimmelt es bestimmt vor Musikinstrumenten und..." Es klopft.

Vor der Tür steht Joshua. „Oh, hey Julia", er wirkt von den Farben überwältigt, und braucht sichtlich einen Moment, um seine Gedanken zu ordnen. Als sein Blick auf den Teddy fällt, reißt er kurz die Augen auf, grinst und schüttelt den Kopf. Dann sagt er zu mir: „Ich hab dich gesucht."
Ich merke, wie Julia mir einen neugierigen Blick zuwirft. Wir kennen uns zwar erst seit einer Woche, aber wir quatschen viel, und sie ist wirklich eine gute Zuhörerin. Anscheinend auch eine gute Beobachterin, denn so, wie sie jetzt guckt, wird sie mich bestimmt nachher fragen, ob was zwischen mir und Josh läuft. Das tut es safe nicht, wir sind nur Freunde - obwohl er mit seinen tollen dunklen Augen und seinem Lächeln gerade wirklich zum Anbeißen aussieht.
Etwas verspätet antworte ich: „Ach echt? Was gibt's denn?"
„Tim wollte irgendwas von uns beiden, er meinte, wir müssten uns mal zusammensetzen, er hätte da eine Idee."

„Das klingt ja geheimnisvoll", ich erwidere sein Lächeln. „Aber gut, dann gehen wir mal besser hin." Ich folge Josh, und Julia winkt mir zu. „Bis nachher! Und denk dran, ich will dein Zimmer auch noch sehen!"

„Ich muss noch kurz meine Gitarre holen", Josh steuert seinen Trailer an, und ich folge ihm die Stufen hoch. Neugierig werfe ich einen Blick in den Raum, während er seine Gitarre in ihre Hülle packt. „Ich habe leider keinen Teddybären und auch keine Glitzervorhänge", entschuldigt er sich und wirkt mit seinen Locken und den Grübchen schon Teddybär genug.

„Ich auch nicht. Ich glaube, das ist so ein Julia-Ding", kichere ich. „Wobei die Vorhänge wirklich toll sind!"

Joshs Zimmer ist ganz anders, als das von Julia oder als meins, aber es gefällt mir.
Seine Gitarre hängt an der Wand, und in dem breiten Regal liegt eine Sofortbildkamera, die er anscheinend auch fleißig nutzt, denn seine Pinnwand ist voll von Schnappschüssen. Sie hängen wild durcheinander, aber ich würde wetten, dass sich dahinter eine bestimmte Ordnung verbirgt. Auf den Fotos sehe ich einige Leute aus seiner Clique, die ich vor ein paar Wochen mal kurz gesehen hab, als ich mit Josh unterwegs war. Ich war schon etwas neidisch, dass sie ihn schon so lange kennen und teilweise schon ewig mit ihm befreundet sind, aber jetzt, wo wir fast 24/7 zusammen am Set sind und drehen, spielt das keine Rolle - und Neid ist sowieso was Blödes.
Ich entdecke sogar mich selbst auf einem Bild, wo wir gerade rumalbern, und muss unwillkürlich wieder Lächeln bei dem Gedanken, an unser Treffen nach dem Casting, wo wir mit Mads und seinen Freunden Picknicken gegangen sind. Das war ein toller Tag.
Der Rest des Zimmers ist auch schon so gut wie fertig eingerichtet.
Joshs Teppich ist dunkelblau, genau wie die Kissen auf dem Sofa und die Vorhänge an den Fenstern. Eine kleine Topfpflanze steht auf seinem Schreibtisch, und in der Küche lehnt ein Bilderrahmen an der Wand, auf dem Josh zu sehen ist, wie er als Kind in einer HSM-Theateraufführung mitgemacht hat. Er hat dem Raum auch schon ein bisschen gemütliches Chaos verliehen, indem er seinen grauen Hoodie über die Stuhllehne geschmissen und ein paar Sneakers in die Ecke gepfeffert hat.
Ich finde, er hat Geschmack.

„Alles klar, dann mal los", Josh nimmt seine Gitarre, und wir machen uns auf dem Weg zum Set, wo Tim Federle auf uns wartet.

Just for a moment - JoliviaWhere stories live. Discover now