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Mit geröteten und geschwollenen Augen kämpfte ich mich aus dem Bett. Zusammen mit einer Packung Eis, einer Tüte Chips und meinem Selbstmitleid hatte ich mich in mein Bett verzogen. Bis um fünf hatte ich jeden bescheuerten Liebessong von The Cure gehört und mich dann in den Schlaf geweint.
Noch hatte sich Lilly nicht gemeldet und ganz ehrlich ich wollte gar nicht hören, wie sie weiter über den Mann sprach, der offensichtlich Mr.Right war.
Meine Schwester würde Mrs. Scott Knight  werden und ich würde mein ganzes Leben daran erinnert werden, dass egal wie sehr man es wollte, manchmal eben nicht alles haben konnte.
Flink machte ich mich fertig, doch ein Blick in den Spiegel verriet mir, dass ich aussah wie der Tod. Ich fühlte mich schlapp und krank. Nun die gute Laune war wohl vorbei.
Träge trottel ich die Stufen hinunter und zuckte zusammen, als ich Lillys schrille Stimme hörte. Am liebsten hätte ich gleich wieder geheult.
Das war doch albern. Ich musste mich ein wenig zusammenreißen. Mir war mein ganzes Leben schon klar gewesen, dass aus Scott und mir nie etwas werden würde. Tut trotzdem weh! Rief eine verbitterte Stimme in mir.  Ja, das tat es wirklich. Aber ich war erwachsen und hatte immer alles durchgestanden. Das hier würde schon bald verblassen.
Tief holte ich Luft, straffte die Schultern und setzte ein entspanntes Lächeln auf. Jedenfalls irgendwie.
Auf in den Kampf! The Show must go on.
"Oh Harper!" Rief Lilly als ich die Küche betrat. Freudestrahlend kam sie auf mich zu und streckte mir ihre Hand entgegen. Möglichst überrascht blickte ich auf den völlig überladen Ring und hob, möglichst verzückt, den Blick. "Er hat mir einen Antrag gemacht!" Rief sie und Fügte ein schrillen Kreischen hinzu. "Ich wünschte du hättest dabei sein können. Es war so romantisch." Ich verkniff mir ein Schnauben. Romantisch? Immerhin hatte Dex mir ein Bild geschickt. Und für mich war das nur eine große Show. Doch trotz meiner Gefühle freute es mich, dass Lilly so glücklich war.
Mein Blick fiel auf Dad der an der Anrichte stand und meinen Blick erwiderte, als hätte er mich die gesamte Zeit schon angesehen.
"Oh. Ich bin ja so happy. Du bist natürlich meine Brautjungfer." Sie drehte sich zu Dad um. "Ihr kommt doch am Sonntag zu unserer Verlobungsfeier?" Fragte sie, ließ uns aber keine Zeit für eine Antwort. "Da lerne ich Scotts Familie kennen. Ihr müsst kommen!" Rief sie. "Das würden wir niemals verpassen wollen, Schätzchen." Erklärte Dad und lächelte sanft. Sie entließ meine Finger, die die umklammert gehalten hatte und stürmte auf Dad zu. Kräftig drückte sie ihn und wischte sich dann ein paar Tränen weg. Auch ich kämpfte mit den Tränen, allerdings aus einem anderen Grund.
Ich sah wie Dad mich mittleidig ansah und war überrascht, dass er mich zu durchschauen schien. Doch er drückte Lilly und sagte nichts. Ich ging nicht davon aus, dass er wusste, was ich wirklich dachte. Niemand, wirklich niemand, hatte von meiner Schwärmerei gewusst. Nur Mom. Sie hatte es mehr oder weniger erraten. Doch ich hatte mit ihr nie wirklich darüber gesprochen. 
"Ich muss los. Bis Sonntag muss so viel organisiert werden." Trällerte Lilly und drückte auch mich noch, bevor sie aus dem Haus stürmte. Sie hatte mir meine Stimmung nicht angemerkt und glaubte vermutlich ich freute mich. Das tat ich. Doch ich hatte schon festgestellt, dass es trotzdem wehtat.
Noch bevor ich meinen Kaffee hatte, hatte Dad sich neben mich gestellt und meine Hand genommen. Er sagte nichts, doch er schien genau zu wissen, was ich durchmachte. Und obwohl er die letzten Jahre mehr als nur die Hölle war, spendete er mir jetzt irgendwie Trost. Nachdem er Mama verloren hatte war er süchtig geworden. Er war laut und gemein geworden. Er war eben verbittert. Als sie dann aber gestorben war, war er irgendwie verschwunden. Er war nicht mehr verbittert. Er war nur noch traurig. Er hatte die Frau verloren, die er geliebt hatte und es musste wehgetan haben, wie sonst was. 
Als ich auf der Arbeit ankam, versuchte ich unter dem Radar zu fliegen. Ich ließ mich nicht in lange Gespräche verwickeln und absolvierte alle Trainingseinheiten möglichst schnell und routiniert. Mir war klar, dass Moe und Reid mir meine Stimmung anmerkten. Auch Em runzelte die Stirn, als ich sie kurz angebunden abwimmelte. Wofür ich mich wohl noch entschuldigen musste. Erst als Kevin mich ansprach, wachte ich aus meiner Trance auf. 
"Heute bist du ziemlich mies drauf." Stellte er fest. Er lächelte freundlich und für eine Sekunde glaubte ich, dass er mir einen meiner Aufbau-Talks um die Ohren hauen würde. Er hatte sie am Anfang gehasst und jetzt gerade konnte ich es verstehen. Denn meine eigene Medizin schmeckte mir überhaupt nicht. 
Und auch wenn ich mir albern wegen eines blöden Liebeskummer vorkam, war ich doch gerührt davon, dass es ihm aufgefallen war.
Er runzelte runzelte Stirn dann sagte er: "Wieso können Skelette schlecht lügen?" Diesmal runzelte ich die Stirn und zuckte dann mit den Achseln. Er kicherte leise. "Na, weil sie so gut zu durchschauen sind." Er lachte leise. Verwirrt sah ich ihn an. Dann schob sich ein dümmlich Lächeln auf mein Gesicht. "Ah. Da ist es ja wieder." Rief er und zwinkerte. "Warte ich kenne noch einen." Fügte er aufgeregt hinzu. "Was macht ein Clown im Büro?" Kurz überlegte ich, doch mir fiel nichts ein. Er lachte wieder leise und ich musste zugeben, dass sein albernen Verhalten mich tatsächlich aufmunterte. "Na Faxen! Ist doch klar." Klärte er mich auf und entlockte mir ein weiteres kleines Lachen. "Kevin, du bist ein echter Idiot." Sagte ich scherzhaft und sah wie er stolz grinste. "Und du, Harper, bist viel schöner mit einem Lächeln im Gesicht."
Die Tür wurde aufgestoßen und wir beide wandten uns Moe zu, der nun in der Tür stand. Irritiert blickte ich auf die Tür und mir fiel auf, dass ich viel zu spät war. "Oh. Es ist ja schon Viertel nach." Rief ich und erhob mich. "Das ist deine Schuld!" Sagte ich lachend und schlug Kevin spielerisch auf die Schulter. Er zuckte grinsend mit den Schultern. "Schuldig im Sinne der Anklage."
Ich sah dabei zu wie Moe und Kevin sich begrüßten und dann zusammen den Raum verließen. Tja, so wurde der Schüler zum Meister... oder so ähnlich. Und mein Leben war, vielleicht nur für den Moment, gerade viel besser geworden.

ICECOLD - 1 - Scott KnightDonde viven las historias. Descúbrelo ahora