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Mein Blick schweifte zum Garten von meinem Nachbarn. Carlson war anscheinend nicht zu Hause gewesen. Schamlos starrte ich aus meinem Fenster zu seiner Einfahrt und merkte, wie er gerade seinen Jeep einparkte, natürlich fehlerfrei. Angeber. Wieso klappte das bei mir nicht so gut? Komischerweise verwechselte ich immer die Seiten. Ich runzelte meine Stirn und beobachtete, wie er seine Haare im Rückspiegel richtete, bevor er ohne Shirt aus seinem Auto sprang.

Meine Augen nahmen an Größe zu. Nicht wegen einer jungen, trainierten Brust. Daran waren wir gewöhnt. Sie mussten sich häufiger verwandeln und unser Pack verteidigen als wir Frauen. Wir kümmerten uns eher um die Kinder und Kranken.
Doch Carlson wies einen Bluterguss auf seiner rechten Bauchseite auf. Ich stutzte. War er gegen einen Hydranten gelaufen? Was interessierte es mich eigentlich?

Mein Kopf wandte sich wieder in Richtung meines laufenden Fernsehers, der mein Zimmer komplett beleuchtete. Meine Aufmerksamkeit wurde gestört, als ich ein weiteres Auto draußen wahrnahm. Die Bremsen quietschten und ließen meine Ahnung wahr werden. Es war Lucia, Carlsons ältere Schwester, die schon längst an dem Sporttrainer der Schule vergeben war. Ach ja, Seelenverwandte. Wo blieb meiner?

Meine Augen suchten den Himmel ab. Konnte die Mondgöttin Gedanken lesen? Ich hoffte es mal.
"Was sollte das?" Die Tür wurde laut von Lucia zugeknallt. Ihre in dunkelrot gehaltenen Haare glänzten im Straßenlicht. Oh ja, sie war die Homecoming Queen, das wusste das ganze Land. Ihre Brust wippte mit jedem schnellen Atemzug. Wieso fand ich die ganze Szene so spannend?
"Komm runter. Die Menschen schlafen in dieser Umgebung"

Ich schnaubte, aber damit hatte Carlson Recht, wobei es nicht einmal Mitternacht war. Sie schliefen tatsächlich gerne. Besonders wenn sie tranken. Sie vertrugen nicht einmal Bier.
"Was sollte das Carlson?"
Carlson schnappte sich sein Shirt aus seinem Auto und warf es über seine Schulter. Er beachtete seine Schwester nicht, ignorierte sie einfach. Sowas ging meistens nach hinten los. Lucia sollte man in solchen Momente nicht ärgern, das wusste ich nur allzu gut.

Ich beobachtete, wie sie vor ihrem Bruder die Arme verschränkte und seinen Weg versperrte. Carlson zögerte. Normalerweise würde er sie weiter ignorieren, aber das war Lucia.
"Nerv nicht."
"Du hast gerade fünf Jugendlichen die Hand gebrochen!", rief sie empört aus.
‚Rekord' stimmte ich gedanklich hinzu. Das war seine Bestleistung.

"Und?"
"Und?", schrie sie zurück.
"Willst du Ärger bekommen? Der Alpha weiß Bescheid!"
"Ich bin der Beta.", warf er zurück.
"Der zukünftige Beta. Nicht der jetzige. Was haben dir diese unschuldigen Menschen getan?"
Carlson Miene versteinerte sich. Ich merkte, dass ihm etwas nicht gefiel.
Hatte man seine nächtliche Tusse angegriffen? Wie hieß sie nochmal? Bubsi? Ja, das würde zu ihren Riesenbusen passen.

"Lass es sein, Luc" nutzte er ihren Spitznamen aus. Ihr Gesichtszüge wurden weicher. Sie schien einen inneren Konflikt zu haben.
"Hat sie wer angegriffen?" Ich wurde hellhörig. Unwillkürlich hielt ich meinen Atem an, bloß meinen Herzschlag konnte ich nicht abstellen. Hatte Beta Carlson etwa eine Freundin? Interessant.
Carlson fuhr sich durch seine Haare, bevor er antwortete.
"Ich weiß es nicht."
"Carlson, du kannst nicht einfach ohne Grund auf jemanden los gehen."
"Ich hatte einen Grund.", wich er ihr aus und schlug den Weg in Richtung Haustür ein.

"Welchen, verdammt? Du bist erst 18! Welche Gründe wären so wichtig gewesen?"
"Alle!" schrie er genervt zurück. Meine Lippen teilten sich. Carlson vergriff sich selten im Ton. Ich war gerade Zeuge eines Weltphänomens geworden.
"Reiz es nicht aus Luc!"
"Ich will es nur verstehen.", betonte sie.
"Würde ich auch gerne." Ich stutze wieder einmal an diesem Abend.

Ich hätte gerne mehr mitbekommen, wenn da nicht mein dummes Handy zu läuten begonnen hätte und die beiden sich natürlich zu mir wandten. Was tat man, wenn man beim Lauschen erwischt wurde?
Ich lächelte eigenartig, bevor ich schnell die Fenster schloss und die Gardinen zu zog. Gott, wie peinlich!

Mein Handy läutete weiterhin auf meinem ungemachten Bett.
"Dumme, dumme Kuh!", flüsterte ich, während meine flache Hand im Sekundentakt auf meine Stirn schlug.
Meine Hand hörte beim Blick aufs Handy auf und schnappte es, bevor meine Menschenfreundin Zoe auflegte.
"Ja?"
"Oh mein Gott, Clementine. Carlson hat fünf Jugendlichen aus unserer Schule die Hand gebrochen!"

"Ich weiß" seufzte ich, um danach von meinem Erlebnis zu berichten.

Beta's nerdy enemyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt