26

505 25 0
                                    

"Harper? Harper!" Irritiert schreckte ich auf und sah Scott an, der mittlerweile durch die Tür war und mich skeptisch musterte.
"Oh, entschuldige." Sagte ich schnell. "Ich bin wohl gedanklich abgeschmiert." Gab ich zerknautscht zu und versuchte mich an einem Lächeln.
Für einen langen Augenblick sah er mich noch an. Er sah so aus, als wolle er mich etwas fragen, doch er sagte nichts.
Irgendwann nickte er nur, als würde er später darauf zurückkommen wollen.
"Bevor wir hier noch ne Weile rumstehen... Was hast du für unseren ersten Tag geplant?" Fragte er und klang als würde es ihn wirklich interessieren.
"Nun das gleich, was ich auch am zweiten dritten und sechzigsten Tag geplant habe." Antwortete ich und schloss die Tür, die ich noch immer offen hielt.
"Gewöhn dich an den Zeitplan. Ich hab mich möglichst an deinen Trainingsplan gehalten, damit du diesen Rhythmus beibehalten kannst." Erklärte ich ihm simpel. Es wäre einfacher wenn er in dieser Balance blieb. Sowohl jetzt, als auch wenn das aktive Training wieder losging.
"Deinen Ernährungsplan habe ich weitestgehend angepasst. Aber keine Extremdiäten oder Booster eingebaut." Führte ich weiter aus, als wir den Vorraum verließen und ins Wohnzimmer gingen. Wir gingen sogar weiter hindurch. An der Küche vorbei in den Trainingsraum.
Dieses Haus war wirklich groß. Es war zu groß und naja irgendwie unpersönlich.
"Keine Chips und keine Pizza mehr?" Fragte er zerknautscht, grinste dann aber. "Für dich jedenfalls nicht." Sagte ich gemein und er fasste sich schockiert an die Brust. "Das würdest du nicht wagen!" Rief er aufgebracht. "Das wäre wirklich grausam von dir." Fügte er hinzu und ich lachte auf. Auch er lächelte. Ich lachte sein Lächeln wirklich. "Nun vielleicht würde ich sie nicht direkt vor deiner Nase essen." Gab ich Schulterzuckend zur Antwort er schnaubte nur.
Unwohl strich ich mein Shirt glatt. Mir war klar, dass meine Arbeitskleidung alles war, nur nicht vorteilhaft. Ich fragte mich, ob er darüber nachdachte, ob ich oft Pizza aß, so wie ich aussah.
"Hey, alles klar? Wieder abgeschmiert?" Wollte er wissen und riss mich wieder aus meinen Gedanken. Entschuldigend nickte ich. 
Den größten Teil des Trainings absolvierten wir, bis auf meine Anweisungen, Schweigend. Und als es kurz vor Acht war, begaben wir uns in die Küche. Er war verschwitzt und sah erschöpft aus. Doch seine Verletzungen waren besser als er gedacht hatte.
Mir fiel auf, dass es ihm nicht an Kraft und Ausdauer mangelte, jedenfalls nicht so wie es, anhand der Verletzungen, sein müsste. Es fehlte ihm schlicht und ergreifend an Selbstbewusstsein.
Ich hätte nie geglaubt, dass Scott King je ein Problem mit seinem Ego haben würde. Andererseits hatte ich ihn auch auf ein Podest gestellt und ihm eine meiner perfekten Fantasien aufgezwungen.
Viele Sportler auf diesem Niveau kämpften nach ähnlichen Unfällen mit dem Selbstbewußtsein. Viele hatten Angst. Angst davor nie wieder so gut und fit zu sein wie zuvor.
"Guten Morgen, Baby." Rief Lilly und kam gutgelaunt und wie aus dem Ei gepellt in die Küche geschlendert. Sie beugte sich zu ihm hinunter, küsste ihn auf die Wange und schnappte sich vom Tresen ein Stück Möhre, dass Scott gerade vorbereitet hatte.
