18 - Liv

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Nach dem Film, von dem ich nicht viel mitbekommen habe, weil ich mir die ganze Zeit Gedanken über unsere Beziehung und Joshs Reaktion gemacht habe, schlendern Ethan und ich noch durch die Straßen von Salt Lake City und steigen dann in den Bus, der uns zum Studio zurückbringt. Salt Lake ist anders als LA, aber echt schön. Überall leuchten Ampeln und Reklame, und Autos stehen selbst um diese Uhrzeit auf den Straßen zwischen den Hochhäusern teilweise Stoßstange an Stoßstange. Es gibt Cafés, Restaurants und Clubs, und durch die Stadt fährt eine Stadtbahn, was ich ziemlich cool finde. Bei unserem ersten gemeinsamen Ausflug in die Stadt sind alle vom Cast mit ihr gefahren, und dann haben wir Sehenswürdigkeiten und Läden abgeklappert und uns mit Süßigkeiten und Snacks beladen in den Park gesetzt und stundenlang gequatscht.
Aber auch das Panorama dieser Stadt ist kaum zu überbieten: Lange Bergketten ziehen sich am Horizont der Stadt entlang und sowohl morgens, als auch abends, verleiht die Sonne ihnen ein rotgelbes Glühen. Manchmal ziehen riesige Schatten über die Berge und dann wiederum, färbt sich der Himmel rosa und lila, und alles wirkt total romantisch. Hier eine Zeit lang zu leben, ist wirklich eine Erfahrung.

„Utah High School!" Wir steigen aus dem Bus aus, und kurze Zeit später stehen wir auf dem Platz, wo die Trailer parken. Ethan Eltern übernachten in einem Hotel in der Nähe, und so hat auch er keinen weiten Weg mehr.

„Liv?" Ethan schaut mich fragend an.

„Hm?"

„Ich hab nur gefragt, wie dir der Film gefallen hat."

„Oh, sorry, er war gut, oder? Wie fandest du ihn?"

„Ich konnte mich nicht so gut darauf konzentrieren", gibt er zu.

„Was, wieso?"

„Ich musste die ganze Zeit an mein Filmprojekt denken und an Dinge, die ich erledigen muss, wenn ich wieder Zuhause bin. Und dann wiederum hab ich zu dir gesehen und dachte, wie gerne ich öfter kommen würde und wie sehr ich dich vermisse."

Ich schlucke. „Ich vermisse dich auch, Ethan." Ein kurzes Schweigen entsteht. Normalerweise ist es nicht unangenehm, wenn wir schweigen, aber jetzt liegt Spannung in der Luft. Ethan räuspert sich. „Liv, sei ganz ehrlich, hattest du heute das Gefühl, es ist wie früher?"
Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Ja, nein, vielleicht. Ja schon, aber ich wünschte, es wäre nein. „Es ist anders als früher", sage ich nach einer Pause, und ich lächle unsicher. „Das ist doch nicht automatisch schlecht, oder?"

„Nein natürlich nicht. Aber würdest du sagen, dass zwischen uns alles okay ist?"

Ich will ihn anlügen. Will ihm sagen, dass natürlich alles okay ist, dass ich immer noch in ihn verknallt bin, wie an dem Tag, an dem ich ihn das erste Mal nicht mehr nur als Schauspiel-Partner/Freund gesehen habe.

Aber irgendwie kommen mir die Worte nicht über die Lippen, und auch Ethan schweigt. Dann nimmt er meine Hände in seine. „Liv, können wir ganz offen reden?"

„Ja klar." Ich versuche ein Lächeln.

„Ich vermisse uns." Er holt tief Luft. „Ich vermisse die Zeiten, in denen wir zusammen vor der Kamera standen und jeden Tag viel Spaß hatten. Und obwohl es nervig war, vermisse ich es, dass wir uns nur so treffen konnten, dass es keine Paparazzi und keine Fans mitbekommen, weil wir unsere Privatsphäre wollten - und natürlich immer noch wollen. Und ich vermisse die Zeit, in der ich nicht ein Punkt auf deiner To-Do-Liste war, und du einer auf meiner."

„Ich bin ein Punkt auf deiner To-Do-Liste?" Entsetzt starre ich ihn an, während sich ein halber Lachflash in mir bildet. Es ist doch absurd, er spricht genau das aus, was ich fühle, weil er genau dasselbe fühlt, aber gleichzeitig wissen wir beide, dass es zwischen uns nicht mehr funktioniert.

„Du weißt, was ich meine", Ethan lächelt schief, aber ich bemerkte seinen Mundwinkel, der leicht zittert.

„Ja, ich weiß, was du meinst." Ich zwinge mich, nicht zu weinen. „Meinst du, wir kriegen das wieder hin?"

„Ich bin mir nicht sicher."

„Wir könnten uns öfter treffen", schlage ich halbherzig vor. „Und mehr telefonieren, sodass wir nicht so lange Pausen haben."

