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Die Zeit verging und verging nicht und ich wollte nur Nachhause. Mittlerweile hatte die 3. Stunde angefangen und ich hatte angst vor dem Ärger, der mir noch bevorstand. Heut konnte Mama Franz abholen und ich musste nicht daran denken. Ich mied den Blickkontakt mit Frau Winter und hoffte, dass ich nicht so großen Ärger bekommen würde, aber ich ahnte schlimmes. Sie war nicht gut auf mich zu sprechen.Sie hatte es mir einfach nicht verziehen, dass ich es ihr nicht gesagt hatte, dass ich ihre Schülerin war.Verübeln konnte ich ihr es nicht. Ich konnte mich auch nicht auf die Vokabeln konzentrieren, die sie an die Tafel schrieb, aber das war mir egal, da ich  gut in Englisch war.

"Gehts dir gut?" flüsterte mit Leni zu.

"Geht so." murmelte ich.

"Was war denn los?"

"Ich musste Franz in den Kindergarten bringen. Meine Mutter hat eine Not-OP reinbekommen."

"Scheiße... aber das wird sie doch bestimmt verstehen oder? Wieso ist die eigentlich so zu dir? Wir kennen die doch noch garnicht richtig."

"Keine Ahnung." log ich. "Ich hoffe, dass sie es versteht. Sonst bin ich gefickt. Ich kann mir keinen Verweis oder so erlauben."

"Für einmal zu spät kommen bekommt man doch keinen Verweis." lachte Leni leise.

"Stimmt. Aber- " ich konnte meinen Satz nicht beenden. Frau Winter hatte sich von der Tafel abgewendet und drehte sich zu uns als sich unsere Blicke trafen fing sie an zu schreien. "Ich glaub es nicht. Erst kommst du zu spät und jetzt erlaubst du es dir auch noch so frech zu quatschen? Du kannst das wohl alles schon? Wenn das so ist, dann verbring bitte den Rest der Stunde vor der Tür. Ich möchte in meinem Unterricht nicht gestört werden. Raus!" Alles war still.

"Aber.. ich.. ich wollte nicht." versuchte ich zu widersprechen. Keine Ahnung woher der Mut kam.

"Nein nichts aber. RAUS!" schrie sie.

"Tut mir leid..." murmelte ich. Ich erhob mich und ging mit gesenktem Kopf durch die Tür. Ich schloss sie hinter mir und stand erstmal eine Weile so da. Dann machte ich ein paar Schritte nach vorn und blickte aus dem großen Fenster. Weinen konnte ich nicht. Ich weinte ganz selten. Ich stand einfach nur da und beobachtete den Sommer. Die Zeit alleine verging viel zu schnell. Es klingelte und alle stürmten aus ihren Zimmern. Es war Hitzefrei und alle hatten nach der 4. Stunde Schluss. Leni stand auf einmal neben mir. 

"Soll ich auf dich warten?"

"Ne, alles gut ich schaff das schon."

"Okay. Ich hab dich lieb, Süße." sagte sie und verschwand.

Ich blickte noch immer aus dem Fenster und hörte, wie es langsam ruhiger im Schulhaus wurde. Ich stand dort bestimmt noch fünf Minuten, aber ich traute mich nicht ins Zimmer zu gehen. Irgendwann hörte ich ihre Schritte auf mich zukommen.

"Mila? Willst du reinkommen?" Sie klang lieb. Als wäre es alles nicht passiert. Ich drehte mich ohne zu antworten um und schaute sie an, dann senkte ich meinen Blick schnell wieder. Ich vergaß oft, dass sie gut 15 cm kleiner als ich war. Aber sie fühlte sich einfach größer an. So eine Wirkung hatte sie auf mich.

"Mila?"

"Ja, ich komme." sagte ich trotziger als ich wollte. Ich ging in den Klassenraum. Sie zeigte auf einen Stuhl.

"Setz sich bitte." ich setzte mich und plötzlich sprudelte alles aus mir heraus.

"Es tut mir so leid. Ich bin pünktlich aufgestanden, aber dann hat meine Mutter einen Anruf bekommen. Sie arbeitet viel wissen Sie? Und mein kleiner Bruder. Ich kann ja nicht... ich musste ja....Ich musste ihn dann in den Kindergarten bringen. Er kann ja nicht allein....wissen Sie? Und der Bus kam dann noch zu spät und es tut mir leid. Ich wollte auch nicht quatschen aber es ist passiert es tut mir so leid." Wieso hat mich denn keiner gestoppt? Ich hörte erst auf zu reden, als sie ihre Hand auf meine legte. Schlagartig brach meine Stimme ab und ich wurde rot. Ihre Berührung brannte auf meiner Haut. Ich schaute auf ihre Hand und bemerkte, dass sie, anscheinend genau wie ich, Fingernägel kaute. Seit dem ich 4 war hab ich mir nie wieder die Fingernägel geschnitten, da ich sie immer bei Stress abkaute. Ich fand diese Kleinigkeit eine schöne Verbundenheit zwischen uns. Ich war zwar aufgebracht, aber allein der Fakt, dass sie etwas tat was ich auch tat beruhigte mich.

stirb nicht an Herzdrücken (txs)Where stories live. Discover now