"Harper." Sie nickte mir zu. "Wie läuft das Training?" Fragte sie mich und ich lächelte gezwungen. "Gut." Gab ich also schnell zur Antwort und lächelte Scott zu. Lilly runzelte die Stirn.
"Heute Abend ist die Party der Stiftung." Erklärte sie Scott und sah ihn fragend an. In den letzten Wochen hatte sie allerhand Partys alleine besucht und ich hielt ihr zugute, dass sie noch nicht aufgehört hatte ihn überreden zu wollen.
Doch ich sah Scott an wie gequält er war. Er wollte das Haus nicht verlassen, weil er nicht gesehen werden wollte. Nicht so.
"In den nächsten Wochen..." Begann ich und mischte mich ein. "...sind Partys und Alkohol absolut tabu." Lilly sah mich entgeistert an. "Wie bitte?" Hakte sie nach, als habe sie mich nicht verstanden.
"Du hast richtig gehört." Sagte ich nur, denn ich kannte Lilly nun mal. Sie würde versuchen mich umzustimmen. Doch es war für das Training nicht gut. Weder der Alkohol noch das herumpfuschen seines Schlafrhythmuses.
"Er hat Verpflichtungen." Sagte sie fest. Als würde ich ihn gefangen halten. Doch das war mein Job. Deswegen war ich hier. Und umso schneller ich Scott auf die Beine bekam, desto schneller konnte ich wieder Abstand zwischen uns bringen. Und das seltsam angenehm warme Gefühl, während ich bei ihm war, vergessen.
"Ja. Und das ist wieder auf die Beine zu kommen. Denn er ist nun Mal Spieler der Pittsburgh Penguins. Und seine Nummer eins Priorität ist es auf dem Eis zu stehen und zu spielen. Möglichst noch in diesem Jahr!" Erklärte ich Lilly, streng. Verdattert sah sie mich an. Es überraschte mich nicht. Denn während ich als ihre Schwester eigentlich selten etwas gegen sie sagte, war ich doch jetzt gerade nicht Harper, ihre Schwester. Ich war Harper Rudolph, Physiotherapeutin von Scott King.
Und ich nahm meinen Job ernst. Ich würde ihn niemals gefährden. Oder einen meiner Patienten. Und ich hatte entschieden es war zu früh. In ein paar Wochen, würde ich ihm mehr Spielraum geben, doch noch nicht heute. "Aber..." Wollte sie einwenden, doch diesmal sprach Scott.
"Du hast Harper extra gebeten mich wieder fit zu machen. Also lass sie jetzt ihren Job machen. Wir können früh genug wieder auf Partys gehen, Baby." Am liebsten hätte ich Augen verdreht, doch stattdessen wandte ich mich ab und zog mir einen Kaffee. Das war mein dritter heute und ich würde wohl noch einige brauchen. Mein Konsum würde in den nächsten Wochen zunehmen, das stand fest. Doch es war die einzige Droge, die ich mir erlauben konnte.
Lilly wollte wieder etwas einwenden, als Abi den Raum betrat. Sie warf mir einen freundlichen Blick zu, begrüßte ihren Sohn zärtlich und nickte dann Lilly zu. Oh, sie mochten sich wirklich nicht. Dabei verstand ich nicht, was Lilly, an Abi nicht mochte. Andersherum, verstand ich allerdings. Denn Lilly fiel es nun mal schwer sich so zu zeigen, wie sie eigentlich war. Und Abi war nicht die einzige die glaubte, dass Lilly nur mit Scott zusammen war, weil er eben Scott Knight war.
Ich wollte mich nicht einmischen, doch eine gemeine Stimme in meinem Inneren stimmte ihr da zu. Und dafür hasste ich mich irgendwie.

ICECOLD - 1 - Scott KnightWhere stories live. Discover now