24 - Liv - "I love you."

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Nervös kaue ich auf meiner Unterlippe. Josh hat sich heute Morgen nicht blicken lassen, und ich dachte, wir würden vielleicht noch einmal die Szene durchgehen. Also bis auf den Kuss. Ich versteh nicht, warum ich deswegen so nervös bin, ich versteh's wirklich nicht. Vielleicht liegt es daran, dass es das erste Mal ist, dass ich jemanden küsse, seit ich mich von Ethan getrennt habe? Aber es ist ja nur geschauspielert, also etwas, das keine große Sache ist.
Tatsache ist, dass mein Herz ungewohnt heftig klopft und ich das Zittern meiner Finger nur wegbekomme, in dem ich meine Ukulele in die Hand nehme und spiele. Ich weiß nicht, wie oft ich mich schon durch alle meine Lieblingssongs gearbeitet habe, aber noch treffen mich keine genervten Blicke von den anderen, also scheine ich mich noch im Rahmen zu bewegen. Als ich das dritte Mal bei "just for a moment, a moment in love" angekommen bin (ja, das ist einer meiner Lieblingssongs), erscheint Tim am Set. Neben ihm steht Josh und lächelt mich an. „Ready?"
Ich stehe auf und lächle zurück. „Wenn du es bist."
Josh grinst, und an seinem Grinsen kann ich erkennen, dass er vielleicht doch ein kleines Bisschen nervös ist. Das wiederrum macht mich noch nervöser. Gemeinsam gehen wir an den Kameraleuten und Tontechnikern vorbei, und ich atme unauffällig tief durch, während ich verkabelt werde. Nicht die Nerven verlieren. Du hast auch schon Matt geküsst. Das ist etwas anderes, meldet sich die Stimme in meinem Kopf, und ich befehle ihr, die Klappe zu halten. Ich bin froh, dass die anderen vom Cast nicht alle zusehen, auch wenn sie es gerne gewollt hätten. Aber Tim und Kenny waren der Meinung, dass bei dieser Szene möglichst viel Ruhe von Nöten wäre. Ich begebe mich zu meiner Position, Josh sagt noch kurz etwas mit einem fragenden Blick zu Tim, der nickt und dann hebt Josh den Daumen. Seine Mundwinkel zucken, als er sieht, wie ich die Ukulele, die ich bis jetzt noch mit mir rumgetragen habe, einer Assistentin wie ein rohes Ei in die Hand drücke. Noch einmal werfe ich einen Blick auf mein Spiegelbild. Das Oberteil im Schottenmuster und der himbeerfarbene Rock passen perfekt zu Ninis Stil, genauso wie der Pferdeschwanz und die weißen Kniestrümpfe. Ich weiß nicht, ob ich so etwas in der Realität tragen würde, aber der Pullover gefällt mir, und ich beschließe zu fragen, ob ich ihn im Anschluss an die Dreharbeiten behalten kann.
„Alle bereit?"
Ich schließe die Augen, entspanne meine Gesichtsmuskeln und denke noch einmal an den Text. Er sitzt, das weiß ich.

Und dann geht es los.


***


Josh kommt durch die Tür. Ich stehe an dem Tisch und packe meine Klamotten ein. Die ersten Sätze laufen gut.

„Sie weiß nicht, was sie verpasst", sagt Josh und bezieht sich auf die Frau von der Theaterschule.

„Ist schon okay."

„Sicher?"

„Ja..."

Er ist Ricky, ich bin Nini. Wir schaffen es, die seltsamen Pausen, die zwischen uns entstehen sollen, zu kreieren. Wir werfen uns die Sätze wie Bälle zu, und es ist einer der Momente, bei denen man merkt, dass die Chemie stimmt und in denen klar wird, warum sie uns damals unbedingt zusammen casten wollten.
Es dauert nicht lange, dann sind wir bei dem Schlüsselmoment angekommen.
Alles andere kann wiederholt werden, aber es ist echt schwer, mehrmals hintereinander so zu tun, als würde man gleich in Tränen ausbrechen.
Ich gehe zur Tür, meinen Rucksack geschultert.

„Ich liebe dich."

Ich wirble herum.

„Ich liebe dich, seit du dir damals die Ukulele geschnappt hast und den Song über Wolken gesungen hast. Einen albernen Song über Wolken. Ich liebe dich. Und an dem Tag in deinem Zimmer wollte ich es sagen. Und ich habe mir seitdem jeden Tag in den Hintern getreten, weil ich es dir sagen wollte. Ich liebe dich. Ich liebe dich seit der siebten Klasse, wo ich dich dazu gebracht habe, dich mit mir in die vorderste Reihe von Demons Destiny zu setzen und du mir gesagt hast, dass dir manchmal in Achterbahnen schlecht wird, und ich habe gesagt: Komm schon, leb ein bisschen. Und dann habe ich mich über deine Schuhe übergeben, und du hast mir nicht mal Vorwürfe gemacht. Nein, du hast nur gesagt... uhm..."

Just for a moment - JoliviaWhere stories live. Discover now