Cuatro ~ Freistunde

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Am nächsten Mittag laufe ich alleine über den Schulhof. Die anderen hatten Musik, während ich Kunst gewählt habe, deswegen habe ich ausnahmsweise einen Kurs ohne Max und die anderen.

Stattdessen habe ich mich mit Adrian zusammengetan, der in Max Klasse ist und der wenigstens etwas Interesse für Kunst hat, im Gegensatz zum Rest des Kurses. Er hat mich heute mal wieder gefragt, ob ich in der Freistunde im Kunstraum bleibe, doch ich habe abgelehnt.

Cool wäre es schon, einfach noch eine Stunde frei zu malen, ohne irgendwelche Vorgaben von Frau Martin, doch Oliver hat mich die gesamte Kunststunde, eigentlich den ganzen Tag, immer wieder komisch angeguckt, deswegen hatte ich nicht das Bedürfnis, noch eine Stunde mit ihm in einem Raum zu verbringen.

Adrians Anwesenheit scheint für ihn nicht vollkommen unerträglich zu sein, denn er bleibt öfter nach der Kunststunde noch im Raum und beschäftigt sich mit irgendwelchen künstlerischen Sachen. Olivers Name steht auch auf der Liste für den Kunstworkshop nächste Woche, habe ich gesehen.

Auf dem Weg zu dem Platz, an dem wir normalerweise in der Freistunde sitzen, kommt mir Caro entgegen. „Hey", begrüße ich sie und lächele ihr zu, „Hast du auch Freistunde? Wenn ja, willst du dich vielleicht zu uns setzen?"

„Hey", gibt sie zurück und schüttelt dann den Kopf, „Ja, ich hab frei, aber eigentlich sollte ich Oliver suchen. Ich wollte ihn noch etwas fragen, wegen Linus Geschenk."

„Dann passt es ja perfekt, dass du mich getroffen hast. Oliver ist noch im Kunstraum, da komme ich nämlich gerade her. Dann kannst du ihn fragen und dann kommst du einfach danach mit zu uns."

„Ich habe aber gar keinen Unterricht mehr. Ich will zu Oliver und danach muss ich zum Training, lo siento", meint sie dann und sieht mich entschuldigend an.

Das ist ja blöd. Ich hatte gehofft, ich könnte sie heute noch ein bisschen weiter bearbeiten. „Schade. Aber dann komme ich trotzdem mit zum Kunstraum, wenn das okay ist."

Sie nickt und läuft dann langsam los, während ich den Jungs noch eine kurze Nachricht schreibe, dass ich etwas später komme.

„Also", beginnt sie, als ich zu ihr aufschließe, „Warum willst du so plötzlich Zeit mit mir verbringen? Ich meine, vor einer Woche hast du mich noch nicht einmal angesehen und jetzt läufst du mir quasi hinterher."

Verhalte ich mich wirklich so auffällig? Wenn ja, dann sollte ich das schleunigst ändern. „Naja, du hilfst mir in Englisch, aber du kriegst dafür gar nichts, deswegen dachte ich, ich frage dich einfach mal, ob du mit uns abhängen willst."

Sie schnaubt leise. „Ich helfe dir, auch wenn ich nichts dafür kriege. Ist ja nicht so, dass ich sonst so viel Besseres zu tun hätte. Aber hey, stattdessen renne ich mal wieder meinen Geschwistern hinterher."

Sie grinst kurz ironisch, dann zieht sie ihr Handy aus der Tasche und schaut anscheinend auf die Uhr. „Ich muss mich ein bisschen beeilen, Lina und Mari reißen mir den Kopf ab, wenn ich schon wieder zu spät komme."

Fast gleichzeitig beschleunigen wir unsere Schritte. „Das wäre ziemlich schade um deinen Kopf", merke ich dann scherzhaft an.

In den Fluren ist es nicht ganz hell, weil im Keller einige Lampen kaputt sind, aber wenn mich nicht alles täuscht, dann wird Caro neben mir gerade leicht rot. Definitiv ein gutes Zeichen.

Ich hätte die Gelegenheit gerne noch weiter genutzt, aber schon stehe wir vor der Tür zum Kunstraum, hinter der gerade überaschenderweise eine leise Stimme zu hören ist, die nicht Adrians ist.

Auch Caro scheint die Stimme zu hören, denn sie hält kurz inne, als wollte sie das Gespräch nicht unterbrechen. Dann atmet sie leise ein und drückt die Klinke nach unten.

Der Anblick, der sich mir bietet, ist mehr als ungewöhnlich. Adrian sitzt über ein großes Papier gebeugt und hält eine Kreide in der Hand, während Oliver sich über seine Schuler beugt und ihm augenscheinlich Tipps gibt.

Bei schauen auf, als sie das Geräusch der Tür hören und natürlich stoppt Oliver sofort mitten im Satz, als sein Blick von seiner Schwester zu mir wandert. Kurz habe ich das Gefühl, ich hätte nicht herkommen sollen.

Ich wusste nicht, dass Oliver manchmal mit Adrian redet. Ich meine, ich habe Adrian nie danach gefragt und so gut kenne ich sie beide nicht, aber ich hatte irgendwie gedacht, dass die Freistunden eine sehr schweigsame Angelegenheit sind, wenn nur Adrian und Oliver hier sind.

Caro läuft zu ihrem Bruder rüber, während ich unschlüssig an der Tür stehenbleibe. Ich weiß nicht genau, was ich hier mache, irgendwie warte ich auf sie, aber eigentlich wäre ich gerade viel lieber woanders.

Ich sollte das Gefühl haben, bei meinen Freunden sein zu wollen, denke ich, aber ich weiß, sie sitzen oben und reden über andere Leute aus der Stufe oder generell der Schule und ich weiß, sie machen ständig Witze, die nicht lustig sind und bei denen ich trotzdem lache.

Vielleicht ist Caro genau der richtige Vorwand, um mal ein bisschen weniger mit ihnen zu machen. Aber spätestens in einer Woche wird Max etwas dazu sagen und auf Dauer wird die Ausrede nicht ziehen.

Oliver ist mittlerweile zu seinen Sachen gelaufen und er und Caro unterhalten sich mal wieder auf Spanisch. Mindestens einmal fällt mein Name und ich bin mir sicher, dass Oliver nicht sagt, dass er froh ist, mich zu sehen.

Schließlich verabschiedet sich Caro und kommt auf mich zu, während ich versuche, möglichst wenig so auszusehen, als wäre ich aus Verlegenheit hier stehen geblieben. Adrian sitzt konzentriert über seinem Bild und würdigt uns keines Blickes, als wir aus dem Raum gehen.

„Alles geklärt?", frage ich, als wir wieder auf die Treppe nach oben zulaufen, um das unbehagliche Gefühl zu vertreiben.

„Ja, aber du hättest echt nicht mitkommen müssen. Geh ruhig zu deinen Freunden, den Rest des Weges schaffe ich auch alleine. Wir sehen uns dann Samstag", antworte sie und ist dabei zu freundlich, zu sagen, dass sie mich loswerden will.

Ich schätze, ihr Bruder ist nicht ganz unschuldig daran, denn eben schien sie noch nicht so abgeneigt, meiner Anwesenheit gegenüber. Ich wusste, er würde mir noch in die Quere kommen.

Um nicht zu aufdringlich zu wirken, nicke ich und verabschiede mich dann von ihr. Nachdem Caro weg ich stehe ich einen Moment unschlüssig im Gang. Eigentlich würde es mich reizen, auch noch ein bisschen zu zeichnen.

Mit einen Gedanken zurück an Olivers Blick, als er mich gesehen hat, laufe ich schließlich trotzdem nach draußen zu unserem Stammplatz, an dem mich Max mit einem seiner üblichen Kommentare begrüßt.

Kurz habe ich da Bedürfnis, etwas dagegen zu sagen, doch dann schweige ich, so wie ich es immer tue. Ich werde wohl kaum anfangen, meinem besten Freund zu widersprechen.

¡No Desiste!Where stories live. Discover now