𝟎𝟒|𝐧𝐲𝐤𝐭𝐨𝐬

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K A P I T E L 4

Die nächsten Sekunden waren die längsten Sekunden meines Lebens. Ich war mir sicher das noch nie jemand so qualvoll langsam eine Tür geöffnet hatte, wie dieser Kerl es tat. Der Boden knarrte unter seinen Füßen. Das erste was ich von ihm wahrnahm waren schwarze Sneaker. Er trug schwarze Sneaker mit verschmutzten alten Schnürsenkeln. „Du bist also June.", seine Stimme war dunkel und rau und lenkte mich von meinem kurzen staunen ab. Ich hatte das plötzliche Bedürfnis ihm mein Lieblingsbuch in die Hand zu drücken und ihn vorlesen zu lassen, so idyllisch war sein raunen. Mein Blick lag immer noch auf seinen Schuhen. Er hatte mittlerweile den Platz von Atlas, mir gegenüber eingenommen. Ich hörte ihn erschöpft ausatmen. „Wo kommst du her?" Ich antworte nicht. „Wie alt bist du." Nichts. „Bist du überfallen worden?" Stille. „Ich bin Killian." „Alpha Killian." verbesserte ich und sah das erste Mal zu ihm auf.

Er schenkte mir ein leichtes Lächeln. „Gut erkannt, Sherlock." Ich lächelte nicht zurück, mir war nicht nach lächeln, mir war nach weinen. „Ich möchte bitte gehen." „Nein." Sagte er stumpf und lehnte sich ein Stück nach vorne. „Das ist Kidnapping." hauchte ich. „Du bist auf meinem Land, das ist unbefugtes Betreten, Liebes." Genervt verschränkte ich die Arme vor der Brust und schenkte ihm mein bestes Poker Face.

„Ich möchte wirklich keine Probleme machen Alpha, aber..."

„Killian." Verbesserte er mich und ich zog die Stirn kraus. „Ich möchte wirklich keine Probleme machen Alpha...Killian." Er nickte kurz und begann sich nachdenklich die Handflächen zu reiben. „Wie alt bist du?" „neunzehn." Log ich und biss mir auf die Zunge. Seine Augen verengten sich minimal, so als hätte sich in seinem Kopf ein gerade noch bestehender Gedanke in Luft aufgelöst. „Ich bin dreiundzwanzig." Hauchte er, in der Hoffnung auf einen minimalen Akt der Sympathie. Nichts.

Er seufzte erneut. „Dir muss man wirklich jeden Mucks aus der Nase ziehen." „Ich rede normalerweise nur mit Leuten, denen ich etwas zu sagen habe." Er nickte und erhob sich. Seine Schultern waren gestraft und sein Kinn stolz erhoben, während er an mir vorbeilief. Er nahm sich einen Stift vom Schreibtisch des Docs, und steckte ihn sich hinters Ohr. „Hast du Familie June?" Seine Fingernägel klackerten auf dem dunklen Holz. Ich biss mir auf die Zunge und wand den Kopf ab. Er trat näher heran und strich mit seinen groben dicken fingern über meine erhitzte Wange.

„Weißt du June, du könntest uns eine sehr große Hilfe sein." Seine Hand strich über meine Kinnlade hinab zu meinem Kehlkopf. Ein Schluchzen entkam meinem Mund und ich wandte mich unter seinem Griff. „Bitte...bitte tuen sie mir nicht weh!" All die gesammelte Selbstsicherheit war wie weggeblasen. Langsam, wie in Zeitlupe, kam er meinem Ohr immer näher. „Aber, aber June. Wer hat dir denn gesagt das wir dir wehtuen würden?" „Alpha, ich bin von ihrer fürsorglichen Gastfreundschaft zwar sehr berührt, allerdings würde ich nun gerne weiterziehen."

„Killian." Hörte ich ihn hauchen. Er schluckte und nickte dann stumpf. „Ich muss dies zunächst mit Atlas bereden." Er verließ den Raum, und ich nutzte die Stille, um meine Augen zu schließen und mich zu entspannen.