„Ich weiß nicht, ob das reicht nicht", Ethan starrt auf die Trailer neben uns. „Es würde nicht das, was uns verloren gegangen ist, ersetzen, oder?"

„Ich glaube nicht", sage ich und kann das Beben in meiner Stimme nicht mehr unterdrücken. „Vielleicht ist es besser so, wenn wir wieder nur Freunde sind. Also nicht dieses typische 'Lass uns Freunde bleiben', sondern echt und ernst gemeint."

Ethan atmet hörbar erleichtert aus. „Ich wollte es nicht sagen, weil es wirklich immer bescheuert klingt. Du weißt, ich mag dich immer noch sehr, daran ändert das gar nichts. Ich will nur, dass du glücklich bist, und ich hab das Gefühl, ich bremse dich aus."

„Und ich will, dass du glücklich bist. Vielleicht sollten wir an dieser Stelle wirklich einen Cut setzen." Ich weiß nicht, wie ich es schaffe, das zu sagen, aber ich sage es.

Ethan zieht mich in seine Arme. Es ist gewohnt vertraut und fühlt sich an wie immer, aber alles ist anders. Dann gibt er mir einen Kuss auf die Wange. „Gute Nacht Liv."

„Gute Nacht, Ethan."


***



Ich heule die halbe Nacht und schlafe erst ein, als die Sonne ihre ersten Strahlen durch meine Fenster schickt. Morgen ist Sonntag, da ist es kein Problem, dass ich ausschlafe, aber ich weiß, wenn ich aufstehe, dann ist Ethan wahrscheinlich schon abgereist, und ich sitze mit Liebeskummer in meinem Trailer.

Ich schlafe ziemlich schlecht und träume wirres Zeug von Ethan und dann von Josh und werde gegen Mittag von lautem Klopfen an meiner Tür geweckt. „Liv? Liv, bist du wach?"

Ich will nicht wissen, wie meine Haare aussehen, und wahrscheinlich habe ich vampirmäßige Ringe unter den Augen, aber ich fahre mir einmal durch die Haare, zupfe mein oversize T-Shirt zurecht und öffne. Josh steht vor der Tür, seinen Lieblingshoodie an, und zwei Kaffeebecher in den Händen. Unter seinen Arm hat er eine Tüte geklemmt. Kurz bleibt sein Blick an meinen Beinen hängen, die in einer Schlafanzughose mit Regenbogen-Einhörnern stecken, dann sagt er: „Ich hab das von dir und Ethan gehört. Kann ich reinkommen?"

Ich nicke und setze mich wieder auf mein Bettsofa „Von wem weißt du das mit Ethan?" Ich beobachte, wie er kurz unschlüssig stehen bleibt und dann die Tüte auf dem Tisch abstellt und die Vorhänge aufzieht. Die Sonne knallt von draußen rein, und ich bin froh, dass heute keine Arbeit ansteht und mich niemand so sieht. Naja außer Josh. Der lässt sich mit ein wenig Abstand auf dem Sofa neben mir nieder und drückt mir einen Kaffeebecher in die Hand. „Ich habe ihn heute Morgen getroffen", sagt Josh knapp. Ich schlucke und nicke. Klar, Ethan musste ja irgendwas sagen, wieso er schon wieder abreist. Oder ist er noch geblieben, um Urlaub in Salt Lake zu machen? Wohl kaum.
„Hier, du musst was essen..." Josh pflückt die Tüte vom Tisch. „Voilà: Frisch vom Buffet geklaut", er öffnet sie, und aus ihr steigt ein Duft nach Croissants und Muffins auf.
Lustlos nehme ich mir einen Muffig und beiße hinein. Er schmeckt wie pappe, aber ich will Josh nicht enttäuschen, also nehme ich noch einen Bissen. Beim Stichwort 'Enttäuschen' füllen sich meine Augen wieder mit Tränen. Ich habe Ethan enttäuscht. Wenn ich mich ein bisschen mehr bemüht hätte, dann wären wir jetzt noch zusammen.

„Hey...", Josh stellt seinen Becher zur Seite, die Tüte raschelt, und dann nimmt er mich in seine Arme. Ich vergrabe meinen Kopf an seinem Oberkörper und will nie wieder von dort auftauchen. Seine Wärme und sein Geruch hüllen mich ein, und mit einem Mal fließen die Tränen wieder. „Er meinte, dass wir gegenseitig nur noch ein Punkt auf unserer To-Do-Liste wären", sagte ich zwischen zwei Schluchzern. „Und das Schlimmste ist, dass er damit recht hat. Ich bin so eine schlechte Freundin gewesen. Die mieseste, die man sein kann."

„Das kann ich mir nicht vorstellen", Josh drückt mich ein bisschen fester an sich. „Alles wird wieder gut Livvy."


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Hättet ihr Lust, Salt Lake City und die „East High" zu besuchen? Ich auf jeden Fall ⛹🏻‍♀️😁

Just for a moment - JoliviaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt