Freunde

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„Julian."
Er saß da, hatte sich zurückgelehnt. Neben ihm saß ein ihr unbekannter Mann, auf der anderen Seite saß jemand, den sie zumindest schon einmal gesehen hatte, aber dessen Namen sie nicht mehr wusste.
„Lange nicht gesehen", sagte er locker und zeigte dann nacheinander auf seine Freunde, „Martin, Sven", er zeigte auf Smilla, „Das ist Smilla. Ihr gehört der Laden."
Sie wich seinem Blick aus.
„Ich muss dann weiter..."
Er grinste und sie hätte sich gerne genauso gefreut, weil er rein gar nichts dafür konnte und weil er immer nett zu ihr gewesen war. Andererseits hätte er ihr auch mal die ein oder andere Information stecken können.
„Kannst du uns ein Bier bringen?", fragte er und klopfte mit den Fingern auf den Tisch.
„Du weißt, wie das läuft, du gehst zur Bar und bestellst dir was. Wenn ich euch was bringe, dann wollen die anderen Gäste das auch. Damit brauchen wir gar nicht erst anzufangen."
„Aber ich bin kein Gast. Wir sind Freunde."
Sie stand bewegungslos da, wusste nicht, was sie tun sollte. Sie hatte das Gefühl, noch nie in solch einer Situation gewesen zu sein. Sicher gab es genug Bekanntschaften in ihrem Leben, die es hatten ausnutzen wollen, dass sie hier arbeitete und Sonderbehandlungen hatten herausschlagen wollen, aber sie hatte all diese Leute immer abgewehrt. Wieso fiel es ihr jetzt so schwer? Wieso wollte sie ihn nicht einfach abkanzeln? Er konnte ihr doch im Grunde egal sein. Sie schluckte und spürte einen kurzen heftigen Schmerz in ihrer Brust. Sie sah an Julian vorbei. Wieso kam er her? Wollte er sehen, wie es ihr ging? Wollte er wirklich so tun, als wären sie Freunde?
Ruckartig drehte sie sich um und verschwand wortlos hinter der Bar. Von dort aus beobachtete sie ihn aus der Ferne. Ihre Finger zitterten leicht, als sie drei Bierflaschen von den Kronkorken befreite. Dann ging sie mit den Flaschen wieder zurück zu seinem Tisch, stellte sie vor ihnen ab.
„Da, bitteschön."
Julian grinste.
„Du bist die beste. Danke!"
Sie zögerte und wollte sich schon wieder umwenden, als er ein Stück zur Seite rutschte und unmissverständlich auf den freien Platz neben sich deutete. Sie schüttelte den Kopf.
„Jetzt komm schon. Wir haben ewig nicht geredet."
Sie sah sich kurz um. Tobi war hinter der Bar vollends beschäftigt. Er würde es nicht mitkriegen. Trotzdem hatte sie ein schlechtes Gewissen sich hier einen faulen Lenz zu machen.
„Jetzt los, komm."
Seufzend kam sie der Aufforderung nach. Er wandte sich ihr zu, nahm sein Bier in die Hand, trank einen tiefen Schluck und sah sie erwartungsvoll an. Sie fühlte sich ein wenig überrumpelt.
„Was willst du von mir?"
Er zuckte mit den Schultern.
„Wie geht's dir so?"
„Gut."
„Aha", er trank wieder von seinem Bier und ließ sie dabei nicht aus den Augen, setzte die Flasche wieder ab. Ihr fiel auf, wie sehr er Felix jetzt ähnelte, obwohl sie doch so unterschiedlich waren. Trotzdem. Der Blick war der gleiche.
„Und wie geht's dir?", fragte sie unmotiviert.
„Mir?", er hob erstaunt die Augenbrauen, „Mir geht's auch gut. Aber das ist doch nicht die Frage, oder?"
Sie verzog das Gesicht und erhob sich.
„Okay, das reicht. Ich wusste, dass das so endet."
Er hielt sie auf.
„Julian.."
„Frag mich doch einfach nach ihm. Das willst du doch."
„Nein."
„Nein? Dann frag mich, wieso ich hier bin."
Sie atmete tief durch.
„Ist doch egal. Von mir aus kannst du machen, was du willst."
Er seufzte schwer und sah sie eindringlich an.
„Ich wollte wirklich nur sehen wie es dir so geht... was du so machst. Da du anscheinend nicht vor Liebeskummer umkommst, werd ich wohl einfach wieder gehen."
Sie zog die Augenbrauen zusammen und erwiderte seinen Blick.
„Und was hättest du gemacht, wenn du festgestellt hättest, dass ich vor Liebeskummer umkomme?"
Er zuckte mit den Schultern.
„Dir gesagt, dass er es auch tut."

Nachtleben [Felix Lobrecht FF]Where stories live. Discover now