°

Meine nackten Füße standen in der Kälte, nur in einem dünnen Nachthemd bekleidet stand ich mitten im Wald, umringt von Bäumen und Schnee. Ein Grollen erweckte meine Aufmerksamkeit. Strahlend blaue Augen brannten sich in mein Bewusstsein und hielten mich gefangen. Sein Fell war von Schnee überseht, nur durch seine vibrierende Schnauze konnte man vorahnen, dass es einst grau gewesen war. Wieder ein Grollen und dann schnelle Schritte. Er rannte, geradewegs auf mich zu. Renn. Renn June. Doch ich bewegte mich nicht.

Gerade, als er fast meine Nasenspitze berührte verschwand er, verschwand der Wald. Ich war nun im warmen. Ich befand mich in einem Salon mit einem großen Kamin und zwei großen Ohrensesseln. Ich roch einen Hauch von Rosen und Vanille. Es war alt, allerdings auch edel und schlicht. Ich wollte mich gerade am Feuer wärmen, als ein lautes Schluchzen hinter mir ertönte.

Mein Herz blieb stehen als ich die Aschbraune Haarpracht erkannte. Lilly.

LILLY.

LILLY
LILLY... Lilly lebt.

Sie hockte auf dem Boden und schruppte das Holz. „Lilly?" Erst dann fiel mein Blick auf ihre Kleidung. Blut. Sie schruppte das Blut auf dem Boden auf und weinte. Wieso schruppte sie Blut? Wie...wieso warum? „Lilly?" rief ich lauter, doch wieder keine Reaktion. Ich griff nach ihren von Blutergüssen übersäten Armen und schüttelte leicht. „Lilly, ich bin es, June." Sie sah auf, in meine Augen. Tränen liefen ihre gerötteten Wangen hinunter und ihre Lippen bebten. „Bitte." Hauchte sie. Ich sah sie nur verwirrt an, „Bitte!" schluchzte sie und ich schüttelte sie erneut. „Lilly was?" „BITTE!" schrie sie so laut, dass ich mir die Ohren zuhalten musste. Ihre Schreie brachen mir das Herz.

„Ich krieg es nicht raus. Ich krieg es nicht raus. Bitte bitte bitte. Ich krieg es nicht raus. Es tut mir leid." Sie sah auf ihre bebenden Hände. „Es tut mir leid. Es tut mir leid." „Lilly." Ein Schatten erhob sich vor und Lillys Körper erbebte noch intensiver. „Es..tut...mir...leid." Ein Schlag.

°

Von der Intensität meines Traumes überrascht schreckte ich auf. Ich hatte schon lange nicht mehr von meiner Schwester geträumt, vor allen waren die Träume zuvor nie so real gewesen, wie dieser es gewesen war. „hast du gut geschlafen June?" hörte ich Atlas Stimme neben mir sagen und ich nickte stumpf. Atlas fungierte an meinem Infusionsschlauch herum und checkte meine Blutwerte. „Hey Atlas?" Er schenkte mir ein Lächeln. „Ja June." Ich war mittlerweile fest der Überzeugung das ich wohl noch etwas länger hierbleiben müsste, als ich mir wünschen würde. Weshalb also nicht gleich Stereotypen und Mythen aus dem Weg räumen? „Erzählst du mir etwas über Werwölfe?" Sein Grinsen wurde noch breiter und er nickte. Er schnappte sich einen Stuhl und setzte sich mit diesem vor mein Bett. „Was genau willst du denn wissen?" Ich dachte gut über jeden Schritt, den ich tat, nach, doch auffällig durfte ich nicht dabei sein. „Was sind eigentlich Mates?" Sein bis eben bestandenes Lächeln verrutschte aus seinem Gesicht und seine Augen durchfluteten auf einmal eine unbeschreibliche Leere.

„Habe ich einen Nerv getroffen, Doc?" er schüttelte den Kopf. „Mates...sind der Legende nach... von der Mondgöttin erwählte Seelenverwandte. Lebenspartner für die Ewigkeit." Ich runzelte die Stirn. „Und Sie haben diesen Lebenspartner noch nicht gefunden?" überraschenderweise schüttelte er den Kopf. „Doch." Antwortete er schlicht. „Ist sie tot?" „Nein, wir hatten heute morgen nur eine kleine...Meinungsverschiedenheit, das ist alles. Verzeih mir June für mein Abdriften"

„Kein Problem Doc."

𝐧𝐲𝐤𝐭𝐨𝐬Where stories live. Discover now