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Samstag. Spieltag.
Obwohl Scott im Training alles gab und sich regelrecht verausgabte. War er anders. Er war irgendwie ruhig. Und doch brodelte da etwas unter der Oberfläche. Ich konnte es nicht benennen und nur darauf warten, dass er explodierte.
Ich pendelte jeden Tag zwei Mal zu Dad und sah nach ihm. Machte ihm was zu essen und fuhr wieder zurück. Er war zu seinem gleichgültigen Zustand zurückgekehrt und ich in den normalen Trott.
Es hätte mich nicht überraschen sollen, dass er einen Rückfall haben würde.
Doch diese Spannung bei beiden Männern machte mich wahnsinnig. Selbst wenn ich nur daran dachte spürte ich die Anspannung und den Stress.
Nun, deswegen entschied ich auch, dass wir an dem Samstag sechs Wochen nachdem ich das Training begonnen hatte und mehr als vier Monate nach dem Unfall, in die Halle fahren würden. Es war das erste Spiel der Saison und Scott hatte seit zehn Jahren kein Spiel mehr verpasst. Damit würden wir jetzt nicht anfangen.
Ich hatte seinen Coach angerufen und ihn nach zwei Tickets gebeten. Er hatte gelacht und mir aufgetragen zum Hintereingang zu kommen. Er würde dafür sorgen, dass wir reinkamen.
Doch ich hatte eigentlich nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet Scott sich sträuben würde.
"Du willst den Jungs nicht beim spielen zusehen?" Hakte ich perplex nach, als hätte er das nicht eben schon gesagt.
"Wozu denn? Damit mich alle anstarren können?" Fragte er kalt, doch ich schüttelte den Kopf. Nicht nur, dass ich ihn motivieren wollte, sondern das es auch wichtig war, dass man ihn sah.
Die Leute würden ihn wahrnehmen. Sie würden sehen, dass Scott Knight noch immer da war und sich bereit machte zu gewinnen. Ob er nun auf dem Feld oder daneben war.
"Du bist Teil des Teams und du solltest dabei sein." Sagte ich jedoch nur. Allerdings amüsiert ihn das, denn er lachte nur.
"Die anderen brauchen mich nicht." Ich schnaubte. So langsam ging mir dieser Dickschädel echt auf den Keks. "Aber du brauchst sie. Die Leute müssen sehen, dass Scott Knight nicht tot ist. Das er da ist und alles dafür tut zurück aufs Eis zu kommen. Das er sein Team unterstützt, auf dem Eis und daneben. Du hast es vielleicht vergessen, aber Eishockey ist ein Teamsport. Und du bist Teil des Teams! Also beweg deinen Arsch von der Couch, zieh dir was schickes an und los." Erklärge ich nachdrücklich wandte mich ab und ging hinauf. Ich musste mich selbst noch umziehen. Ich würde wie immer ein Trikot und meine schwarze Jeans anziehen, die meinen Hintern so gut betonte - Dex' Worte, nicht meine.
Allerdings hatte ich mir extra für heute ein neues Teikot besorgt. Überraschenderweise hatte ich mich immer davor gesträubt ein Trikot mit Scotts Namen zu kaufen. Diesmal allerdings hatte ich es nur deswegen besorgt.
Ich Band mir die Haare zu einem hohen Pferdeschwanz, doch beinahe sofort kringelten sich ein paar Löckchen wild um mein Gesicht. Dann legte ich leichtes Make-up auf. Ich war heute schon bei Dad gewesen, hatte ihm etwas zu essen gemacht und ein paar Stunden sein Schweigen ertragen. Dann war ich zu Scott gefahren und hatte ihn versucht zu überreden. Nun eigentlich war es mir egal. Und wenn ich ihn sedieren musste, würde ich ihn mitschleifen. Denn ich gab gerne zu, dass ich zu dem Spiel gehen wollte.
Als ich die Treppe runterkam, stand Scott mit einem Anzug bekleidet neben seinem Bett. Nun ob das nicht etwas formell war?
Doch ich konnte den Blick nicht abwenden. Die perfekte sitzende Hose betonte seinen Hintern und seine kräftigen Oberschenkel. Das weiße Hemd bildete einen scharfen Kontrast zu seiner Haut und passte ihm wie angegossen. In den letzten Wochen hatte ich irgendwie vergessen, wie attraktiv Scott war. Nun oder ich hatte es verdrängt. Immerhin trug er ja kicht jeden Tag einen Anzug.
"Einen Anzug?" Fragte ich, um mich von meinen Gedanken abzulenken.
Mit einen lächeln sah er mich an, griff nach dem Bett und schwankte leicht. Ihm fiel die Balance noch immer etwas schwer, doch wir machten gute Fortschritte.
"Der Coach verlangt von uns an Spieltagen immer einen Anzug zu tragen. Er ist von der alten Schule." Erklärte er und auch ich lächelte. Denn tatsächlich gab es da noch etwas, die ich über Scott nicht wusste. Aber es überraschte mich nicht. Immerhin kannte ich ihn ja nicht wirklich.
"Du siehst gut aus." Sagte ich schlicht und grinste ihn an. Auch sein Lächeln wurde breiter.
Es würde ihm sicherlich nicht schaden sich mal wieder ein wenig menschlich zu fühlen. Immerhin war er die letzten Wochen nur zuhause. Auf meinen Wunsch.
Viele Menschen reagierten auf Trauma mit Substanzen und dir bekam er zuhause kaum. Dieser Konsum war nicht nur allgemein schlecht für den Körper, sondern verlangsamte auch die Wundheilung und verschleiert Schmerzen.
Nicht das ich Scott für einen Säufer hielt, aber er war auch nur ein Mensch. Egal wie hoch das Podest auch war, auf das ich ihn gestellt hatte.
Scott griff nach seinen Krücken und kam auf mich zu. Er bewegte sich seit einigen Tagen schon fast ausschließlich mit den Krücken. Im Haus war er damit auch schon recht sicher unterwegs.
Wie das allerdings draußen war? Wir waren ein paar Mal im Garten gewesen, um etwas frische Lust zu schnappen, aber auch dort war die Gefahr nicht sehr groß gewesen zu stürzen. Er war stets konzentriert gewesen. "Krücken, sicher?" Fragte ich also, als er bei mir war. Scott zögerte keine Sekunde.
"Ich bin mir sicher. Ich werde garantiert nicht im Rollstuhl dort ankommen. Auf keinen Fall!" Nun er war sich wirklich sicher. Denn er ging mit festen Schritten hinaus und zur Tür.
Doch als wir auf den Hof des Stadions fuhren wirkte er sich seiner nicht mehr so sicher.

ICECOLD - 1 - Scott KnightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt