Ocho ~ la habitación

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Ich habe gerade so Zeit, im Stehen eine Schale Müsli zu essen, bevor ich am Dienstag nach der Schule zu Oliver gehe. Hinter der Tür kommt allerdings zuerst Juliana zum Vorschein, dahinter steht Caro und hebt überrascht eine Augenbraue.

„Ich wusste nicht, dass wir heute verabredet sind", meint sie leicht irritiert und ich schüttele grinsend den Kopf.

„Sind wir nicht, ich muss mit Oliver dieses Referat in Deutsch machen. Heute bin ich mal ausnahmsweise nicht wegen dir hier", gebe ich dann mit einem leicht flirtenden Unterton zurück.

Sie schnaubt, doch ich würde wetten, dass ihre Wangen mal wieder leicht rot schimmern. „Oliver ist oben, Juli, zeigst du Lennox den Weg?"

Das kleine Mädchen nickt aufgeregt und flitzt dann voran, die Treppe nach oben. Ich folge ihr etwas langsamer, und werfe einen interessierten Blick auf die Fotos, die entlang der Treppe an der Wand hängen.

Das erste ist ein Familienfoto, bei dem die Frau in der Mitte vermutlich Sofia ist, nur, dass sie ungefähr dreißig Jahre jünger aussieht. Neben ihr steht ein Mann, den ich nicht kenne und drei Kinder, ungefähr in unserem Alter.

Eins der beiden Mädchen muss Caros und Olivers Mutter sein, doch beide sehen sich sehr ähnlich, deswegen kann ich das kaum sagen. Daneben hängen noch Fotos der Kinder einzeln, in verschiedenen Altern.

Auf einigen Bildern ist noch ein anderes Mädchen zu sehen, deren Haare mich sehr an die von Mari erinnern. Ist etwa schon Maris Mutter mit Caros Eltern befreundet gewesen?

Die letzten Fotos neben der Treppe sind professionell wirkende Abschlussfotos. Darauf ist auch wieder das Mädchen mit den Locken zu sehen, das ich jetzt einfach mal als Maris Mutter festlege, neben ihr steht ein junger Mann, der Maris Vater zu sein scheint, während Caros Mutter oder Tante ohne Begleitung zu sehen ist.

Eine kleine Hand an meinem Oberschenkel reißt mich aus der Betrachtung der Fotos. „Kommst du?", fragt Juliana und sieht mich mit großen Augen an. Dann nimmt sie meinen kleinen Finger und zieht mich auch die zweite Treppe hoch.

Hier hängen wieder Fotos, doch dieses Mal erkenne ich bekannte Gesichter, doch weil Juliana mich weiterzieht, habe ich keine Zeit, sie genauer zu betrachten.

Oben vom Flur gehen vier Türen ab. Auf die erste Tür rechts ist mir Edding „Theresa" geschrieben, weiter oben kleben fünf glitzernde Sterne. Ich vermute mal, dass das nicht Olivers Zimmer ist.

Als wüsste sie, was ich denke, zeigt Juliana auf die Tür gegenüber. „Das ist Olivers Zimmer." Dann dreht sie sich um und flitzt wieder nach unten. Hier oben im Flur hängen keine Fotos, sondern gemalte Bilder.

Ich würde sie mir gerne genauer angucken, doch falls Oliver uns gehört hat, will ich nicht unauffällig lange vor seinem Zimmer stehen. Stattdessen hebe ich die Hand und klopfe zögerlich an.

Sekunden später, als hätte er tatsächlich darauf gewartet, öffnet sich die Tür und wir stehen uns direkt gegenüber. Ich starre in Olivers graue Augen, über denen ein dunkler Schatten liegt. Wo Caro einen Anflug von Sommersprossen hat, ist seine Haut blass.

Seine Blässe betont die Augenringe, die einem bei der üblichen Distanz kaum auffallen. Eine Distanz, die in diesem Moment eindeutig fehlt. Oliver hebt leicht seine schwarzen Augenbrauen, die ebenfalls braun sein müssten, und tritt dann einen Schritt zurück.

Wortlos fordert er mich auf, in das Zimmer zu kommen und ich werfe zum ersten Mal einen Blick hinter ihn, in den Raum hinein. Zwei Wände sind dunkelblau, die anderen beiden weiß, doch man erkennt auf allen Seiten kaum etwas davon, denn ein Großteil der Wände ist mit Fotos gepflastert.

¡No Desiste!Where stories live. Discover now