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"Ach vergiss es." Rief ich laut und wandte mich ab. Ich lief über den Rasen und steuerte das Tor an. Noch immer hatte er kein Wort gesagt und mit seinem Schweigen nahm er mir den letzten Funken Hoffnung, den ich noch hatte. Er brach mir mein kleines, dämliches, naives Herz. Und es schien ihn nicht mal zu interessieren. 
Ich würde mir nicht die Blöße geben ihm zu zeigen, wie sehr er mich verletzte. Also ging ich weiter und blieb nicht stehen. 
Als es anfing zu regnen hätte ich am liebsten gelacht. Wenigstens das Wetter passte zu meinen Gefühlen. Der Bus fuhr ein Paar Blocks die Straße runter. Ich würde dorthin laufen, einsteigen und nach Hause fahren, wo ich mich dann mit Süßkram in den Schlaf weinen würde. Immerhin war das schon früher meine Strategie gewesen. Auch wenn ich sie seit einigen Jahren schon nicht mehr hatte anwenden müssen. 
"Harper, warte!" Abrupt blieb ich stehen. Ich war wütend. Aber ich war auch neugierig. "Wo willst du hin? Es regnet. Komm lieber ins Haus!" Wütend wandte ich mich um und sah, dass Scott ebenfalls auf der Wiese, nur ein paar Meter hinter mir stand und mich abwartend anstarrte. "Oh nein." Rief ich und marschierte mit erhobenem Finger auf ihn zu. "Das wirst du nicht tun." Schrie ich ihn an. Ich war wütend und nicht bereit meine Gefühle wieder zu verstecken. "Du kannst mir nicht das Herz brechen und dann so tun, als würdest du dich um mich sorgen." Sagte ich inbrünstig und stieß ihn mit all meiner Kraft nach hinten. Es war mir egal, ob er auf seinem Hinter landete. Das wäre nur fair. 
Wieder wandte ich mich ab und ging weiter. Doch wieder rief er meinen Namen: "Warte! Harper!" Und wieder blieb ich stehen. Hoffte noch immer auf irgendwas. Nur ein Satz der mir erklären würde, warum er mich einfach so hatte fallen lassen. 
"Ich wollte das nicht." Sagte er und ich lachte. Verbittert und kalt. Fahrlässigkeit war keine Ausrede. Nicht für mich. Ich wusste nicht mal was ich darauf erwidern sollte. Nur dass es nicht reichte.
"Ich wollte das Richtige tun." Das Richtige? Ich hatte schon eine ganze Weile kein Gefühl mehr für das Richtige oder das Falsche. Die Linien waren verschwommen. Aus Schwarz und Weiß war ein langweiliges Grau geworden.
"Das Richtige?" Ich flüsterte nur und war mir sicher, dass er mich nicht hörte. Denn auch das reichte nicht. "Es tut mir leid." 
Vier Worte. Vier kleine Worte, die ich so lange hatte hören wollen und jetzt gerade keine Bedeutung hatten. Denn ich glaubte es ihm. Ich glaubte ihm, dass es ihm leidtat. Doch das änderte nichts an meinem Herzschmerz.
"Mir auch." Flüsterte ich wieder. 
"Lilly ist wunderschön und witzig und..." Oh, das wollte ich nicht hören. Alles nur das nicht. "...und oberflächlich. Sie will mich nicht, wollte sie nie. Sie wollte das Leben, dass ich ihr geben könnte. Die Events, die Partys." Nun damit hatte ich nicht gerechnet. Aber er hatte Recht. Lilly wollte genau das und ich war überrascht, dass er das erkannt hatte. Normalerweise wickelte Lilly die Männer um ihren kleinen Finger und sie waren verloren. 
"Und ich dachte es wäre das Richtige. Aber es fühlte sich falsch an. Sie fühlte sich falsch an. Dieses Haus, mein Leben. Selbst das Spiel fühlt sich falsch an." Erklärte er. Ich spürte wie er näher kam, wie er hinter mir stehen blieb. 
"Seit dir fühlt sich alles falsch an." Erklärte er so leise, dass ich die Luft anhielt um ihn über den prasselnden Regen hinweg zu verstehen. "Und als Lilly mit dem Baby anfing..." Er brach ab. "Ich konnte sie nicht alleine lassen. Ich wollte nicht dieser Mann sein. Ich bin nicht dieser Mann." Verwirrt wandte ich mich zu ihm um. Das Baby? Welches verdammte Baby? Lilly war schwanger? Das konnte nicht sein. Das durfte nicht sein. 
"Du hast mich immer so angesehen, als wäre ich ein besserer Mann. Und ich wollte besser sein. Ich wollte besser sein. Für dich." Er hob seine Hand, doch berührte mich nicht. Sie schwebte zwischen uns in der Luft. Getrennt durch eine unsichtbare Mauer. 
"Als ich dann herausfand, dass sie nicht schwanger ist. Dass das nur eine Lüge war, hab ich es beendet. Ich will sie nicht. Ich wollte sie nur für einen kleinen Moment." Er lächelte traurig, doch dann leuchteten seine Augen auf.
"Ich will dich. Ich wollte dich seit du auf meinem Lesesessel eingeschlafen bist. Als du mir gesagt hast, dass ich ein arrogantes Arschloch bin." Seine Finger strichen sanft über meine Wange und er kam mir näher. Doch bis auf die federleichte Berührung seiner Fingerspitzen berührte sich nichts.
"Als du mir unmissverständlich klar gemacht hast, dass mein Musikgeschmack zu wünschen übrig lässt. Als du mir jeden Morgen in den Arsch getreten hast. Als du mehr in mir gesehen hast, selbst als ich es nicht getan habe. Als du meiner Mutter die Angst genommen hast. Und als du mich geküsst hast. Als du mich regelrecht verführt hast. Ich habe es nicht gemerkt. Ganz lange habe ich nicht gemerkt, was du mit mir machst, nur weil du da bist. Weil du hier bist." Er holte tief Luft. Sein Gesicht war klatschnass. Wir waren beide durchtränkt. 
"Ich habe mich von dem ersten Moment in dich verliebt. Und ich habe es versucht, aber ich konnte mich nicht dagegen wehren. Und ich will es auch nicht mehr."
Jedes seiner Worte traf mich wie ein Schlag. Rüttelte mich wach und schläferte mich ein. Es war genau was ich hören wollte und ich glaubte ihm jedes seiner Worte. Er liebte mich. Und ich liebte ihn. "Warum hast du mir das nicht gesagt? Warum bist du nicht zu mir gekommen und hast mir das gesagt?" Wollte ich wissen. Wenn er das so lange schon wusste, warum hatte er nicht versucht mich zu erreichen, warum hatte er es mich nicht wissen lassen? 
"Ich wollte der Mann sein, der dich verdient. Ich wollte in meinem Leben aufräumen und es richtig machen. Mit dir ausgehen. Mit dir angeben. Dich zu mir nach Hause bringen. Nicht hier her." Er lächelte sanft und breitete seine Hand über meine Wange. "Ich will das volle Programm. Dates, Zusammen wohnen, Streiten, Verloben, Heiraten, Kinder, Glücklich bis ans Ende. Und ich will auch nicht mehr warten." 

ICECOLD - 1 - Scott KnightWhere stories live. Discover now