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Meine Füße schlichen sich in Laubansammlungen, die die Menschen im Herbst aufsammelten und hofften, dass kein Wind diese wieder weg fegte. Wer dachte aber an unschuldige 18-Jährige, die ihre Wut nicht immer unter Kontrolle hatte? Genau: Niemand.

Meine Füße kickten die Blätter unter der Herbstsonne, während ich gleichzeitig versuchte meine Tasche an meinem Körper fest zu halten. Es war viel zu einfach gewesen, da ich selbst nicht gerade den typischen Menschen abgab. Dabei sprach ich nicht von meinen super Noten in der Schule, die Schulkameraden sich fragen ließen, ob ich noch ein Mensch war. Das war es ja. Ich war ein Halbmensch. Jemand, der sich auch teilweise in eine andere Art von Tier verwandelte, solange er unter Menschen in Gefahr war.
Ich hatte eine Wölfin.
Eine ziemlich kräftige sogar.

"Hast du auch manchmal feuchte Träume?"

Was war das für eine Frage? Wieso war ich überhaupt rot angelaufen? Es war bloß Carlson gewesen. Es ärgerte mich schlichtweg, dieser Idiot.

Mein Herz holperte mit jedem weiteren Kick im Takt. Ich hasste dieses Gefühl. Ich musste mich dauernd an den Moment erinnern und ich konnte nichts dagegen machen. Man musste ihn tolerieren, weil er der Beta meines Rudels war, die rechte Hand des Anführers, der das Kommando hatte.
Wölfe konnten nur im Pack überleben und waren somit an andere gebunden und einer der Regeln unterstreicht nun mal die Loyalität zum Beta.

"Arschloch", zischte ich durch meine Zähne und versuchte dabei, meinen Herzschlag wieder unter Kontrolle zu bekommen.
"Ich hasse ihn."
Was für feuchte Träume, wenn ich permanent von ihm verfolgt wurde? Seit ich zurück denken konnte, seit ich wusste wie viel 1 und 1 ergab, seit ich meine Zahnspange los war: Carlson war immer da gewesen, um mich zu ärgern.

Kein verdammter Tag lief ohne ein Kommentar von ihm ab und die Menschen machten natürlich mit, weil sie ein Ventil benötigten, um sich gut zu fühlen. Tränen sickerten meinen Wangen herab, als ich den Weg nach Hause ausmachte. Ich müsste meine Brille abnehmen, um die Tränen weg zu wischen. Aber es war mir egal ob meine Sicht verschleiert war, oder nicht? Sie würden trocknen. So, wie alle anderen bis jetzt.

Nach fünf Gehminuten erblickte ich die identisch zu der von Carlson aussehende Auffahrt meines Hauses. Zu meinem Glück wohnte der Typ noch neben mir. Rein aus Packgründen. In aller Fälle sollte man sich gegenseitig aushelfen, das bezweifelte ich nicht. Mr. Wise war ein liebender Vater, der mich wie seine eigene Tochter bewahrte. Unsere Eltern kamen miteinander klar und lachten mich aus, wie blind ich doch wahr. Ja, ich hatte eine Brille. Da begann es schon. Wie blind ich war? Ich verstand nicht genau, was sie damit meinten. Aber war wiederrum auch egal.

Meine Beine stoppten mich ohne mein Kommando. Carlson schien gerade aus seinem parkenden Jeep raus zu hüpfen. Seine Haare waren wie immer aus seinen Gesicht gestrichen. Er war gerade dabei, den Handschlag unseres zukünftigen Alphas Nick anzunehmen. Seine Zähne blitzten hervor und würde ich ihn nicht so sehr hassen, hätte ich auch zugegeben, dass er wirklich gut aussah. Aber taten das Halb-Tier-Menschen nicht immer? Gut aussehen? Zumindest konnten sie einen beschützen und warm halten. Generell waren Werwolfmänner wie Heizungen, an die man sich gerne ankuschelte.

Ich seufzte bei dem Gedanken, wie mein Seelenverwandter aussehen mochte?
Das war nur leider die falsche Reaktion gewesen. Denn Werwölfe konnten sogar in große Entfernungen ausmachen, wer atmete. Vor allem kannten sie alle Packmitglieder.
Es war klar, dass deren Köpfe gleichzeitig in meine Richtung fielen.
Okay, das war die Zeit, wo ich schnell zu mein Haus sprinten sollte.

Ohne Alpha Nick eine Begrüßung zu schenken und Carlsons eindringlichen Blick zu umgehen marschierte ich den Weg zu meiner Auffahrt und wollte die Präsenz von Carlson nicht wahr haben.
"Bitte nicht", flüsterte ich vor mich hin und betete dabei, er würde nicht rüber kommen um mich zu nerven.

"Sieht so aus, als hättest du vergessen deinen Alpha zu grüßen?"
Ich mied es meine Stirn an die Haustür zu docken. Wieso wurde mein Gebet nicht angenommen? Mondgöttin Luna war vermutlich taub. Carlson hatte Recht. Es war respektlos von mir gewesen, meinen Alpha nicht zu grüßen. Ich hatte es aber nicht vergessen. Sollte ich jetzt zurück kommentieren? Ich beließ es lieber.

Langsam schielte ich zu diesem fast zwei Meter großen Brocken rauf und blickte die Sonne in seinen glasklaren Augen an. Eine grelle Reflektion.
Sein Deodorant striff meine Nase, als er vermutlich die getrockneten Tränen ausmachte. Er grinste zwar neckisch, doch seine Augen suchten nach dem Grund. Dafür kannte ich ihn zu gut. Er ging nur seinen Aufgaben als Beta nach und sorgte sich um die Mitglieder. Nichts Besonderes, vor allem kein Grund, um mich verlegen zu fühlen.

"Arme Clementine"
Seine Hand striff meine Wange, die ich sofort weg schlug. Er provozierte bloß.
"Hat dich wieder jemand zurecht beleidigt?"

Zurecht?

Es ätzte, dass er immer wusste, was mir ins Herz stach. Zurecht...
"Siehst du ja", schenkte ich ihm die Antwort, die er sich denken konnte. Dumm war Carlson nicht. Er hatte nur etwas gegen mich. Ich wandte meine Aufmerksamkeit meinen Schlüsseln in meiner Tasche zu und versuchte flink die Tür zu öffnen.
"Wer war es?"
Ich verdrehte meine Augen. Bitte, konnte er sich nicht in Seifenblasen auflösen? Wollte er sich selbst gratulieren? Ich schüttelte meinen Kopf und trat ins warme Haus.

Er brauchte keine Einladung, um nach zu treten. Betas waren immer willkommen. Leider.
Zu meiner Verwunderung folgte er nicht, sondern blieb wie angewurzelt vor dem Eingang stehen. Irritiert blickte ich zu ihm zurück. Er hatte eine steife Haltung angenommen, seine Lippen waren grimmig aufeinander gepresst. Irgendetwas gefiel ihm nicht. Was hatte ich jetzt schon wieder gemacht?

Die Antwort bekam ich nicht. Stattdessen sah ich nur, wie er die Tür zu zog. Was war das für ein Typ?

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Korrektur des Buches: @Tikaani_BlueCloud

Beta's nerdy enemyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt