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Wir erreichten das große Stadthaus. Es war ein großes, dreistöckiges Haus, dass völlig deplatziert in einem gepflegten Garten Stand. Es war groß. Für meinen Geschmack zu groß für ein Zuhause. Etwas versteckt hinter großen Büschen und Bäumen. 
Wir hatten nie genug Geld gehabt, um uns darüber Sorgen zu machen. Und vermutlich war es auch möglich sich in einer Wohnung mit mir nur einem Zimmer zu entfremden. So war es immerhin bei meinen Eltern gewesen. 
Das Taxi befuhr die gepflasterte Einfahrt und ich stellte fest, dass alles zu perfekt war. Ich konnte mir gut vorstellen, dass ein paar freundliche Lichter, Blumen und eine Schaukel an dem großen Baum im Vorgarten daraus ein wunderschönes Familienheim machen konnten. 
Doch alles hier wirkte aufgesetzt. Perfekt, gerade und penibel. Es zeigte mir nur mal wieder wie wenig ich den Mann kannte, von dem ich mir mein halbes Leben lang eingebildet hatte ihn zu lieben. Das hier war das Zuhause eines Fremden und ich war nur hier, weil meine Schwester es so wollte.
"Das Haus ist wahnsinnig." Erklärte Lilly verträumt. Ich bezahlte den Fahrer und stieg aus. Nachdem ich ihr aus dem Wagen geholfen hatte, ging sie voraus. Beeindruckt sah ich dabei zu, wie sie von der Lilly - meiner Lilly - zu Lillian Rudolph, dem Model, wurde. 
An der Haustür standen einige Menschen und unterhielten sich leise. Als wir ankamen, huschten sofort Blicke zu ihr und sie genoss es sichtlich. Lässig lächelte sie den jungen Mann an, der mit einer Liste dastand. Auch er musterte sie und errötete leicht, als sie ihm ein strahlendes Lächeln schenkte. 
"Mein Name ist Lillian Rudolph." Erklärte sie ihm mit leiser, verführerischer Stimme. Sofort blickte er auf seine Liste, überflog die Namen und nickte eifrig, als er ihren Namen gefunden hatte.
Mit einem sehnsüchtigen Blick blickte ich den Pfad entlang der ums Haus herum zu führen schien. Ich hätte mir gerne den Garten angesehen und nach einem Ort gesucht, der nicht so perfekt war, wie der beständige Vorgarten. 
Der junge Kerl allerdings, fuhr sich nervös durchs Haar, warf mir einen kurzen, irritierten Blick zu und öffnete dann die schwarze Pforte. 
Während ich unsicher hinter Lilly her stolperte und krampfhaft nach einem Fluchtweg Ausschau hielt, war sie in ihrem Element. 
Sie war sich jedes Blickes nur zu gut bewusst. Sie genoss es und ich wand mich. Langsam blickte sie sich um und ich lächelte krampfhaft. "Ich bin kurz..." Begann ich, doch sie nickte abwesend und winkte nur mit der Hand. Am liebsten hätte ich gelacht. Deswegen also war ich hier. 
Während ich mit der Einrichtung verschmolz sah ich nur, wie sie zu der Traube an Menschen hinüberging. Das war ihre Bühne und jeder Schritt so sicher, als würde sie ihr gehören. 
Gerade als ich die erste Stufe, der dunklen Treppe, erklommen hatte und mich noch einmal im Raum umsah, setzte mein Herz einen Schlag aus, als ich Scott Knight inmitten der Traube erkannte. Auch er war in seinem Element. Er trug ein weißes Hemd und wirkte souverän, während er lächelnd mit den Anwesenden scherzte. Sie waren ein wirklich schönes Paar. 
Peinlich berührt blickte ich auf die Tüte in meinen Fingern. Ich hatte alberner Weise noch ein Geschenk besorgt. Dabei hatte ich offenbar vergessen, dass das hier kein Kindergeburtstag war. Ich würde das blöde Ding einfach irgendwo entsorgen. Ich wollte mich nicht blamieren. Also wandte ich mich ab und stieg leise die Treppe weiter hinauf.
Schon draußen hätte man erahnen könne, wie groß das Haus war. Doch ich war trotzdem überrascht, als ich hinaufstieg und darauf bedacht mich von der Galerie fernzuhalten, erkannte, wie hoch der Raum war in dem die Party stattfand. Der Gang führte weiter in einen kleinen Flur mit teuren Möbeln. Doch anders als die Sachen unten, waren hier kaum gradlinige Möbel. Keine Designerstücke, sondern einige Antiquitäten. Alles passte perfekt zusammen. Die frischen Blumensträuße harmonierten mit den Bildern an den Wänden. Vielleicht war das aber auch nur wegen der Feier? Vermutlich war man schon davon ausgegangen, dass sich einige Gäste hierher verirrten und man wollte den perfekten Schein wahren. 
Bevor ich dem Drang nachgeben konnte mich weiter durch das Haus zu bewegen blieb ich stehen. Ich hatte mittlerweile einige Abbiegungen und Stufen durch das verwirrende Gewirr des Hauses genommen. Rechts neben mir war ein kleiner Gang. Er wirkte irgendwie verloren. Denn der Durchgang war nicht mit teuren Möbeln und Bildern bestückt. Hier standen keine Pokale oder Auszeichnungen. Hier standen keine Rahmen mit Bildern von gewonnenen Turnieren, hier hingen keine Magazin-Covers. Dieser Gang war von dem ganzen Trubel, der Show namens Scott King vergessen worden. Und von diesem kleinen Gang ging nur eine Tür ab. 
Ohne weiter darüber nachzudenken schob ich mich durch den Türrahmen und öffnete dann die einzige Tür. Schnell schlüpfte ich in den Raum und schloss die schwere Holztür hinter mir. 
Mit Überraschung stellte ich fest, dass ich in einer kleinen Privatbibliothek stand. Doch nicht nur das. Der Raum war überraschend groß. Die rechte Wand war komplett mit dunklen Regalen gefüllt und zeigten so hunderte Bücher. Ehrfürchtig strich ich über einige der Buchrücken. Das hatte ich nicht erwartet. 
Als ich mich von den Büchern abwandte und den Raum weiter musterte, sah ich zunächst den großen, schwarzen Konzertflügel, der mitten im Raum stand. Er war so monströs groß, dass es mich verblüffte, dass ich ihn nicht als erstes gesehen hatte.  
Durch die beiden großen Fenster fiel etwas Licht hinein, dass von den Laternen vor dem Haus kommen musste. Zwischen den beiden Fenstern stand eine Kommode, darauf einige Karaffen mit schimmernden Flüssigkeiten darin. Ich war kein großer Trinker. Vermutlich weil ich durch Dad meine eigenen Erfahrungen gemacht hatte. Doch ich gab zu,  dass das Licht sich schön darin spiegelte. 
Nur eine kleine Standlampe, neben einem alten Ledersessel, dem Fenster gegenüber, spendete etwas Licht und ließ sie den Raum genug erkunden. Als sie sich dem Sessel näherte. Erkannte ich, dass die Bücherregale, wie ich fälschlicherweise Annahm, mir gegenüber eigentlich Regale voller Platten waren. Alte Schalplatten. Doch ich wagte nicht sie zu berühren. Doch ich konnte mir nicht verkneifen auf die Platte zu sehen, die gerade in dem alten Spieler neben dem Sessel lag. Ich lächelte. The Cure. 
Es sah aus, als hätte jemand diesen Raum gerade erst verlassen. Selbst das benutzte Glas stand noch auf dem kleinen Beistelltisch. 
Zögernd näherte ich mich dem Sessel weiter. Mir fiel auf, dass dieser Raum weder Bilder, noch Pokale von Scott Knight hatte. Nicht von dem berühmten NHL-Spieler. Nur eins auf dem der junge Scott und ich vermutete sein Bruder - denn der Mann sah ihm ausgesprochen ähnlich - beide strahlend in die Kamera lachten. 
Ich hielt mich gerade noch zurück und ließ meine Hand sinken. Das hier war der perfekte Ort. Genau das was ich gesucht hatte. Mit einem zufriedenen Seufzen ließ ich mich auf dem Sessel nieder. Streifte meine Schuhe ab, zog die Beine an und kuschelte mich in die Polster und kramte meinen alten MP3-Player hervor. 
Dann sah ich auf die Tüte in der mein Geschenk war. Noch vor ein paar Minuten hatte ich mich dumm gefühlt, doch jetzt gerade, in diesem Raum schien es nicht das blödeste Geschenk zu sein. Zufrieden nahm ich die Platte heraus und legte sie auf den Beistelltisch. Darauf bedacht nichts zu verändern. Denn für Scott Knight hatte The Cure vielleicht den besten Liebessong der Welt geschrieben. Ich allerdings würde das so niemals unterschreiben. Denn wenn ich an Scott Knight dachte, spielte nicht The Cure in meinem Kopf. 


ICECOLD - 1 - Scott KnightWhere stories live. Discover now